"Der gegenwärtige Weg in die Unfreiheit"

27. Oktober 2021 in Spirituelles


Gedanken von Dekan Ignaz Steinwender: "Die innere Freiheit wächst, wenn wir bereit sind, die Wahrheit um ihrer selbst willen zu suchen und dadurch resistenter werden gegen Propaganda und gegen die Political Correctness"


Salzburg (kath.net)

kath.net dokumentiert die Predigt von Dekan Ignaz Steinwender zum gestrigen öst. Nationalfeiertag im WORTLAUT:

Liebe Gläubige! Heute spricht der Apostel Paulus im Brief an die Römer von der Freiheit der Kinder Gottes und Jesus spricht vom Reich Gottes, das schon in dieser Welt wie ein Senfkorn verborgen wächst. So ist es vielleicht angebracht, am heutigen Nationalfeiertag, als Bürger des Reiches Gottes für die Freiheit und über unser Verhältnis zum Staat nachzudenken.

Der wahre Grund zum Feiern!

Wir feiern das, was wir vor 66 Jahren erlangt bzw. wiedererlangt haben, nämlich die staatliche Freiheit, die Demokratie, eine Gemeinschaft mit Werten, wir feiern die Geschichte des Landes und pflegen somit das  Heimatbewusstsein. Wir feiern sozusagen die eigene Identität! Wir dürfen uns darüber freuen, dass wir Österreicher sind, dass wir in einem wunderschönen Land leben, dass wir viele geistliche, geistige, kulturelle und andere Schätze haben. Wenn wir das tun, trotz vieler dramatischer Entwicklungen und Gefahren, trotz der bedrängenden Frage, wie es heute um diese Freiheit steht und wohin wir gehen, dann tun wir es, indem wir uns auf diese wahre Identität, die Gefahren für die Freiheit und auf unsere Verantwortung dafür besinnen.

Was ist die tiefere Bedeutung eines Nationalfeiertages? Wir können das vielleicht verstehen, wenn wir zwei Fehlformen eines Staates erkennen, den Nationalismus und sein Gegenteil, die Identitätslosigkeit, verkörpert in der Abwertung der eigenen Identität.  Der Nationalismus ist eine Vergötzung der Nation, die sich verbindet mit einer Abwertung anderer Nationen. Die negative Steigerung gab es im nationalen Sozialismus, der zur Rassentheorie führte. Das Gegenteil davon ist der nationale Selbsthass, die Verleugnung der eigenen Identität, die Abwertung der eigenen Geschichte, die einhergeht mit der Vergötzung alles Anderen und der Identitätslosigkeit. Dies kommt zum Ausdruck durch die Lust, die Vorfahren, die Geschichte, vieles andere, was unsere Wurzeln ausmacht, ins Negative zu zerren.

Man könnte das vergleichen mit der Haltung des Menschen sich selbst gegenüber. Es gibt den Egoismus, die Vergötzung des Ich, das zum Maß aller Dinge wird. Der Egoismus geht auf Kosten des anderen oder auch mit der Abwertung Anderer einher. Und es gibt den Selbsthass, der das Eigene nur negativ sieht und alles andere beschönigt. Dazwischen liegt die wahre Selbsterkenntnis. Die positive Selbstannahme, die Freude darüber, dass man ist und das Bewusstsein, dass man erkennt: Ich bin von Gott geliebt, erwählt, berufen, ein Kind Gottes.

Diese Sichtweise kann man dann auf der Ebene des Staats verstehen als positive Selbstannahme, d. h. als Liebe zum Vaterland, welche die Wertschätzung von Geschichte, Kultur und anderer Wurzeln unserer Gemeinschaft einschließt.

