Papst: Pandemie zwingt zur Entscheidung zum Guten oder zum Bösen

18. Juni 2021 in Aktuelles


Franziskus: Sehen – Urteilen – Handeln, der Weg zum ‚Rebuild the World Back Better’. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) In der slowakischen Hauptstadt Bratislava fand dieser Tage das GLOBSEC-Sicherheitsforum unter dem Motto „Rebuild the World Back Better“ statt. Zu diesem Anlass sandte Papst Franziskus eine Videobotschaft, in der er erneut Notwendigkeiten für einen Wiederaufbau der Welt nach der COVID-19-Pandemie abzeichnete. Er tat dies in einem Dreischritt und orientierte sich an drei Elementen: Sehen – Urteilen - Handeln.

„Ich sehe eine Welt, die von einem illusorischen Gefühl der Sicherheit getäuscht wurde, das auf dem Hunger nach Profit basiert.“

Videobotschaft von Papst Franziskus anlässlich der 16. Ausgabe des GLOBSEC-Forums in Bratislava, das dem Thema „Rebuild the World Back Better“ gewidmet ist (15. Juni 2021):

Herr Präsident,

vielen Dank für die freundliche Einladung, durch diese Videobotschaft an der 16. Ausgabe des GLOBSEC Bratislava Forums teilzunehmen, das dem Thema: „Rebuild the World Back Better" gewidmet ist.

Ich grüße Sie, alle Organisatoren und Teilnehmer dieser Konferenz. Ich möchte meine Dankbarkeit für die Plattform zum Ausdruck bringen, die das Bratislava-Forum für die wichtige Debatte über den Wiederaufbau unserer Welt nach den Erfahrungen der Pandemie bietet, die uns zwingt, uns mit einer Reihe von ernsten und alle miteinander verbundenen sozioökonomischen, ökologischen und politischen Fragen auseinanderzusetzen.

Diesbezüglich möchte ich Ihnen einige Ideen anbieten, die sich an der trinomischen Methode Sehen – Urteilen – Handeln orientieren.

Sehen

Eine ernsthafte und ehrliche Analyse der Vergangenheit, die das Erkennen von Systemversagen, begangenen Fehlern und mangelnder Verantwortung gegenüber dem Schöpfer, unseren Nachbarn und der Schöpfung einschließt, scheint mir unerlässlich, um eine Idee der Wiederherstellung zu entwickeln, die nicht nur darauf abzielt, das Vorhandene wieder aufzubauen, sondern das zu korrigieren, was schon vor dem Auftreten des Coronavirus nicht funktionierte und zur Verschärfung der Krise beitrug. Wer sich von einem Sturz erheben will, muss sich den Umständen des eigenen Zusammenbruchs stellen und die Elemente der Verantwortung anerkennen.

Ich sehe also eine Welt, die von einem illusorischen Gefühl der Sicherheit getäuscht wurde, das auf dem Hunger nach Profit basiert.

Ich sehe ein Modell des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, das von so vielen Ungleichheiten und Egoismus geprägt ist, in dem eine kleine Minderheit der Weltbevölkerung die Mehrheit der Güter besitzt und oft nicht zögert, Menschen und Ressourcen auszubeuten.

Ich sehe einen Lebensstil, der sich nicht ausreichend um die Umwelt kümmert. Wir haben uns daran gewöhnt, hemmungslos zu konsumieren und zu zerstören, was allen gehört und mit Respekt behandelt werden sollte, und wir haben so eine „ökologische Schuld“ geschaffen, dies vor allem zu Lasten der Armen und der zukünftigen Generationen.

Urteilen

Der zweite Schritt ist die Auswertung dessen, was wir gesehen haben. Bei der Begrüßung meiner Mitarbeiter an der römischen Kurie an Weihnachten habe ich eine kurze Überlegung über die Bedeutung der Krise angestellt. Die Krise eröffnet neue Möglichkeiten: es ist in der Tat eine offene Herausforderung, die aktuelle Situation anzugehen und die Zeit der Prüfung in eine Zeit der Wahl zu verwandeln. Eine Krise zwingt uns nämlich dazu, uns zu entscheiden, zum Guten oder zum Bösen. Aus einer Krise kommt man, wie schon gesagt, nicht gleich heraus: entweder man kommt besser oder man kommt schlechter heraus. Aber nie als Gleiche.

Die Beurteilung dessen, was wir gesehen und erlebt haben, ermutigt uns zur Verbesserung. Lassen Sie uns diese Zeit nutzen, um Schritte nach vorne zu machen. Die Krise, die alle getroffen hat, erinnert uns daran, dass sich niemand selbst retten kann. Die Krise öffnet den Weg in eine Zukunft, die die wahre Gleichheit aller Menschen anerkennt: keine abstrakte Gleichheit, sondern eine konkrete, die den Menschen und Völkern echte und faire Entwicklungschancen bietet.

Handeln

Wer nicht handelt, verschenkt die Chancen, die die Krise bietet. Das Handeln angesichts sozialer Ungerechtigkeit und Marginalisierung erfordert ein Entwicklungsmodell, das „jeden Menschen und den ganzen Menschen“ in den Mittelpunkt stellt, „als fundamentalen Pfeiler, der respektiert und geschützt werden muss, wobei eine Methodik angewandt wird, die die Ethik der Solidarität und der ‚politischen Nächstenliebe’ einschließt“ (Botschaft an die Direktorin der UNESCO, Frau Audrey Azoulay, 24. März 2021).

Jedes Handeln braucht eine Vision, eine Vision, die umfassend und hoffnungsvoll ist: eine Vision wie die des biblischen Propheten Jesaja, der sah, wie Schwerter zu Pflugscharen und Lanzen zu Winzermessern umgeschmiedet wurden (vgl. Jes 2,4). Für die Entwicklung aller zu handeln, bedeutet, ein Werk der Umkehr zu vollbringen. Es bedeutet vor allem, Entscheidungen zu treffen, die den Tod in Leben, die Waffen in Nahrung verwandeln.

Aber wir alle müssen auch eine ökologische Umkehr vornehmen. In der Tat schließt die Gesamtvision die Perspektive der Schöpfung als „gemeinsames Haus“ ein und ruft dringend zum Handeln auf, um sie zu schützen.

Liebe Freunde, beseelt von der Hoffnung, die von Gott kommt, hoffe ich, dass Ihr Austausch in diesen Tagen zu einem Modell des Aufschwungs beiträgt, das in der Lage ist, inklusivere und nachhaltigere Lösungen hervorzubringen; ein Modell der Entwicklung, das auf dem friedlichen Zusammenleben der Völker und der Harmonie mit der Schöpfung beruht. Gute Arbeit, und vielen Dank!

 

 

 


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