"Strukturreform" ODER: Wie die Diözese Linz Pfarrer absetzen und entmachten möchte

14. Juni 2021 in Kommentar


Worte wie "Mission", "Neuevangelisierung", entschiedene Christusnachfolge sind in den oberen Etagen der Diözese Linz nicht gern gehörte Worte – Ein Gastkommentar zur geplanten Strukturreform von Peter Keller


Linz (kath.net)

Am  4. Mai 2021, am Fest des Diözesanpatrons, des hl. Florian, unterschrieb der Linzer Bischof Dr. Manfred Scheuer die in kirchliche Gesetzesform gegossene Strukturreform, die bis etwa 2025 umgesetzt werden soll. Mit 1. September dieses Jahres wird der Bischof etliche neue "Pionierpfarren" ernennen, die dann 1 Jahr Zeit für die Umsetzung der Reform  haben und dann mit 1.9.2022 offiziell als Pfarren eingerichtet sind.  Ungefähr ein Dekanat wird diese neue Pfarre umfassen. Insgesamt sollen aus rund 487 Pfarren dann 40 neue Pfarren errichtet werden. 

Für jede Pfarre wird ein Pfarrer ernannt, mit der Gesamtleitung wie es heißt, und ihm zur Seite werden ein von der Diözese eingesetzter "Verwaltungsvorstand" und ebenso ein "Pastoralvorstand", beigestellt. Der letztgenannte Posten soll von sogenannten "PfarrassistenInnen oder PastoralassistentInnen" besetzt werden. Diese 3 Personen nehmen zusammen die Leitung der Pfarre wahr, wobei dem Pfarrer die Gesamtverantwortung bleibt, die beiden anderen Personen aber eigenständige Positionen bilden. Die bisherigen Pfarren werden per bischöflichem Dekret als Pfarre abgeschafft und bekommen den Namen "Pfarrteilgemeinde". Die bisherigen Pfarrer werden mit der Abschaffung der Pfarren automatisch ihres Pfarreramtes enthoben. Sie werden in den kommenden Teilgemeinden  "Pfarrvikar" genannt, was ungefähr einem früheren Kaplan entspricht.  Jede Teilgemeinde soll nach Möglichkeit eine hauptamtlich angestellte Person erhalten, sei es ein Priester oder ein Laientheologe.

Auf der Führungsebene der Pfarre wird ein sog. "Pastoralrat", bestehend aus 2 Vertretern der Teilgemeinden gebildet, der dem Leitungsteam unterstützend zur Seite gestellt wird.  In dem jetzt auch im offiziellen Diözesanblatt veröffentlichten Gesetzestext, der von Linzer Kirchenrechtlern (z.B. Generalvikar DDr. Lederhilger) erstellt wurde, und nach Auskunft der Diözesanleitung auch von anderen Kirchenrechtlern geprüft wurde, wurde auch die Instruktion der römischen Kleruskongregation vom Juli 2020 eingearbeitet, die zum Erstentwurf einige kritische Punkte aufgezeigt hatte. 

Sieht man den Gesetzestext durch, dann sind gegenüber der Erstfassung "Handbuch zum Strukturmodell" Änderungen eingeflossen. Besonders die Stellung des Pfarrers wurde deutlich verbessert. Bei näherer Betrachtung bleiben allerdings trotzdem einige Fragen oder kritische Punkte übrig. Hat das 2. Vatikanische Konzil sehr deutlich die Einheit von Heiligungsamt (Sakramente), Verkündigung (Lehramt) und Hirtenamt (Leitung) betont, insbesondere dass das Leitungsamt immer dem Pfarrer obliegt, so scheint dies im Linzer Entwurf undeutlich. Es ist längst Usus, dass die Pfarrer die Zusammenarbeit mit Laien suchen. Da bleibt einmal die Unklarheit,  ob sich der neue Pfarrer in die anderen Vorstandsbereiche noch einmischen darf, oder was passiert, wenn es zu einer 2:1 Abstimmung gegen den Pfarrer kommt. Man betont zwar, dass der Pfarrer nicht auf Ausdrücke wie "letztes Wort" oder Ähnlichem bestehen sollte, sondern wie Jesus bei der Fußwaschung Diener sein soll, also nicht von "Macht" die Rede sein soll. Aber z.B. beim Bischof wurde doch immer wieder sehr deutlich davon gesprochen, dass er "das letzte Wort" habe. Klar, ihm obliegt das Lehramt und die unumschränkten Entscheidungsbefugnisse. Dass man das Wort "Vollmacht", was mit geistlicher Sendung durch Christus zu tun hat, wenig betont, sondern immer gleich von "Macht" beim Pfarrer spricht, verwundert. Zugleich hat der Pfarrer bei einem einstimmigen Votum des Pastoralrates nur mehr bei schwerwiegenden Fällen ein "Vetorecht", sodass die Entscheidung dann von der Diözese getroffen wird.  Kann man da wirklich noch von "Gesamtleitung" des Pfarrers reden bzw. wird hier  die Stellung des Pfarrers wie im  Rechtskodex der Kirche vorgesehen, nicht mehr eingehalten, also kirchenrechtswidrig?

