Der Skandal der Menschwerdung Gottes

4. Juli 2021 in Aktuelles


Franziskus: ohne Offenheit für die Neuheit und die Überraschungen Gottes, ohne Staunen wird der Glaube zu einer müden Litanei, die langsam ausstirbt. Gott ist kein Gott mit Spezialeffekten. Reise in die Slowakei und nach Budapest. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie“: Angelus mit Papst Franziskus am vierzehnten Sonntag im Jahreskreis.

Das Evangelium dieses Sonntags (Mk 6,1-6) erzähle uns von dem Unglauben der Menschen in der Heimatstadt Jesu. Nachdem er in anderen Dörfern in Galiläa gepredigt habe, sei Jesus nach Nazareth zurückgekehrt, wo er mit Maria und Josef aufgewachsen sei, „und eines Sabbats begann er in der Synagoge zu lehren“. Viele, die ihn hörten, fragten: „Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist! Und was sind das für Machttaten, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns?“ (V. 1-3). Angesichts dieser Reaktion bekräftige Jesus eine Wahrheit, die auch Teil der Volksweisheit geworden sei: „Nirgends ist ein Prophet ohne Ansehen außer in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie“ (V. 4).

„Verweilen wir bei der Haltung von den Landsleuten Jesu“, so der Papst. Man könnte sagen, „dass sie Jesus kennen, ihn aber nicht erkennen“. In der Tat gebe es einen Unterschied zwischen Kennen und Erkennen. Wir könnten verschiedene Dinge über eine Person wissen, uns ein Bild machen, uns auf das verlassen, was andere über sie sagten, sie vielleicht sogar von Zeit zu Zeit in der Nachbarschaft treffen, aber all das reiche nicht aus. Es sei dies ein oberflächliches Wissen, das die Einzigartigkeit dieser Person nicht erkenne. Das ist ein Risiko, das wir alle eingingen. Wir glaubten, so viel über eine Person zu wissen, „dass wir sie etikettieren und sie in unseren Vorurteilen einsperren“. Auf die gleiche Weise kennten Jesu Landsleute ihn seit dreißig Jahren und meinten, alles zu wissen. In Wirklichkeit aber hätten sie nie erkannt, wer er wirklich sei: „sie bleiben bei der Äußerlichkeit stehen und lehnen die Neuheit Jesu ab“.

Wenn wir uns von der Bequemlichkeit der Gewohnheit und der „Diktatur der Vorurteile“ leiten ließen, sei es schwierig, offen für Neues zu sein und sich überraschen zu lassen. Wir suchten oft nur nach Bestätigung unserer Ideen und Schemata durch das Leben, durch Erfahrungen und sogar durch Menschen, um uns nie die Mühe machen zu müssen, etwas zu ändern. Es könne so auch mit Gott geschehen, gerade bei uns Gläubigen, bei uns, die wir meinten, Jesus zu kennen, „dass wir schon so viel über ihn wissen und dass es uns genügt, das Gleiche wie immer zu wiederholen“. Doch ohne Offenheit für die Neuheit und die Überraschungen Gottes, ohne Staunen, „wird der Glaube zu einer müden Litanei, die langsam verlischt  und zu einer sozialen Gewohnheit“.

Es stelle sich also die Frage: „warum erkennen die Landsleute Jesu ihn schließlich nicht und glauben nicht an ihn? Was ist der Grund dafür?“. Wir könnten mit wenigen Worten sagen, dass sie den „Skandal der Menschwerdung“ nicht akzeptierten. Es sei ein Skandal, dass sich die Unermesslichkeit Gottes in der Kleinheit unseres Fleisches offenbare, dass der Sohn Gottes der Sohn des Zimmermanns sei, dass die Göttlichkeit in der Menschlichkeit verborgen sei, dass Gott im Gesicht, in den Worten, in den Gesten eines einfachen Menschen wohne.

Hier liege der Skandal: die Menschwerdung Gottes, seine Konkretheit, seine „Alltäglichkeit“. In Wirklichkeit sei es bequemer, einen abstrakten und fernen Gott zu haben, der sich nicht in Situationen einmische und der einen Glauben akzeptiere, der vom Leben, von Problemen und von der Gesellschaft weit entfernt sei. Oder „wir glauben gerne an einen Gott ‚mit Spezialeffekten’, der nur außergewöhnliche Dinge tut und immer große Gefühle schenkt“. Stattdessen sei Gott Mensch geworden: demütig, zärtlich, verborgen, er komme uns nahe, indem er die Normalität unseres täglichen Lebens bewohne. Und so liefen wir, wie die Landsleute Jesu, Gefahr, „dass wir ihn, wenn er vorbeikommt, nicht erkennen, ja, dass wir uns über ihn empören“.

„Bitten wir nun im Gebet die Gottesmutter“, so Franziskus abschließend, „die das Geheimnis Gottes im Alltag von Nazareth aufgenommen hat, um vorurteilsfreie Augen und Herzen, die offen sind für das Staunen, für die Überraschungen Gottes, für seine demütige und verborgene Gegenwart im Leben aller Tage“.

Nach dem Angelus kündigte der Papst für den September seine Reise in die Slowakei und seine Anwesenheit bei der Schlussmesse des eucharistischen Kongresses in Budapest an: auf Einladung der Zivilbehörden und der Bischofskonferenzen wird Papst Franziskus am Sonntag, 12. September 2021, in Budapest sein, anlässlich der Abschlussmesse des 52. Internationalen Eucharistischen Kongresses. Anschließend, vom 12. bis 15. September 2021, wird er in die Slowakei reisen und die Städte Bratislava, Prešov, Košice und Šaštin besuchen. Das Programm der Reise wird zu gegebener Zeit veröffentlicht werden.

 


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