Suizidbeihilfe: Klare Mehrheit erwartet Gesetzesmissbrauch

23. Juni 2021 in Prolife


Aktuelle Studie über Einstellung der Österreicher zur Sterbehilfe belegt Skepsis, ob Vorgabe des Verfassungsgerichtshofes, nach Freigabe des assistierten Selbstmordes Missbrauch zu verhindern, erfolgreich umgesetzt werden kann


Wien (kath.net/KAP) Laut einer aktuellen Studie über die Einstellung der Österreicher zu verschiedenen Arten der Sterbehilfe ist eine deutliche Mehrheit äußerst skeptisch gegenüber der Beihilfe zum Suizid: Knapp drei Viertel von 2.000 repräsentativ ausgewählten Befragten antworteten demnach mit "Ja" auf die Frage: "Denken Sie, dass trotz gesetzlichen Regelungen zum Suizid Missbrauch geschehen wird?" 27 Prozent der Österreicher über 15 Jahre erwarten dies laut der am Dienstag in Wien vom "Focus"-Institut vorgestellten Studie nicht.

Das Thema ist politisch hochbrisant: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte im Dezember 2020 die Regelung gekippt, wonach Beihilfe zum Suizid strafbar ist, und die Legislative mit der Neuformulierung des entsprechenden Gesetzes bis spätestens Jahresende 2021 beauftragt. Der Straftatbestand der "Hilfeleistung zum Selbstmord" verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung, argumentierten die Richter damals. Es sei verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten. Tötung auf Verlangen bleibt dagegen weiterhin strafbar. Dem Gesetzgeber wurde empfohlen, Maßnahmen zu treffen, um Missbrauch zu verhindern.

Dass dies gelingen kann, bezweifelt eine klare Mehrheit der Österreicher offenbar - am meisten die Unter-30-Jährigen mit 82 Prozent und auch die Über-50-Jährigen sind zu 70 Prozent misstrauisch. Weniger Unterschiede gibt es zwischen den Gruppen "Angehörige einer Religionsgemeinschaft" - von denen 75 Prozent mit Missbrauch rechnen - und Nichtreligiöse (68 Prozent). Auch bei der Parteipräferenz lassen sich kaum Differenzen ausmachen, nur NEOS-Anhänger bilden hier mit 64 Prozent eine Ausnahme.

Sollte aktive Sterbehilfe bzw. Beihilfe zum Suizid gesetzlich erlaubt sein? Auf diese Frage antworteten mehr 69 bzw. 65 Prozent mit Nein, jeweils rund ein Drittel befürwortet beides. Auch hier am "liberalsten" bezüglich aktiver Sterbehilfe: die NEOS mit 38 Prozent Zustimmung, gefolgt von FPÖ; am meisten ablehnend ÖVP- und SPÖ-Anhänger.

Bei der Information über den Sachverhalt ist der Plafond in Österreich offenbar noch nicht erreicht: 11 Prozent der Befragten fühlen sich "sehr gut", weitere 23 Prozent "gut" über Sterbehilfe informiert - deutlich weniger als dies beim Thema Corona-Schutzimpfung der Fall ist, wie "Focus"-Geschäftsführer Josef Leitner darlegte. Wichtigste Informationsquelle sind mit Abstand die klassischen Medien Zeitungen und TV.

Keine nur individuelle Entscheidung

 Prof. Theo Boer, Medizinethiker an der Protestantischen Universität in Groningen (NL), teilte beim Pressegespräch mit, in den Niederlanden - seit 2001 das weltweit erste Land, das die aktive Sterbehilfe zulässt - seien die auf diese Weise Gestorbene seit dem "Euthanasiegesetz" markant von 2.000 auf zuletzt 7.000 Fälle angestiegen. Der Experte hielt fest, aktive Sterbehilfe sei keine nur individuelle Entscheidung, sondern beeinflusse das gesellschaftliche Klima und die Kultur im Umgang mit den Themen Sterben und Tod. Zum ursprünglichen Anliegen, ein "schreckliches Sterben" zu verhindern, sei nunmehr als "zweites Narrativ" hinzugekommen, ein "schreckliches Leben" beenden zu können, so Boer.

Missbrauch der Legalisierung sieht der Medizinethiker in seinem Heimatland als "Ausnahme", in seinem neuen Buch "Leben mit Euthanasie" seien unter den 43 geschilderten Fällen jedoch auch solche, wo die Angehörigen Druck in Richtung Suizid ausüben. Und einige der Hinterbliebenen würden ihren Verstorbenen gleichsam nachrufen: "Warum hast du das gemacht?!"

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