Neuer Blick auf Medjugorje hat viel mit Österreich zu tun

19. Juni 2021 in Weltkirche


Insider: Kardinal Schönborn brach mit Besuch und Stephansdom-Friedensgebeten kirchlichen "Bann" und entsperrte Tür, die dann Papst Franziskus weit aufstieß


Wien (kath.net/KAP) Zwischen Medjugorje und Österreich besteht seit fast 40 Jahren eine enge Verbindung, die sowohl das Ansehen des Marienwallfahrtsortes wie auch das religiöse Leben in der Alpenrepublik verändert hat: Das hat der Leiter der Gebetsgemeinschaft "Oase des Friedens" und Organisator des jährlichen Wiener Medjugorje-Friedensgebetes, Christian Stelzer, dargelegt. Kardinal Christoph Schönborn sei derjenige gewesen, der mit seiner Offenheit und seinem Besuch in Medjugorje "innerkirchlich die Türen entriegelte, die dann Papst Franziskus mit der Erlaubnis offizieller Pilgerreisen 2019 weit aufstieß", sagte der Allgemeinmediziner am Freitag im Interview mit Kathpress. Umgekehrt stehe Medjugorje hinter vielen geistlichen Berufungen, spirituellen Aufbrüchen und auch sozialen Initiativen in Österreich.

Vor allem wegen der geografischen Nähe seien Österreicher unter den ersten gewesen, die die Nachricht von am 25. Juni 1981 gestarteten angeblichen Marienerscheinungen in das in südlich von Mostar zwischen Bergen gelegene Dorf trieb, was schon relativ bald in vollen Pilgerbussen geschah. Zuhause angekommen, schlossen sich viele von ihnen nach dem Vorbild der Pfarrangehörigen aus Medjugorje zu wöchentlichen Gebetsgruppen zusammen, deren Zahl laut Stelzer bis Kriegsbeginn 1991 mehrere Hundert betrug. Der Ablauf dieser Treffen sei einfach: Betrachtendes Rosenkranzgebet, heilige Messe mit einem Gastpriester und eucharistische Anbetung, begleitet von einer Musikgruppe. In allen Bundesländern würden solche Gruppen nach Angaben des Wiener Arztes bis heute bestehen und hätten auch das Ausweichen auf Videokonferenzen zu den Spitzenzeiten der Corona-Pandemie überlebt. Dabei waren in all den Jahren die "Seher" wie auch die Franziskanerpatres aus Medjugorje häufig gesehene Gäste dieser Versammlungen.

Berufungen und Hilfstransporte

Was im Umfeld dieser Pilgerfahrten und Gebetstreffen bisher geschah, lässt sich Stelzer zufolge nur schwer in Zahlen fassen. Für die "Umkehr" im Leben, eine der Hauptbotschaften der von der Kirche bisher nicht anerkannten Marienerscheinungen, sei für Abertausende ein Beichtgespräch in Medjugorje der Ausgangspunkt gewesen. Ähnlich wie in Lourdes, gebe es auch in Medjugorje eine "absolute Häufung von medizinisch nicht erklärbaren Spontanheilungen", so der Mediziner, vor allem aber Berufungen zum Priester- oder Ordensleben, von denen erstere von den in Medjugorje tonangebenden Franziskanern mit weltweit rund 700 beziffert werden. Auch von den österreichischen Neupriester geben jedes Jahr mehrere an, sie hätten den entscheidenden "Ruf" auf der Wallfahrt vernommen. Mit der Gemeinschaft "Maria, Königin des Friedens" im steirischen Gnas beruft sich ein Orden auf Medjugorje, doch auch die katholische Loretto-Jugendbewegung ist ohne dem Marienort nicht vorstellbar.

Der Bosnienkrieg ab 1991 sei dann auch für die heimische Medjugorje-Bewegung ein tiefer Einschnitt gewesen, blickte der Medjugorje-Kenner zurück: Wallfahrten blieben für längere Zeit undenkbar, zugleich ließ jedoch die auf religiösem Weg entstandene enge Verbindung unzählige Hilfsbrücken entstehen. "Medjugorje-Pilger waren die ersten, die mit Hilfstransporten kamen, und hörten auch nach Kriegsende nicht damit auf", berichtete Stelzer. In mehreren Fällen seien aus der anfänglichen Unterstützung der Hilfsprogramme der Franziskaner vor Ort mehrere große Hilfsprojekte entstanden, darunter die internationale Schulernährungsinitiative "Mary's Meals", die inzwischen auch in Österreich Fuß gefasst hat. Auch die in italien gegründete Drogenentzugs-Gemeinschaft Cenacolo, die durch ihr in den späten 1980ern errichtetes Zentrum in Medjugorje weltweite Dimension bekam, hat seit 1997 einen heimischen Ableger im burgenländischen Kleinfrauenhaid.
Kardinäle gaben Rückenwind

