„Es wird keinen Frieden in unserem Teil der Welt geben, bis Russland zu Christus zurückkehrt“

2. März 2022 in Spirituelles


Vorsitzender des polnischen Episkopats, Erzbischof Gądecki: „Russlands Aggression gegen die Ukraine macht uns deutlich bewusst, dass in der Welt – neben der materiellen Kriegsführung – gleichzeitig ein geistiger Kampf geführt wird.“


Warschau (kath.net/Polnische Bischofskonferenz/pl) „Russlands Aggression gegen die Ukraine macht uns deutlich bewusst, dass in der Welt – neben der materiellen Kriegsführung – gleichzeitig ein geistiger Kampf geführt wird. Ein Kampf, der konkrete Formen annimmt und an dem konkrete Menschen teilnehmen. Und geistliche Waffen sind das Hauptwerkzeug der Kriegsführung, das den Gläubigen zur Verfügung steht.“ So deutlich formuliert der Präsident der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, in seiner Aschermittwochsbotschaft.

kath.net dokumentiert die Botschaft des Präsidenten der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, zum Aschermittwoch 2022 während des Krieges in der Ukraine in voller Länge in eigener Übersetzung – © für die Übersetzung: kath.net/Petra Lorleberg

Liebe Landsleute,
liebe ukrainische Schwestern und Brüder,
liebe Zuschauer des polnischen Fernsehens,

1.    Morgen – Aschermittwoch – beginnen wir mit der Fastenzeit, einer Zeit der geistlichen Vorbereitung auf die Auferstehung des Herrn. Wieder einmal wird es sehr schwierig. In den letzten Jahren waren wir mit einer Pandemie konfrontiert, die mehreren Millionen Menschen auf der ganzen Welt den Tod gebracht hat. Nun, in der vergangenen Woche wurden wir Zeuge eines weiteren Dramas: der massiven russischen Militäraggression gegen ein souveränes Land, gegen die Ukraine. Nicht nur militärische Einrichtungen werden angegriffen, sondern auch Wohngebäude, Krankenhäuser und Kindergärten. Soldaten und Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, werden getötet. Die freie Welt reagiert solidarisch auf diesen Akt schändlicher Barbarei.

2.    Die alte Geschichte der menschlichen Sünde wiederholt sich vor unseren Augen, wie der Autor des Ersten Buches der Makkabäer schreibt: „Als diese das Heer sahen, das gegen sie ausgerückt war, sagten sie zu Judas: ‚Wie können wir mit so wenigen Leuten gegen eine solche Übermacht kämpfen? Außerdem sind wir ganz erschöpft; denn wir haben heute noch nichts gegessen.‘ Judas antwortete: ‚Es kann leicht sein, dass viele wenigen in die Hände fallen; für den Himmel macht es keinen Unterschied, ob er durch viele oder wenige Rettung bringt. Denn der Sieg im Kampf liegt nicht an der Größe des Heeres, sondern an der Kraft, die vom Himmel kommt. Diese Leute da ziehen voll gottlosem Hochmut gegen uns in den Kampf, um uns mit unseren Frauen und Kindern auszurotten und als Beute wegzuführen. Wir aber kämpfen für unser Leben und für unsere Gesetze. Der Himmel wird sie vor unseren Augen aufreiben. Darum habt keine Angst vor ihnen!‘“ – Verlieren Sie nicht die Hoffnung!

3.    Jede Nation hat das moralische Recht, sich effektiv zu verteidigen. Wir sind bewegt vom Heldentum und der Opferbereitschaft des ukrainischen Volkes. Liebe Schwestern und Brüder der Ukraine, für Ihre Liebe zu Gott und Ihre heldenhafte Liebe zu Ihrem Heimatland verdienen Sie alle Respekt und Anerkennung. Im Namen der Pfarrer und Gläubigen der katholischen Kirche in Polen versichere ich Sie noch einmal unseres guten Willens, unserer Freundschaft, unserer geistlichen und materiellen Unterstützung.

4.    Russlands Aggression gegen die Ukraine macht uns deutlich bewusst, dass in der Welt – neben der materiellen Kriegsführung – gleichzeitig ein geistiger Kampf geführt wird. Ein Kampf, der konkrete Formen annimmt und an dem konkrete Menschen teilnehmen. Und geistliche Waffen sind das Hauptwerkzeug der Kriegsführung, das den Gläubigen zur Verfügung steht. „Solche bösen Geister werden nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben“, lesen wir im Matthäusevangelium (Mt 17,21 – Anm.d.Ü.: vgl. Mk 9,29). Aus diesem Grund – als Antwort auf den Aufruf von Papst Franziskus – fordere ich dazu auf, dass wir als Gläubige das morgige Fasten und das Gebet für den Frieden in der Ukraine aufopfern.

5.    Das Leiden unserer Schwestern und Brüder hat viel Gutes in uns freigesetzt. Wir sind Zeugen der bewunderswerten Gastfreundschaft unserer Landsleute, die vom Unglück ihrer Nachbarn bewegt sind. Jeden Tag kommen Tausende von Flüchtlingen – hauptsächlich Frauen und Kinder – nach Polen, um vor dem Krieg Zuflucht zu suchen. Ich danke allen, die sich spontan in konkrete Flüchtlingshilfe eingebracht haben. Ich danke Ihnen für Ihre diplomatischen Bemühungen und Ihre internationale Unterstützung. Ich danke staatlichen und kommunalen Behörden, uniformierten und medizinischen Diensten, Institutionen und Unternehmen. Ich danke auch den Diözesen, Pfarreien, Priestern, Personen des geweihten Lebens und allen, die ihre Türen für Flüchtlinge geöffnet haben. Besonders danke ich der Caritas Polen und der Caritas der Bistümer sowie der Ostkirchenhilfe, die bereits im ganzen Land konkrete Hilfe leisten. Ich bin dankbar für die Sammlungen von Lebensmitteln, Medikamenten und Grundbedarfsgütern, die organisiert wurden. Danke für jedes gute Wort und jede kleinste Geste der Freundlichkeit, die an unsere leidenden Brüder und Schwestern gerichtet sind. Umgeben wir sie mit Gebeten, zeigen wir Herzlichkeit, helfen wir ihnen, Arbeit zu finden.

6.    Doch der Bedarf ist viel größer. Deshalb werden wir morgen in Kirchen in ganz Polen – nach jeder Messe – die Sammlung von Opfergaben fortsetzen, die über Caritas Polen für die sofortige und die langfristige Hilfe für Kriegsflüchtlinge bereitgestellt werden. Lassen Sie uns außerdem in dieser äußerst schwierigen Situation Flüchtlinge in unseren Häusern, Pfarreien und Religionsgemeinschaften willkommen heißen. Unsere ukrainischen Schwestern und Brüder brauchen weitere Gesten menschlicher Solidarität und Freundlichkeit.

7.    Schließen wir auch Russland in unsere Gebete ein. Es wird keinen Frieden in unserem Teil der Welt geben, bis Russland zu Christus zurückkehrt. Wir träumen davon, dass es eines Tages Vergebung und Versöhnung zwischen allen Völkern Mittel- und Osteuropas geben wird, damit wir nicht nur in Frieden, sondern auch in Freundschaft leben können. Die Russen, die heute gegen diesen Krieg protestieren – und sich selbst gegenüber den offiziellen Behörden gefährden – bestärken unsere Hoffnung auf die moralische und geistige Wiedergeburt der gesamten russischen Nation.

Für eine fruchtbringende Erfahrung der diesjährigen Fastenzeit segne ich von Herzen alle Polen und Ukrainer im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes
Warschau, 1. März 2022

 


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