 

Der Staatsvertrag war eine Frucht eines Weges zur Freiheit

Heute feiern wir das, was 1955 gelungen ist oder vollendet wurde. Manche erinnern sich an das Bild, wo Außenminister Leopold Figl auf den Balkon trat und freudig verkündete: Österreich ist frei. Leopold Figl wusste, was dies bedeutet. Er hatte schwere, grausame Folterungen im KZ hinter sich und hatte jahrelang in zähen Verhandlungen mit anderen um diese Freiheit gekämpft. Österreich war frei geworden, d. h. die vier Besatzungsmächte sind abgezogen, Österreich bekam eine Verfassung, die die Grundrechte garantierte und die Demokratie wurde wiederhergestellt. Diese Freiheit ist uns nicht in den Schoß gefallen. Als Christen können wir sagen, es war auch ein Geschenk Gottes und die Freiheit ist von vielen vielen Menschen errungen worden. Drei besondere Gründe möchte ich dafür anführen.

-          Erstens ist die Freiheit erbetet worden. Hunderttausende Menschen haben täglich im sogenannten Rosenkranzsühnekreuzzug den Rosenkranz gebetet und zwar auch konkret in diesem Anliegen.

-          Zweitens haben Tausende Österreicher im KZ und auf andere Weise gelitten, besonders auch für die Freiheit. Sie haben als Bekenner lieber härteste Behandlungen ertragen, als ihre innere Freiheit aufzugeben

-          Drittens hatten sehr, sehr viele Menschen nach dem zweiten Weltkrieg den Willen zur Freiheit, dieser war größer als egoistische Interessen, etc.

Der gegenwärtige Weg in die Unfreiheit

Liebe Gläubige! Der Weg zum Staatsvertrag war ein Weg zur Freiheit. Freiheit ist ein Geschenk, das jeden Tag neu errungen werden muss. Man kann immer wieder in das Joch der Sklaverei zurückfallen. Jede Generation muss die Freiheit neu erringen. In dem Augenblick, wo man nicht mehr darum ringt, wird sie weniger.

Derzeit können wir vor allem drei Tendenzen beobachten, die wir als Weg in die Unfreiheit bezeichnen könnten. Diese Tendenzen haben vor allem auch geistige Ursachen.

-          Eine Tendenz ist Versuch der Aufhebung der Souveränität einzelner Staaten, was wir gegenwärtig im Konflikt zwischen Polen und der EU sehen können. Es geht um eine Richtungsentscheidung in Europa. Soll die EU ein „Europa der Vaterländer“ werden, wie es die Gründerväter im Sinne hatten, oder soll Europa ein zentralistischer Überstaat sein, der über die Verfassungen einzelner Nationalstaaten hinweggeht? Die Polen waren in der Freiheitsgeschichte Europas mehrmals entscheidend. Unter König Jan Sobjeski haben die Polen 1683 entscheidend zur Befreiung Wiens und Rettung Europas beigetragen. Der Pole Johannes Paul II. hat entscheidend zum Beginn des Niedergangs des Kommunismus im Osten und zur Verhinderung kommunistischer Revolutionen in Lateinamerika beigetragen. Und jetzt ist Polen dabei, in einem entscheidenden Moment um die nationalstaatlicher Freiheit innerhalb der EU zu kämpfen, eine dramatische Richtungsentscheidung.

-          Eine andere Tendenz ist die die Aufhebung von Grundrechten durch Gesetzes- oder Verfassungsänderungen, die nach katholischem Verständnis als Naturrecht nicht geändert werden dürften. Das geschah schon in der Abtreibungsgesetzgebung, wo das Lebensrecht der Ungeborenen preisgegeben wurde, das geschieht nun durch die Regelung des assistierten Suizides, die ein Einfallstor bzw. ein Dammbruch in Richtung Euthanasie darstellt, es geschieht durch die Gesetzgebung gegen den Schutz der Familie und gegenwärtig durch massive Freiheitseinschränkungen im Zusammenhang mit Coronamaßnahmen und Impfzwang. Im Jahre 1941, am letzten Sonntag im Oktober, dem Christkönigsfest, hat der Salzburger Erzbischof Sigismund Waitz im Salzburger Dom eine scharfe Predigt gehalten gegen die Politik der Nationalsozialisten, wobei er auf die zehn Gebote verwies, die Verletzung von Grundrechten aufzeigte und dann den Heiligen Augustinus zitierte, der sagte: „Remota itaque iusitia quid sunt regna nisi magna latroncinia?“ Übersetzt: Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande“.  Als die Gestapo am nächsten oder übernächsten Tag in St. Peter erschien und nach dem Erzbischof verlangte, sagte die Schwester: Der Herr Erzbischof ist heute verstorben. Er war tatsächlich gestorben, wahrscheinlich vor lauter Aufregung.

