Die Sendung der Frauen in der Kirche

17. September 2021 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: „apostola apostolorum“. „So wie eine Frau dem ersten Menschen Worte des Todes verkündet hatte, so verkündete als erste eine Frau den Aposteln Worte des Lebens“. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Freitag der 24. Woche im „Jahreskreis“, Gedenktag der heiligen Hildegard von Bingen und des heiligen Robert Bellarmin. Frauen und DIE Frau – im Mittelpunkt: „Die Geschichte des Christentums hätte eine ganz andere Entwicklung genommen, hätte es nicht den hochherzigen Beitrag vieler Frauen gegeben“.

Am 14. Februar 2007 beendete Papst Benedikt XVI. nach den Betrachtungen zu den Aposteln den zweiten Zyklus des Pontifikats seiner Katechesen bei den Mittwochsaudienzen, die das Zeugnis herausragender Gestalten an den Anfängen der Kirche zum Thema hatten. An jenem Tag wandte der Papst seine Aufmerksamkeit den Frauen zu die zur Verbreitung der Frohen Botschaft beigetragen haben.

An erster Stelle schauen wir dabei auf die Jungfrau Maria, denn sie ist als Mutter des Herrn mehr als alle anderen Frauen gesegnet (vgl. Lk 1, 42). Von der Verkündigung bis zum Kreuz und auch danach im Kreis der ersten Christen hat sie am Erlösungswerk ihres Sohnes mitgewirkt. Unter den zahlreichen Frauen, die Jesus nachfolgten, ragt sodann Maria Magdalena hervor: sie ist als erste Zeugin der Auferstehung gleichsam zur „Apostolin der Apostel“ geworden. Schließlich erfahren wir in den Paulusbriefen von vielen Frauen, die in der frühen Kirche einen wichtigen Platz einnahmen. Als eifrige Mitarbeiterinnen in der Verkündigung des Evangeliums bezeugten sie mutig den Glauben und versammelten die Gläubigen in ihren Häusern.

Die Sendung der Frauen in der Kirche „gründet in der Taufe, die allen Christen die gemeinsame Würde der Gotteskindschaft schenkt, sie über alle Unterschiede hinweg in Christus vereint und gemäß der ihnen eigenen Berufung in den Dienst an Gott und den Menschen stellt“.

Frauen im Gefolge Jesu

„Und es geschah in der folgenden Zeit: Er wanderte von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und verkündete das Evangelium vom Reich Gottes. Die Zwölf begleiteten ihn und auch einige Frauen, die von bösen Geistern und von Krankheiten geheilt worden waren: Maria, genannt Magdalena, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere. Sie unterstützten Jesus und die Jünger mit ihrem Vermögen“ (Lk 8,1-3).

Benedikt XVI., Generalaudienz am 14. Februar 2007:

Frauen im Dienst am Evangelium

Heute sind wir am Ende unserer Betrachtung jener Zeugen des entstehenden Christentums angelangt, die in den neutestamentlichen Schriften erwähnt werden. Und wir benützen die letzte Etappe dieser ersten Reihe, um unsere Aufmerksamkeit den vielen Frauengestalten zu widmen, die bei der Verbreitung des Evangeliums eine wirksame und wertvolle Rolle gespielt haben. Ihr Zeugnis darf nicht vergessen werden, entsprechend dem, was Jesus selbst von der Frau gesagt hat, die ihm kurz vor seinem Leiden das Haupt salbte: »Amen, ich sage euch: Überall auf der Welt, wo dieses Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat« (Mt 26,13; Mk 14,9). Der Herr will, daß diese Zeugen des Evangeliums, diese Gestalten, die dazu beigetragen haben, daß der Glaube an ihn wachse, bekannt seien und die Erinnerung an sie in der Kirche lebendig bleibe. Historisch können wir bei der Betrachtung der Rolle der Frauen im Urchristentum zwei Phasen unterscheiden: die Zeit des irdischen Lebens Jesu und die Zeit während der Geschehnisse in der ersten Christengeneration.

