Sterbeverfügungsgesetz: Katholischer Laienrat mit schweren Bedenken

13. November 2021 in Österreich


Laienrat hält Gesetzesvorlage in der derzeitigen Form für verfassungswidrig - Schwerwiegende Bedenken u.a. auch vom Institut für Ehe und Familie und dem Salzburger Ärzteforum.


Wien (kath.net/ KAP)

Der Katholische Laienrat (KLRÖ) hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Sterbeverfügungsgesetz schwerwiegende Bedenken angeführt. Das Gesetz in der vorliegenden Form wäre nach Einschätzung des KLRÖ verfassungswidrig. Es sei unverständlich, dass die Beihilfe zur Selbsttötung bei Vorliegen einer entsprechenden Krankheit und ärztlicher Aufklärung straffrei sein soll, und die Straffreiheit nicht an das Vorliegen einer Sterbeverfügung anknüpft.

Die im Gesetzesentwurf für die Errichtung einer Sterbeverfügung vorgesehenen Vorkehrungen würden für die Strafbarkeit des assistierten Suizids weitgehend wirkungslos werden. Dadurch werde den engen Grenzen, unter denen der VfGH den assistierten Suizid gesetzt hat, nicht Rechnung getragen. Damit wäre auch die Gesamtregelung der Sterbeverfügung verfassungswidrig, weil die vom VfGH geforderten Schutzregeln de facto unterlaufen werden könnten.

Es müsste zudem in einer zivilrechtlichen Regelung sichergestellt werden, dass ein assistierter Suizid nicht als Selbstmord im Sinn des Privatversicherungsrechts gilt. Andernfalls könnten private Versicherungen etwa im Bereich der Lebensversicherung von assistierten Suiziden profitieren.

Darüber hinaus hält der KLRÖ seine Forderung aufrecht, die Beschlussfassung über das geplante Sterbeverfügungsrecht mit einem verfassungsrechtlichen Verbot der aktiven Sterbehilfe zu verbinden.

 

Kritik an fast völliger Straflosigkeit

Auch das kirchliche Institut für Ehe und Familie (IEF) kritisiert in einer ausführlichen Stellungnahme u.a. die fast völlige Straflosigkeit. Die Straffreiheit der Suizidassistenz müsste an das Vorliegen einer Suiziderklärung (Sterbeverfügung) gebunden werden, fordert das IEF.

Ein weiterer Hauptkritikpunkt betrifft die Regelung, dass die ärztliche Beratung bzw. Abklärung des freien selbstbestimmten Willens des Suizidwilligen ohne psychiatrische Expertise erfolgen kann. Nur im Zweifel muss laut Entwurf ein Experte beigezogen werden. Es ist für das IEF aber nicht vorstellbar, wie eine ärztliche Person - noch dazu ohne Facharzt oder Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin zu sein - umfassend erkennen soll, ob die suizidwillige Person ihren Entschluss unter psychischem Zwang oder Beeinflussung durch Dritte trifft. Deshalb spricht sich das IEF für die verpflichtende Abklärung einschließlich einer Beratung durch eine Fachärztin bzw. einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin aus.

Schließlich sei es auch nicht nachvollziehbar, so das IEF, warum es eine ärztliche Person sein muss, die über die letale Dosis eines Suizidpräparats und seinen Wirkungsmechanismus aufklärt. Es handle sich bei einem Suizidpräparat ja gerade nicht um ein Medikament, sondern wohl eher um ein Gift ähnlich einer Waffe. "Warum aber eine ärztliche Person einer suizidwilligen Person erläutern muss, wie sie das Gift/die Waffe verwenden muss, um möglichst treffsicher und schmerzfrei zu sterben, ist nicht nachvollziehbar", heißt es wörtlich in der Stellungnahme.

Das IEF mahnt schließlich auch eine klarere Regelung hinsichtlich des Freiwilligkeitsgebotes bzw. Benachteiligungsverbots ein. Das neue Gesetz sollte deshalb einen Passus enthalten, in dem klar geregelt ist, dass Einrichtungen (juristische Personen), die keine Hilfeleistung, ärztliche Aufklärung oder Mitwirkung an der Errichtung einer Sterbeverfügung erbringen wollen, dies in ihren Vertragsbeziehungen zu Dritten entsprechend vereinbaren und in Weisungen gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anordnen können.