Für die kirchliche Positionierung zu Medjugorje sei Österreichs Kirche nicht unbedeutend gewesen, erklärte Stelzer, allen voran die Unterstützung durch Kardinal Christoph Schönborn. Diese habe eine längere Vorgeschichte. Vor Schönborn sei schon Kardinal Franz König gut mit den Erscheinungs-Berichten und ihrem Umfeld vertraut gewesen, da der 2004 verstorbene Erzbischof stets im Seminar Sachsenbrunn zu urlauben pflegte, wo es schon früh ein Medjugorje-Zentrum in Österreich gab. König wie auch sein Nachfolger Hans-Herrmann Groer hätten die Gebetsgruppen aktiv unterstützt, auch jene, die Mitte der 80er-Jahre in der Wiener Dominikanerkirche florierte. Dort sei dann Schönborn, der gerade als junger Theologieprofessor aus Fribourg nach Wien kam, dazugestoßen. "Und zu Jahreswechsel 2009/10 kam er dann, mittlerweile längst Kardinal, selbst nach Medjugorje", berichtete Stelzer, der den Besuch damals begleitete.
Schönborn habe mit dieser Medjugorje-Reise und der Öffnung des Stephansdoms für die jährlichen Medjugorje-Friedensgebete im Jahr 2008 "einen Bann gebrochen", sagte der Organisator der landesweit größten Gebetsveranstaltung. "Bis dahin traute sich fast 30 Jahre lang kein Bischof und erst recht kein Kardinal, offiziell nach Medjugorje zu fahren, da dies nach der in Zadar verfassen kritischen Erklärung der Jugoslawischen Bischofskonferenz zu Medjugorje im Frühjahr 1991 - es hieß daran, eine Übernatürlichkeit stehe nicht fest - als innerkirchliches Tabu galt. Mit dem Friedensgebet wurde Wien dann jahrelang zum einzigen Ort weltweit, an dem Seher in der Öffentlichkeit Erscheinungen haben durften." Für diesen Rückhalt der Bischöfe sei die Medjugorje-Bewegung in Österreich weltweit beneidet worden. Schönborn liefert bis heute mit seiner Grußbotschaft einen Fixpunkt beim jährlichen internationalen Jugendfestival in Medjugorje.

Klimawandel in der Kirche

Mittlerweile hat sich die innerkirchliche Wetterlage zu Medjugorje merkbar entspannt, nachdem eine von Papst Benedikt XVI. eingesetzte Kommission das Phänomen mehrere Jahre lang untersuchte und Papst Franziskus sich nach Vorliegen des - noch nicht veröffentlichten - Ergebnisses mehrmals wohlwollend darüber äußerte, ohne damit allerdings über die Echtheit der Erscheinungen zu urteilen. Die ewigen Streitigkeiten mit dem stets in scharfer Opposition zu Medjugorje stehenden Ortsbischof von Mostar sind Geschichte, seit der polnische Erzbischof Henryk Hoser für Medjugorje zunächst Visitator und dann Papst-Gesandter mit Entscheidungsvollmacht wurde, und erst recht seit der Genehmigung von offiziellen Pilgerfahrten und Bischofsbesuchen im Jahr 2019 durch den Papst selbst. Welchen Beitrag dazu die positive Haltung aus Österreich - und konkret von Kardinal Schönborn als Mitglied der Glaubenskongregation - geleistet habe, könne man als Außenstehender nur mutmaßen, so Stelzer.

Inzwischen dreht sich das Rad der Zeit weiter - und nach der einjährigen Corona-Pause allmählich auch das der Pilgerbusse in Richtung des zwischen Bergen liegenden Dorfes in der Herzegowina, an dem die Mutter Jesu weiterhin täglich erscheinen soll. Zählt man die Pilger der in den österreichischen Bundesländern organisierten Reisegruppen zusammen, dürften es jedes Jahr an die 5.000 sein, die hier ein mehrtägiges spirituelles Erlebnis suchen, während andere ihren Aufenthalt privat organisieren. Eine Premiere steht noch aus: Mit Ägidius Zsifkovics, Angehöriger der mit Medjugorje schon immer eng verbundenen Gruppe der Burgenlandkroaten, hatte gleich unmittelbar nach der vatikanischen Erlaubnis erstmals ein österreichischer Bischof zu einer Diözesanwallfahrt nach Medjugorje eingeladen. Die im Rahmen des Eisenstädter Diözesanjubiläum angesetzte Reise musste vorerst ausfallen, da der Termin kurz nach Ostern 2020 angesetzt war, als die Covid-19-Pandemie gerade ausgebrochen war.
Weitere Beiträge zum Medjugorje-Jubiläum unter www.kathpress.at/medjugorje

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