-          Die wohl tiefste Ursache für den Weg in die Unfreiheit bildet der gegenwärtige moralische Niedergang, dem der rapide Glaubensverfall zugrunde liegt.  Die Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie sich nicht selbst gibt. Wenn der Glaube nachlässt, führt dies in der Folge zum moralischen Niedergang und in der weiteren Folge, zum wirtschaftlichen Niedergang und dem Verlust von Demokratie und Freiheit. Die Wohlstandsgesellschaft, der sich ausbreitende Hedonismus führt zu geistiger Blindheit, mangelnder Opferbereitschaft und zum Verlust der Freiheit.

Die Aufgaben des Christen

Wenn man die gegenwärtigen Entwicklungen betrachtet, dann könnte man sagen. Was gibt es eigentlich zu feiern? Viele beklagen die Zustände, wollen aber nicht die tieferen geistigen und geistlichen Ursachen sehen. Das Aufzeigen von Mißständen führt noch nicht zur Überwindung. Aber: Gerade deshalb hat es einen tiefen Sinn, den Nationalfeiertag zu feierlich zu begehen, wenn wir uns wirklich auf das besinnen, was wir feiern, was wir (noch) alles haben und wenn wir bereit sind, das zu bewahren oder wieder anzustreben, was wir feiern, die Freiheit, die wahre Freiheit der Kinder Gottes. Dies können wir u. a. auf folgende Weise tun:

-          Zu allererst geht es um die Umkehr und die Erneuerung im Glauben

-          Wir sollen das Heimatbewusstsein und das Geschichtsbewusstsein pflegen

-          Die innere Freiheit wächst, wenn wir bereit sind, die Wahrheit um ihrer selbst willen zu suchen und dadurch resistenter werden gegen Propaganda, gegen die Political Correctness die bestimmt, was man heute sagen darf oder muss

-          Wir sollen eintreten für die Grundrechte wie Lebensrecht, freie Meinungsäußerung, Bewegungsfreiheit, Recht auf Arbeit etc.

-          Wir sollen bereit sein, uns selbst für den Aufbau der Gesellschaft einzubringen

-          Wir sollen den Willen zur Freiheit vor egoistische Interessen stellen, d. h. die Bereitschaft, für die Freiheit Nachteile in Kauf zu nehmen, für die Freiheit zu kämpfen und auch zu leiden

Wenn wir heute den Nationalfeiertag feiern, dann wollen wir es tun als Christen, die auf die Macht des Gebetes vertrauen, als Christen, die zur Freiheit der Kinder Gottes berufen sind. Wir denken dabei an die Worte des Apostels Paulus in der heutigen Lesung: „Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes.“ Wir warten darauf, dass wir als Söhne Gottes offenbar werden. Wir denken an die Worte Jesu, dass das Reich Gottes in der Welt wächst wie ein Senfkorn oder sich ausbreitet wie ein Sauerteig. Wenn wir uns an Gott orientieren und ihm treu bleiben, wenn wir zuerst sein Reich suchen, dann wird alles andere, auch die Freiheit dazugegeben. Beten wir in diesem Sinne für unser Vaterland Österreich! Amen.


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