Kardinal Müller stellt sich auf die Seite von Papst em. Benedikt XVI.

24. Jänner 2022 in Aktuelles


„Für mich ist klar, dass er als Erzbischof Ratzinger nicht wissentlich etwas falsch gemacht hat“ – Damals habe niemand gewusst, „wie man angemessen reagieren könnte , weder in Kirche noch in Zivilgesellschaft“ - UPDATE: Müller-Text in voller Länge!


Rom (kath.net/pl) Gerhard Kardinal Müller stellt sich nach Veröffentlichung des Münchener Missbrauchsgutachtens auf die Seite des emeritierten Papstes Benedikt XVI. Der emeritierte Präfekt der Glaubenskongregation und früherer Bischof von Regensburg sagte gegenüber der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ wörtlich: „Für mich ist klar, dass er als Erzbischof Ratzinger nicht wissentlich etwas falsch gemacht hat“. Es habe während der Zeit Ratzingers als Erzbischof von München (1977-1982) nicht das Bewusstsein über Missbrauch und die Vorgehensmethoden von heute gegeben. Damals habe niemand gewusst, „wie man angemessen reagieren könnte – weder in der Kirche noch in der Zivilgesellschaft“, erinnerte Müller.

Nach Einschätzung von Kardinal Müller wird inzwischen stärker über Ratzinger als über die missbrauchsverdächtigen Priester wie z.b. Priester H. und andere gesprochen. Dies wundere ihn allerdings nicht: „In Deutschland, und nicht nur dort, ist man daran interessiert, Joseph Ratzinger zu schaden.“ Diese sozusagen orthodoxe Position, die Ratzinger/Benedikt XVI. vertrete, sei in den Augen vieler störend. In Deutschland gebe es viele Menschen, die auf eine Änderung der kirchlichen Positionen drängten, beispielsweise durch Forderungen nach Abschaffung des Zölibats oder nach Frauenpriestertum.

Offen fügte der Kardinal übrigen hinzu, dass er das Gutachten „nicht gelesen“ hat, eine Offenheit, die all jene Journalisten vermissen lassen, die NICHT dazuschreiben, dass sie das 1.800 Seiten starke Gutachten trotz ihrer markigen Besserwisserei ebenfalls nicht durchgearbeitet haben.

UPDATE:

Kardinal Müller stellte gegenüber dem "Corriere della Sera" nach der gründlichen Lektüre des 82seitigen Text des damaligen Erzbischofs von München fest [Text in Übersetzung]:


Papa emeritus Benedict XVI., ein würdiger Greis von 95 Jahren, wurde in eine Falle gelockt und winkelakrobatisch fehlinterpretiert. Er erinnerte sich genau, dass er über das  pädosexuelle Vorleben  von H. nicht informiert war und damit dessen potentielle Gefährlichkeit nicht einschätzen konnte. Und  es gibt nicht den leisesten Zweifel, dass er objektiv und subjektiv die Wahrheit sagt. Niemals hätte er fahrlässig  und sogar wissentlich Jugendliche einer Gefahr ausgesetzt. Er ist an höchstverantwortlicher Stelle derjenige Mann in der katholischen Weltkirche, der am meisten für die kanonistische Verfolgung und strafrechtliche Ahndung dieser abscheulichen  Straftaten getan hat.

Im Gegensatz zu skandalsüchtigen Medienbehauptungen  hat er auch keineswegs die sexuellen Handlungen vor Kindern verharmlost, als er in einem bestimmten Fall die schamlosen Handlungen vor Kindern als vorgefallene Tatsache  von sexuellen Handlungen an Kindern unterschied. In beiden Fällen handelt es sich moralisch um eine schwere Sünde, die besonders wegen des Vorbildcharakters des Priestertums [ vgl. 1 Petrus 5, 3] eines Seelsorgers in höchstem Mass unwürdig ist und heute mit der Entlassung aus dem geistlichen Stand geahndet wird. Wer ihn medial als Lügner bezeichnet, ist nichts weiter als ein gewissenloser Hetzer und katholikenfeindlicher Hassprediger. Angesichts des intellektuellen Abgrundes, der sich hier auftut, kann man nur noch Trost in der Geschichte finden. Der große Theologe, Kardinalpräfekt und Papst antwortete akademisch wie Plato und wurde plebejisch niedergemacht wie einst ein Sokrates von den Feinden der Wahrheit.

Das Gutachten war eine Auftragsarbeit, die der Agenda einer entkatholisierten deutschen Nationalkirche zugutekommen soll. Und das böse Spiel wurde  noch mit Millionen Euro aus dem Kirchensteuer-Geld der Gläubigen finanziert. Wenn man die Gerechtigkeit für die armen Opfer im Sinne gehabt hätte, hätte eine Gruppe von  neutralen Fachleuten ehrenamtlich, also nicht  noch gewinnbringend, die Untaten aus diesem Zeitraum  von 1945- 2019 untersuchen müssen.

Der verheerende Eindruck ist jetzt, dass die Kleriker wegen der Heiligen Weihe oder wegen der zölibatären Lebensform generell mögliche Missbrauchstäter seien und nicht einzelne Personen wegen ihrer individuellen sexuellen Entwicklungsstörung. Genauso absurd wäre es, aus der Tatsache, dass sogar Eltern ihre eigenen Kinder missbrauchen, auf die Gefahr von Ehe und Familie zu schließen. Nach wie vor bleiben Priester Vertrauenspersonen von höchstem Rang. Und wir können mit gutem Gewissen uns katholische Christen nennen und dabei mit dem II. Vatikanum die Kirche in Christus als das Sakrament des Heils der Welt verstehen.

Deutsche Bischöfe und Kirchenfunktionäre haben die schmutzigen Wasser, die aus dem Münchner Kanzleikonvolut fließen, auf ihre „synodalen“ Mühlen geleitet. Sie fordern in stolzgeschwellten Demutsgesten den Umbau der Kirche nach ihrem eigenen vergänglichen Bild und vergessen, dass niemand anderer die Kirche baut  als Jesus der Herr. Er sagt zu Petrus und in ihm zu jedem regierenden Papst: „Auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“ [ Matthäus 16, 18].

Archivfoto: Kardinal Ratzinger in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation


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