Jesus wählte zwar, das wissen wir, unter seinen Jüngern zwölf Männer als Väter des neuen Israel aus, weil er sie »bei sich haben und [sie] dann aussenden wollte, damit sie predigten« (Mk 3,14–15). Das ist eine offenkundige Tatsache, aber außer den Zwölf, Säulen der Kirche, Väter des neuen Gottesvolkes, werden in die Schar der Jünger auch viele Frauen gewählt. Ich kann nur ganz kurz auf jene Frauen hinweisen, die auf dem Weg Jesu selbst anzutreffen sind, angefangen bei der Prophetin Anna (vgl. Lk 2,36–38) bis hin zur Samariterin (vgl. Joh 4,1–39), zu der Syro-Phönizierin (vgl. Mk 7,24–30), zu der Frau, die an Blutfluß litt (vgl. Mt 9,20–22), und zu der Sünderin, der vergeben wird (vgl. Lk 7,36–50). Ich gehe auch nicht näher auf die weiblichen Hauptfiguren einiger eindrucksvoller Gleichnisse ein, zum Beispiel auf die Frau, die Brot bäckt (vgl. Mt 13,33), auf die Frau, die die Drachme verliert (vgl. Lk 15,8–10), auf die Witwe, die den Richter immer wieder aufsuchte (vgl. Lk 18,1–8).

Bedeutsamer für unser Thema sind jene Frauen, die im Rahmen der Sendung Jesu eine aktive Rolle gespielt haben. An erster Stelle denken wir dabei natürlich an die Jungfrau Maria, die durch ihren Glauben und durch ihr Muttersein in einzigartiger Weise an unserer Erlösung mitgewirkt hat, so daß Elisabet sie sogar »Gesegnete unter den Frauen« (Lk 1,42) nennen konnte und hinzufügte: »Selig ist die, die geglaubt hat« (Lk 1,45). Maria ist zur Jüngerin des Sohnes geworden, sie zeigte in Kana ihr vollkommenes Vertrauen in ihn (vgl. Joh 2,5) und folgte ihm bis unter das Kreuz, wo sie von ihm einen Auftrag erhielt, nämlich Mutter zu sein für alle seine Jünger aller Zeiten, dort verkörpert von Johannes (vgl. Joh 19,25–27).

Dann gibt es verschiedene Frauen, die in unmittelbarer Umgebung der Gestalt Jesu verschiedene verantwortungsvolle Funktionen wahrnahmen. Ein beredtes Beispiel dafür sind die Frauen, die Jesus folgten, um ihn mit ihrem Besitz zu unterstützen, und von denen uns Lukas einige Namen überliefert: Maria Magdalene, Johanna, Susanna und »viele andere« (vgl. Lk 8,2–3). Dann informieren uns die Evangelien darüber, daß die Frauen, im Unterschied zu den Zwölf, Jesus in der Stunde seines Leidens nicht verlassen haben (vgl. Mt 27,56.61; Mk 15,40). Unter ihnen sticht besonders Magdalene hervor, die nicht nur bei seinem Leiden und Sterben zugegen war, sondern dann auch die erste Zeugin und Verkünderin des Auferstandenen war (vgl. Joh 20,1.11–18). Gerade dieser Maria von Magdala behält der hl. Thomas von Aquin die einzigartige Bezeichnung »Apostolin der Apostel« (»apostola apostolorum«) vor und widmet ihr diesen schönen Kommentar: »So wie eine Frau dem ersten Menschen Worte des Todes verkündet hatte, so verkündete als erste eine Frau den Aposteln Worte des Lebens« (Super Ioannem, ed. Cai, § 2519).

Auch im Bereich der Urkirche war die Präsenz der Frauen alles andere als zweitrangig. Wir halten uns nicht bei den nicht namentlich genannten vier Töchtern des »Diakons« Philippus auf, die in Cäsarea wohnten und die, wie der hl. Lukas sagt, alle »prophetisch begabt« waren, das heißt, die Fähigkeit besaßen, öffentlich unter der Einwirkung des Heiligen Geistes zu reden (vgl. Apg 21,9). Die Kürze der Angabe erlaubt keine genaueren Schlußfolgerungen. Vielmehr verdanken wir dem hl. Paulus eine umfassendere Dokumentation über die Würde und die Rolle der Frau in der Kirche. Er geht von dem grundsätzlichen Prinzip aus, nach welchem es für die Getauften nicht nur »nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie« gibt, sondern auch »nicht Mann und Frau«. Der Grund dafür ist, daß »wir alle ›einer‹ sind in Christus Jesus« (Gal 3,28), das heißt, wir sind alle eins in derselben grundlegenden Würde, wenngleich jeder mit seinen spezifischen Aufgaben (vgl. 1 Kor 12,27–30).

Der Apostel nimmt es als etwas Normales an, daß in der christlichen Gemeinde die Frau »prophetisch reden« kann (1 Kor 11.5), daß sie sich also offen unter dem Einfluß des Geistes ausdrücken kann, wenn dies zur Erbauung der Gemeinde dient und auf würdevolle Weise geschieht. Daher muß die folgende, wohl bekannte Ermahnung, wonach »die Frauen in der Versammlung schweigen sollen« (1 Kor 14,34), wohl relativiert werden.

