'Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien.' (Joh 8,32)

1. März 2022 in Jugend


Die Jugendkolumne von kath.net - Von Lucia Zimmermann


Salzburg (kath.net)

Ich habe heute eine Einladung bekommen. Meine erste Reaktion war: „Nein, da gehe ich sicher nicht hin.“ Und das wiederum hat mir gezeigt, wie oft ich mir selbst etwas vormache.

Meine Begründung wäre im ersten Moment nämlich schlichtes Desinteresse gewesen, aber wenn ich tiefer gehe und ehrlich zu mir bin, dann lautet der wahre Grund: Ich habe ihnen immer noch nicht vergeben.

Angeregt von einem Buch, habe ich Gott ein paar Tage vorher die Frage gestellt: „Was hindert dich, mir näher zu kommen?“ Dieser Frage liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Gegenwart Gottes immer präsent ist; das Gott ganz eins mit uns sein will und wir es sind, die diese Nähe aus verschiedensten Gründen nicht immer zulassen können. Martin Schleske schreibt in seinem Buch, er hätte für sich einen neuen Grundbegriff des Glaubens gefunden, nämlich: „Glauben heißt erlauben.“ Ich höre Wahrheit in diesen Worten und deshalb frage ich mich: „Wo sträubt sich etwas in mir? Wo erlaube ich nicht, dass Gott mir näher kommt und näher nachfragt? Wo will ich ihn gar nicht hören? Wo will ich gar nichts von ihm wissen, weil ich sonst handeln, etwas verändern oder umkehren müsste?

Gott spricht und antwortet auf vielfältige Weise und selten nur über eine Quelle. Meistens kommt die gleiche Botschaft von mehreren, voneinander völlig unabhängigen Seiten zu mir. Für mich immer auch ein Zeichen dafür, dass es der Heilige Geist ist, der spricht - der Geist der Einheit. So war es auch dieses Mal. Erst lese ich davon, wie Bitterkeit die Augen meines Herzens trübt und meine Beziehung zu Gott, zu mir selbst und zu den Menschen vergiftet. Dann höre ich eine Predigt über Feindesliebe und dass wir oft lange für die beten müssen, die uns verletzt haben, bevor wir ihnen vergeben können bzw. auch für uns selbst. Und schließlich sprechen auch die Erlebnisse des Alltags klar in mein Herz. Dabei hätte ich vor kurzem noch gesagt, dass mir gar niemand einfällt, mit dem ich nicht im Reinen bin. Ich habe keine „Feinde“. Ich habe manche Menschen lieber als andere, aber unversöhnt? Nein, so schlimm ist es nicht.

Jetzt weiß ich, doch genau so „schlimm“ ist es. Werden gewisse Namen erwähnt, folgt unweigerlich ein kleiner, aber tiefer Stich ins Herz. Ich gehe in Verteidigungsmodus oder bewerte und suche Fehler. Ich distanziere mich innerlich und werde sachlich und kühl. Gleichzeitig merke ich auch eine gewisse Feindschaft mit mir selbst. Ich werte mich ab, wenn ich von bestimmten Erlebnissen von früher erzähle, Wellen der Scham rollen über mich hinweg und ich verurteile mich.

Dieses Eingeständnis, dass nicht alles gut ist, obwohl ich das jedem sage und am öftesten mir selbst, ist höchst unangenehm. Es fällt mir richtig schwer, anzuerkennen, wie sehr ich Vergebung und Heilung in meinem Leben brauche. Aber ich will nicht mehr wegschauen. Ich erlaube Gott mein Herz zu reinigen. Er erlaube Gott, mir die Wahrheit zu zeigen. Ich erlaube Gott, mir nah zu sein.

„Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien..“ (Joh 8,32)


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