 

Sicherung der Gewissensfreiheit

Das Salzburger Ärzteforum weist in seiner Stellungnahme neben der auch von anderer Seite vorgebrachten Kritik u.a. darauf hin, dass die ausdrückliche Sicherung der Gewissensfreiheit für Angehörige aller medizinischen Fachbereiche grundsätzlich positiv zu vermerken sei. Allerdings finde sich im Text nicht, ob assistierte Suizide in Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens (Spitälern) und der Patientenbetreuung (z.B. Pflegeheimen) stattfinden dürfen oder unzulässig sind, was aus Sicht des Forums zu fordern sei; "denn Krankenhäuser, Senioren- und Pflegeheime waren bisher Orte, in denen die aktive Beendigung eines Menschenlebens ein Tabu war und sich Menschen in Bezug auf ihre körperliche und seelische Integrität sicher fühlen durften". Dies sollte unbedingt so bleiben.

Weiters müsse die Option einer folgenlosen Ablehnung von assistierten Suiziden in der eigenen Einrichtung durch den Träger von Krankenanstalten oder Pflegeeinrichtungen gesetzlich unbedingt und explizit gewährleistet sein. Somit müssten z.B. Orden als Träger von Spitälern oder Hospiz- und Pflegeeinrichtungen die rechtlich verbriefte Option haben, assistierten Suizid in ihren Einrichtungen ablehnen bzw. explizit untersagen zu können, ohne dass eine Benachteiligung (z.B. finanziell durch Reduktion von öffentlichen Geldern) droht.

Kritisch sehen die Ärzte auch die schwammige Begrifflichkeit von "Krankheit", die zum assistierten Suizid "berechtigt". Auch nicht lebensbedrohliche chronische Krankheiten wie z.B. schwere rheumatische Erkrankungen seien inkludiert. Der Einschluss eines derart breiten Krankheitsspektrums ist in den Augen des Ärzteforums ebenso problematisch wie die unscharfe Abgrenzung von körperlich schwer beeinträchtigten Personen, da dies Betroffenen suggeriere, dass angesichts ihrer Behinderung ein assistierter Suizid eine in Erwägung zu ziehende Option sein könnte. Das sei ein Widerspruch zu jahrzehntelangen Integrationsbemühungen von Menschen mit Beeinträchtigung. Daher sollte explizit eine körperliche und/oder geistige Behinderung alleine keine Voraussetzung für die Erlangung einer Sterbeverfügung darstellen können, fordert das Ärzteforum.

 

Keine "wertfreie" Beratung

Eine ausführliche Stellungnahme hat auch der St. Pöltner Moraltheologe Prof. Josef Spindelböck abgegeben. Er weist u.a. auf die Unverzichtbarkeit der Anerkennung des Gewissensvorbehalts auf persönlicher und institutioneller Ebene hin. Eine Weigerung, sich am assistierten Suizid zu beteiligen, dürfe für Angehörige der ärztlichen und pflegerischen Berufe keinen Nachteil mit sich bringen. Wie sich dies im Einzelnen auswirken wird, wenn zum Beispiel in einem von der Caritas getragenen Pflegeheim eine Person auf ihrem vermeintlichen Recht beharrt, aus freiem Entscheid durch Selbsttötung aus dem Leben zu scheiden, welche mit der Assistenz einer anderen Person verbunden ist, werde sich erst im praktischen Vollzug des Gesetzes und in allfälligen rechtlichen Einsprüchen und Anfechtungen dieser gesetzlichen Regelung zeigen.

Wenn im Gesetzesentwurf eine verpflichtende ärztliche Aufklärung (mit Wartefrist) vorgesehen ist, so werde diese zwar im Sinne der Anerkennung der Entscheidungsfreiheit der suizidwilligen Person "ergebnisoffen" sein müssen, so Spindelböck, das bedeute aber nicht, dass die Beratung "wertfrei" sein dürfe. "Eine ganzheitlich zu verstehende Beratung darf den Menschen in keiner Dimension seiner Existenz ausblenden und wird in diesem Sinne Ermutigung zum Leben sein", so der Moraltheologe. Leider sei aber zu erwarten, "dass bestimmte Ideologen einer aktiven Sterbehilfe dagegen Einspruch erheben und der Präferenz für das Leben keinen Stellenwert zugestehen wollen".

Massive Kritik am Gesetzesentwurf kommt auch von der "Jugend für das Leben", die u.a. bedauert, dass im Entwurf kein Rechtsanspruch auf Palliativmedizin vorgesehen ist. Auch die volle Finanzierung der Palliativmedizin sei derzeit nicht gesichert. "Diese Punkte sehen wir als unbedingte Notwendigkeit und fordern deren prompte Umsetzung ein".

 

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