Das daraus folgende, viel diskutierte Problem der Beziehung zwischen dem ersten Wort – die Frauen können in der Versammlung prophetisch reden – und dem anderen – sie sollen nicht reden –, das Problem der Beziehung zwischen diesen beiden anscheinend widersprüchlichen Aussagen, überlassen wir den Exegeten. Es soll nicht hier diskutiert werden. Am vergangenen Mittwoch sind wir schon der Gestalt der Priska oder Priszilla, der Frau des Aquila, begegnet, die an zwei Stellen überraschenderweise noch vor ihrem Mann erwähnt wird (vgl. Apg 18,18; Röm 16,3): beide, sie und er, werden jedenfalls von Paulus als seine »synergoús«, »Mitarbeiter«, bezeichnet (Röm 16,3).

Noch einige weitere Besonderheiten dürfen nicht vernachlässigt werden. Es ist zum Beispiel notwendig festzuhalten, daß der kurze Brief an Philemon von Paulus in Wirklichkeit auch an eine Frau namens »Aphia« adressiert wurde (vgl. Philemon 2). Lateinische und syrische Übersetzungen des griechischen Textes fügen diesem Namen »Aphia« den Beinamen »soror carissima«, liebste Schwester, hinzu (ebd.); und es muß gesagt werden, daß sie in der Gemeinde von Kolossä eine bedeutende Stellung eingenommen haben muß; auf jeden Fall ist sie die einzige Frau, die von Paulus unter den Adressaten eines seiner Briefe genannt wird. An anderer Stelle nennt der Apostel eine gewisse »Phöbe«, die er als »diákonos« der Kirche von Kenchreä, der kleinen Hafenstadt östlich von Korinth, bezeichnet (vgl. Röm 16,1–2). Obwohl dieser Titel in jener Zeit noch keinen spezifischen Wert eines hierarchischen Amtstitels hatte, bringt er zum Ausdruck, daß von dieser Frau eine wahrhaft verantwortungsvolle Aufgabe für jene christliche Gemeinde ausgeübt wurde. Paulus empfiehlt, sie herzlich aufzunehmen und ihr «in jeder Sache beizustehen, in der sie euch braucht»; dann fügt er hinzu: »sie selbst hat vielen, darunter auch mir, geholfen«.

In demselben Briefkontext erwähnt der Apostel mit Zügen von Zärtlichkeit weitere Namen von Frauen: eine gewisse Maria, dann Tryphäna, Tryphosa und »die liebe« Persis und außerdem Julia, von denen er offen schreibt, daß sie »für euch« oder »für den Herrn viel Mühe auf sich genommen haben« (Röm 16,6.12a.12b.15); auf diese Weise hebt er ihr starkes kirchliches Engagement hervor. In der Kirche von Philippi mußten sich dann zwei Frauen namens »Evodia und Syntyche « auszeichnen (Phil 4,2): Der Aufruf, den Paulus zur gegenseitigen Eintracht macht, läßt erkennen, daß die beiden Frauen eine bedeutende Funktion in jener Gemeinde ausübten.

Um das Wesentliche festzuhalten: Die Geschichte des Christentums hätte eine ganz andere Entwicklung genommen, hätte es nicht den hochherzigen Beitrag vieler Frauen gegeben. Deshalb »sagt die Kirche«, wie mein verehrter und lieber Vorgänger Johannes Paul II. in dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem schrieb, »Dank für alle Frauen und für jede einzelne… Die Kirche sagt Dank für alle Äußerungen des weiblichen ›Geistes‹, die sich im Laufe der Geschichte bei allen Völkern und Nationen gezeigt haben; sie sagt Dank für alle Gnadengaben, mit denen der Heilige Geist die Frauen in der Geschichte des Gottesvolkes beschenkt, für alle Siege, die sie dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe von Frauen verdankt: Sie sagt Dank für alle Früchte fraulicher Heiligkeit« (Nr. 31). Wie man sieht, gilt dieses Lob den Frauen im Verlauf der Geschichte der Kirche und wird im Namen der ganzen kirchlichen Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht. Auch wir schließen uns dieser Wertschätzung an und danken dem Herrn dafür, daß er seine Kirche durch die Generationen hindurch leitet, wobei er sich unterschiedslos solcher Männer und Frauen bedient, die ihren Glauben und ihre Taufe für das Wohl des gesamten Leibes der Kirche fruchtbar zu machen wissen, zur größeren Ehre Gottes.

 


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