Afghanistan: „Frauen werden wie Gegenstände behandelt“

2. Oktober 2021 in Weltkirche


Ordensfrau berichtet von ihrem Einsatz in Kabul


Wien-München (kath.net/KIN)

Schwester Shahnaz Bhatti gehörte zu den letzten katholischen Ordensfrauen, die Afghanistan nach dem Sieg der Taliban verlassen haben. Die pakistanische Ordensfrau von den „Barmherzigen Schwestern der heiligen Jeanne-Antide Thouret“ lebte und arbeitete zwei Jahre lang in der Hauptstadt Kabul. Nach offiziellen Angaben des Päpstlichen Jahrbuchs „Annuario Pontificio“ aus dem Jahr 2020 war sie eine von sechs Ordensschwestern im Land. Die Zahl der Katholiken wurde damals mit 200 angegeben. Heute dürfte davon nur eine Handvoll übriggeblieben sein, und auch das ist ungewiss.

Sonntagsmesse unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefeiert

Doch auch schon die Zeit vor den Taliban-Eroberungen sei äußerst schwierig gewesen, berichtet Schwester Shahnaz im Gespräch mit dem weltweiten päpstlichen Hilfswerk „Kirche in Not“: „Wir konnten die Sonntagsmesse nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der italienischen Botschaft in Kabul feiern. Die größte Schwierigkeit war, dass wir uns nicht frei bewegen konnten.

Wir Frauen mussten immer von einem Mann begleitet werden. Frauen werden wie Gegenstände behandelt.“ Religionsfreiheit in Afghanistan sei auch schon vor Abzug der westlichen Truppen nicht respektiert worden, erklärt die Ordensfrau. Als Christen seien sie ständig von den Behörden kontrolliert worden. „Wir Ordensschwestern mussten uns wie die einheimischen Frauen kleiden. Ein Kreuz durften wir nicht tragen.“

Dennoch sieht Schwester Shahnaz ihren Einsatz in Kabul als Erfolg. Sie und weitere ausländische Ordensfrauen betrieben eine Schule für geistig zurückgebliebene Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren. Auch viele Kinder mit Downsyndrom seien darunter gewesen. Die Zusammenarbeit lief über Religionsgrenzen hinweg: „Einheimische Lehrer Wachpersonal und Köche arbeiteten mit uns zusammen.“ Es ist ein Trost für Schwester Shahnaz, dass ihre engsten Mitarbeiter mithilfe des italienischen Militärs ebenfalls aus Afghanistan ausgeflogen werden konnten. Doch eine große Sorge bleibt: „Die Familien unserer Kinder, die uns weiter kontaktieren und um Hilfe bitten, blieben in ihren Häusern und sind in Gefahr.“

Flucht in letzter Sekunde

Schwester Shahnaz harrte bis zum 25. August allein in Kabul aus. Das Haus hatte sie zu diesem Zeitpunkt schon länger nicht mehr verlassen können. Schließlich sei es gelungen, zusammen mit anderen Ordensfrauen der Missionarinnen der Nächstenliebe und 14 schwerstbehinderten Kindern den letzten Flug nach Italien zu nehmen – nur einen Tag vor dem Anschlag im Umfeld des Flughafens mit mehr als hundert Toten und Verletzten. „Die Fahrt zum Flughafen war schwierig. Es gab Schießereien, wir mussten zwei Stunden anhalten und uns in Sicherheit bringen. Aber am Ende haben wir es geschafft.“

Trotz der traumatischen Erlebnisse und der gegenwärtigen Sicherheitslage zeigte sich Schwester Shahnaz „Kirche in Not“ gegenüber entschlossen: „Ich wäre die erste, die nach Afghanistan zurückkehren würde.“ Die westlichen Staaten sollten sich dafür einsetzen, dass Helfer wie die Ordensfrauen wieder ins Land dürfen. Hoffnung setzt sie auf Bildung und Kulturprojekte, diese könne die Mentalität vor allem der jungen Afghanen ändern. „Es gibt viele junge Frauen, die ihre Freiheitsrechte nicht aufgeben wollen. Aber es ist notwendig, die junge Generation auszubilden. Demokratie wird nicht exportiert, sie wird kultiviert.“

Weitere Informationen zur religiösen Lage vor der Einnahme Afghanistans durch die Taliban enthält der Bericht „Religionsfreiheit weltweit 2021“ von „Kirche in Not“: https://acninternational.org/religiousfreedomreport/de/reports/af/

Foto: Schwester Shahnaz Bhatti mit zwei ihrer Zöglinge in Kabul. © Kirche in Not


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