Die Notwendigkeit der ‚Revolution der Zärtlichkeit’

19. Jänner 2022 in Aktuelles


Franziskus: der heilige Josef, Vater in der Zärtlichkeit. Das Vorbild. Sucht die Vergebung in der Beichte und werdet Menschen des Vergebung. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Als Israel jung war, gewann ich ihn lieb, / ich rief meinen Sohn aus Ägypten. [...] Ich war es, der Efraim gehen lehrte, / der sie nahm auf seine Arme. Sie aber haben nicht erkannt, / dass ich sie heilen wollte. Mit menschlichen Fesseln zog ich sie, / mit Banden der Liebe. Ich war da für sie wie die, / die den Säugling an ihre Wangen heben. / Ich neigte mich ihm zu und gab ihm zu essen“ (Hos 11,1.3-4).

Dritte Generalaudienz des Jahres 2022 mit Pilgern und Besuchern in der Aula „Paolo VI“. Papst Franziskus setzte seine Katechesenreihe zum heiligen Josef fort. Die achte Katechese stellte er unter das Thema: „Der heilige Josef, Vater in der Zärtlichkeit“.

„In meinem Apostolischen Schreiben „Patris corde“ (8. Dezember 2020) hatte ich die Gelegenheit, über diesen Aspekt der Persönlichkeit des heiligen Josef nachzudenken“, so der Papst. Obwohl die Evangelien keine Einzelheiten über die Art und Weise verrieten, wie er seine Vaterschaft ausübe, könntn wir sicher sein, dass seine Eigenschaft als „Gerechter“ sich auch in der Erziehung von Jesus niedergeschlagen habe.

Den heiligen Josef dürften wir uns so als liebevollen Vater vorstellen, so der Papst. Gewiss auch vor dem Hintergrund dieser Erfahrung verwende Jesus zur Veranschaulichung der Liebe Gottes gerne das Wort „Vater“. So etwa im Gleichnis vom barmherzigen Vater (Lk 15,11-32), wo der Sohn eigentlich auf eine gerechte Strafe gefasst gewesen sei, der Vater ihn nach seiner Umkehr dann aber voll Freude in die Arme schließe.

Die Zärtlichkeit sei etwas, das größer sei als die Logik der Welt. Es sei eine unerwartete Art, Gerechtigkeit zu üben. Deshalb dürften wir nie vergessen, „dass Gott sich nicht vor unseren Sünden, unseren Fehlern, unseren Stürzen fürchtet, sondern vor der Verschlossenheit unserer Herzen, vor unserem mangelnden Glauben an seine Liebe“. In der Erfahrung der Liebe Gottes liege somit eine große Zärtlichkeit. Und „es ist schön, daran zu denken, dass die erste Person, die diese Realität an Jesus weitergab, Josef selbst war. Denn die Dinge Gottes kommen immer durch die Vermittlung von menschlichen Erfahrungen zu uns“.

Die Zärtlichkeit Gottes übersteige die Logik der Welt, sie ist Gottes Art, Gerechtigkeit zu üben. Gott erschrecke sich nicht vor unseren Sünden, Fehlern und Schwächen – „er fürchtet vielmehr die Verschlossenheit unserer Herzen und unseren mangelnden Glauben an seine Barmherzigkeit“.

Diese sei nicht so sehr eine emotionale Angelegenheit, sondern die Erfahrung, trotz oder gar wegen unserer Armseligkeit und Schwachheit geliebt und angenommen zu sein. Gott vertraue nicht nur auf unsere Talente, er könne sein Heil auch durch unsere Schwäche hindurch wirken.

Dazu müssten wir uns aber öffnen für seine Barmherzigkeit, „die er uns in besonderer Weise im Sakrament der Versöhnung mitteilt“ (Patris corde, 2): „Die Sanftmut ist der beste Weg, um mit dem Schwachen in uns umzugehen. Der ausgestreckte Zeigefinger und die Verurteilungen, die wir anderen gegenüber an den Tag legen, sind oft ein Zeichen unserer Unfähigkeit, unsere eigene Schwäche, unsere eigene Zerbrechlichkeit innerlich anzunehmen. Nur die Sanftmut wird uns vor dem Treiben des Anklägers bewahren (vgl. Offb 12,10). Aus diesem Grund ist es wichtig, der Barmherzigkeit Gottes zu begegnen, insbesondere im Sakrament der Versöhnung, und eine Erfahrung von Wahrheit und Sanftmut zu machen. Paradoxerweise kann uns auch der Böse die Wahrheit sagen, aber wenn er dies tut, dann nur, um uns zu verurteilen. Wir wissen jedoch, dass die Wahrheit, die von Gott kommt, uns nicht verurteilt, sondern aufnimmt, umarmt, unterstützt und vergibt“.

„Ich denke heute an unsere Brüder und Schwestern im Gefängnis“, so Franziskus. Es sei gerecht, dass diejenigen, die Unrecht getan hätten, dafür geradestehen müssen. Ebenso sei es ein Erfordernis der Gerechtigkeit, dass ihnen die Chance der Umkehr, der Vergebung und eines Neuanfangs gewährt werde.

Es tue uns also gut, uns in Josefs Vaterschaft zu spiegeln und uns zu fragen, ob wir dem Herrn erlaubten, uns mit seiner Zärtlichkeit zu lieben, indem er jeden von uns in Männer und Frauen verwandle, die fähig seien, auf diese Weise zu lieben. Ohne diese „Revolution der Zärtlichkeit“ liefen wir Gefahr, in einer Justiz gefangen zu bleiben, die es uns nicht leicht mache, aufzustehen, und die Erlösung mit Strafe verwechsle.

Es sei also richtig, dass diejenigen, die Unrecht getan haben, für ihren Fehler bezahlen müssen, „aber es ist noch richtiger, dass diejenigen, die Unrecht getan haben, in der Lage sein sollten, sich von ihrem Fehler zu befreien“.

Wie immer beschloss der Papst seine Katechese mit einem Gebet zum heiligen Josef:

„Heiliger Josef, Vater der Zärtlichkeit, lehre uns, anzunehmen, dass wir gerade in dem geliebt werden, was in uns am schwächsten ist. Wecke in uns den Wunsch, das Sakrament der Versöhnung zu empfangen, damit uns vergeben wird und wir fähig werden, unsere Brüder und Schwestern in ihrer Armut mit Zärtlichkeit zu lieben. Sei denen nahe, die Unrecht getan haben und den Preis dafür zahlen; hilf ihnen, neben der Gerechtigkeit auch die Zärtlichkeit zu finden, um neu beginnen zu können. Und lehren sie, dass der erste Weg zum Neuanfang darin besteht, aufrichtig um Vergebung zu bitten. Amen“.

Die Pilger und Besucher sowie die Zuschauer und Zuhörer aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Ich grüße die Gläubigen deutscher Sprache. Wir alle bedürfen der Barmherzigkeit Gottes und unserer Mitmenschen. Deshalb sollen auch wir barmherzig sein und bereit zu verzeihen. Der heilige Josef lehre euch als liebevoller Vater diese Haltung der Barmherzigkeit und stehe euch mit seiner Fürsprache bei.


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