Weitere Fragen, die gestellt werden, sind, trotz des Verbots der Kleruskongregation, dass automatisch alle bisherigen Pfarrer durch die Aufhebung der Pfarren einfach abgesetzt werden. Obwohl bei Diözesanpfarrern laut Kirchenrecht ein kanonischer Prozess gegen einen Pfarrer eingeleitet werden muss, sollte er vom Bischof des Amtes enthoben werden.  Manche Pfarrgemeinden oder Pfarrer werden vermutlich nicht so einfach zustimmen. Grundsätzlich heißt es, dass der Pfarrer für alle hauptamtlich angestellten Personen in der neuen Pfarre der Dienstvorgesetzte ist oder die Gesamtleitung hat, aber weiter unten ist er nur noch Dienstvorgesetzter der Priester und Diakone. Wer ist dann Dienstvorgesetzter der angestellten Laientheologen? Was bleibt aber von der Gesamtleitung, wenn der Pfarrer für einen Teil des angestellten Personals nicht mehr zuständig ist?

Was bei sehr vielen auf Skepsis stößt, ist die Tatsache, dass in jeder Teilgemeinde ein ehrenamtliches Team als Leitung gesucht werden muss. Der angestellte Hauptamtliche muss andere Personen finden, die ehrenamtlich und trotzdem verantwortlich einen Teil des Arbeitsgebietes der Teilgemeinde abdecken sollen. Wer wird das wohl tun? Darf der Hauptamtliche dann noch in andere Teilgebiete dreinreden oder ist er nur noch für die Sakramentenspendung zuständig? Offen ist auch noch, was Rom zur generellen Tauferlaubnis für Laientheologen sagt, die Bischof Scheuer im Herbst 2019 erteilt hat. Dass es eine römische Antwort gibt, dürfte klar sein, aber sie wird nicht bekannt gegeben.

Eigenartig bleibt auch, obwohl der Priestermangel als einer der Gründe für die Strukturreform gilt, weder im Handbuch noch in den Gesetzestexten Deutliches zur Förderung des neuen Priesternachwuchses zu finden ist. Oder bleibt es denkbar, dass man auch mit viel weniger Priestern oder nur linientreuen Priestern auskommen könnte?

Letztlich bleibt die Frage, obwohl eine gewisse Strukturreform notwendig ist, ob diese radikalen Maßnahmen wirklich notwendig sind. Könnte man nicht auch ein organisches Zusammenwachsen von Seelsorgeräumen abwarten oder fördern? Aus deutschen Diözesen, die schon lange eine ähnliche Strukturreform hinter sich haben, ist schon hinreichend bekannt, dass es durch diese radikalen Schritte zu einem noch größeren Verfall der bisherigen Teilgemeinden gekommen ist. Auch wenn der Bischof betont, dass aus der Strukturreform nicht automatisch ein geistliches Wachstum zu erwarten ist, bleibt die Skepsis, warum man nicht aus den negativen deutschen Erfahrungen lernt, wo es Beispiele einer 2. oder gar 3. Strukturreform gibt. 

Die alles entscheidende Frage bleibt offen: Woher sollen künftig neue Christen kommen? Wenn, wie der Bischof sagt, es auch bei den Laientheologen und Religionslehrern bereits Rückgänge oder mangelnde Neuanfänger gibt, so muss doch das Missionarische klar im Vordergrund stehen. Nur wenn wieder das Glaubensleben in Familien gepflegt wird, können neue Berufungen der verschiedenen Art kommen. Aber Worte wie "Mission", "Neuevangelisierung", entschiedene Christusnachfolge sind in den oberen Etagen der Diözese nicht gern gehörte Worte, nimmt man einmal den Bischof aus.

 

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