Hatespeech gegen Benedikt XVI. und die Wahrheit

2. Februar 2022 in Kommentar


Stoppt das Projekt „Ecclesia teutonica semper deformanda“! – Plädoyer für Fairness und Aufrichtigkeit. Gastkommentar von Martin Lohmann


Bonn-München-Vatikan (kath.net) Es reicht. Und dennoch hören manche nicht auf. Experten, selbsternannte und echte, Journalisten, Kirchenleute, Ungläubige und Kleriker, Kirchengegner außer- und innerhalb der Kirche, vom Glauben Abgefallene – sie alle hauen weiter drauf. Auf einen alten Mann, dessen geistige und geistliche, intellektuelle und theologische Lebensleistung einzigartig ist. Auf einen beinahe 95-jährigen emeritierten Papst, dessen gedankliche Klarheit und Analysefähigkeit stets ihresgleichen suchte. Auf einen Kirchenlehrer, dessen feinsinnige Begabung andere niemals brüskierte, der demütig blieb und hellwach zuzuhören verstand. Auf einen Gelehrten, der seine aufgeklärte Wissenskompetenz immer mit einem kindlich starken Gottvertrauen zu verbinden wusste.

Und warum schlagen selbstgerechte Moralapostel auf ihn ein? Warum fordern gar Bischöfe, die sich einst in seinem Lichte zu sonnen genossen, öffentlich und wohlfeil eine Entschuldigung von Papst em. Benedikt XVI.? Wofür? Warum wollen manche durch aufgeblasene Empörung gegen ihn von wirklichen wichtigen Fragen und Notwendigkeiten, wie der dringend erforderten Aufklärung eigener und wirklicher Versagen, ablenken? Wenn gar ein Vorsitzender der Bischofskonferenz im Betroffenheitsgestus unter Abonnieren des Zeitgeistapplauses öffentlich im Fernsehen fremdbußbereit fordert, man müsse die Lehre der Kirche ändern, dann lugt diesbezüglich wenigstens so etwas wie ein Hauch von wirklichem Anliegen hervor. Denn genau darum geht es. Es ist schon erstaunlich und irgendwie auch beeindruckend, wie sehr sich manche von ihrer eigenen Selbstgerechtigkeit derart blenden lassen, dass sie offenbar gar nicht mitbekommen, wie ihnen sämtliche Koordinaten des Anstands und der Ehrlichkeit abhandengekommen sind.

Es geht um das katholische und an der Offenbarung Gottes und seinem Mensch gewordenen Sohn orientierte Bild der Kirche, die nicht auf Beliebigkeit und wackligem Anpassungsgesäusele gebaut ist, sondern auf stabiler Wahrheit. Es geht darum, einen besonders starken und klaren Zeugen der Wahrheit, der gemäß seines bischöflichen Wahlspruchs „Mitarbeiter der Wahrheit“ ist, zu diskreditieren. Denn dieser Mann, dem in einem – von wem auch immer hinsichtlich einer Anwesenheit bei einer Sitzung als Münchner Erzbischof verfassten Text, der alles andere als seine feinzisilierte Sprache spiegelt – von ihm unterzeichneten 82-seitigen Papier ein Fehler unterlaufen ist, ist garantiert kein Lügner. Und er vertritt mit der Macht der Logik und der Treue zur Frohen Botschaft all das, was die Kirche Jesu Christi als Zeichen des Widerspruchs wirklich ausmacht.

Wie die Geier stürzten und stürzen sich manche auf den – längst korrigierten – Fehler in dem Papier. Und während man sonst jede Form der Hassrede verurteilt, produziert sich so mancher geradezu ungeniert in der perfiden Hatespeech gegen Joseph Ratzinger. Nur mal so zur Information: Hatespeech ist immer böse. Auch die mit zerknirschter Gesichtsmine episkopal vorgetragene. Fairness? Fehlanzeige. Scham? Totale Fehlanzeige. Man will, jenseits aller Fakten und jenseits jeder Bereitschaft, den Missbrauchsskandal aufzuarbeiten, das Siegel der Lüge mit dem im Lebensabend angekommenen Mitarbeiter der Wahrheit verschweißen. Es ihm brutal aufdrücken. Man möchte ihn – und mit ihm das wahre Bild von Kirche – zerstören, beseitigen, vernichten.

Man ist geneigt, so etwas satanisch zu nennen. Denn zugleich wird im Bewusstsein vieler, die zu wenig wissen, das Faktum verunmöglicht, dass gerade Kardinal Ratzinger – und später als Papst Benedikt erst recht – jemand war, der früher und entschiedener gehandelt hat und Konsequenzen ziehen ließ als alle anderen, wenn es um das abscheuliche Verbrechen des Missbrauchs ging.

Nicht der emeritierte Papst muss sich entschuldigen, sondern viele, darunter auch Bischöfe, die sich in den vergangenen Tagen in sprungbereiter Hassbereitschaft an einem Mann abarbeiteten, dem sie theologisch, menschlich, glaubensmäßig und charakterlich offenbar nicht ansatzweise das Wasser reichen können. Wenn noch Zweifel diesbezüglich bestanden haben sollten, dann sind sie von den Akteuren der Falschheit jetzt selbst beseitigt worden. Sie alle sollten eine Entschuldigungsbitte noch rechtzeitig vor dem 95. Geburtstag von Joseph Ratzinger am 16. April versuchen – falls die Begabung zur Scham nicht ganz ausgelöscht wurde. Ihnen allen kann man nur wünschen, dass sie endlich damit aufhören, ihre panische Angst vor einer ecclesia semper reformanda, die sich immer und ausschließlich an der Urform Jesus Christus und dem Heutigwerden der immer gültigen Wahrheit zu orientieren hat, in erkennbarem Ersatz-Hass zu befriedigen. Wer ehrlich ist, wird es zugeben (müssen): Vielen, die sich im Gewande vermeintlicher Kritik tarnen, geht es eher darum, einen schrecklichen antichristlichen Auftrag mit allen Mitteln zu Ende zu bringen: ecclesia teutonica semper deformanda.

Martin Lohmann ist seit mehr als einem halben Jahrhundert vertraut mit Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI. Der Theologe, Historiker und Publizist ist seit einigen Jahren korrespondierendes Mitglied des Neuen Schülerkreises. Er hat mehrere Bücher über Papst Benedikt geschrieben und zahlreiche Gespräche mit Joseph Ratzinger veröffentlicht.
Archivfoto Martin Lohmann (c) LohmannMedia


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