Kardinal Kasper formuliert Grundsatzkritik am „Synodalen Weg“!

10. Juni 2021 in Aktuelles


Emeritierter „Ökumeneminister“ im „Passauer Bistumsblatt“: „Warum hat der Synodale Weg den Brief von Papst Franziskus nicht ernster genommen und, wie es sich für eine Synode gehört, die kritischen Fragen im Licht des Evangeliums betrachtet?“


Vatikan-Passau (kath.net/pl) „Warum hat der Synodale Weg den Brief von Papst Franziskus nicht ernster genommen und, wie es sich für eine Synode gehört, die kritischen Fragen im Licht des Evangeliums betrachtet? Selbstverständlich müssen wir neuere humanwissenschaftliche Einsichten beachten, der Maßstab ist jedoch allein Jesus Christus. Einen anderen Grund kann niemand legen (1 Kor 4,7).“ Derart kritisch beleuchtet Kardinal Walter Kasper, der emeritierte Präsident des Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen, im Interview mit dem „Passauer Bistumsblatt“ den sogenannten „Synodalen Weg“ in der katholischen Kirche in Deutschland. Der Synodale Weg gebe „in der Öffentlichkeit wahrlich kein gutes Bild. Ich mache mir große Sorgen, bin jedoch mit einem abschließenden Gesamturteil vorsichtig“. Die Urteil des früheren Bischofs von Rottenburg-Stuttgart und Schülers des umstrittenen Tübinger Professors Hans Küng (1933-2021) über den Synodalen Weg fällt überraschend kritisch aus: Man höre bisher „einzelne, zum Teil schrille Stimmen und einzelne öffentlich laute Gruppen“. Doch habe man bisher noch keinen Beschlusstext. Zwar mag es sein, dass es anfangs eventuell gut gewesen sei, „die unterschiedlichen Meinungen ungefiltert zu Wort kommen zu lassen“. Doch es übersteige sein „Vorstellungsvermögen, dass Forderungen wie Aufhebung des Zölibats und Priesterweihe von Frauen am Ende die Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischofskonferenz finden oder in der universalen Kirche konsensfähig sein könnten“. Er habe jedoch die Hoffnung „noch nicht aufgegeben, dass das Gebet vieler treuer Katholiken hilft, den Synodalen Weg auf katholische Geleise zu lenken“.

Kasper tadelte gegenüber dem „Passauer Bistumsblatt, dass der Synodale Weg „strukturell auf schwachen Beinen“ stehe. Der Synodale Weg sei ja „weder eine Synode noch ein bloßer Dialogprozess. Jetzt am Anfang ist er ein Dialogprozess, dann hat die Bischofskonferenz das Wort und schließlich ist, was die universalkirchlichen Forderungen angeht, der Papst am Zug, außerdem ist jeder Bischof frei, in seiner Diözese zu übernehmen, was ihm geeignet erscheint.“ Angesichts der Uneinigkeit der deutschen Bischöfe sei „schwer vorstellbar“, „wie das alles auf einen gemeinsamen Nenner“ bringen könne.

In der Weltkirche und in Italien, wo er seit 20 Jahren lebt, erlebe er neben Respekt vor Deutschen „Respekt für unser klares Denken, für unser Organisationstalent, unsere Spendenfreudigkeit, auch für die Theologie. Ich stelle aber auch fest, dass andere Völker gereizt reagieren, wenn wir den Eindruck erwecken, wir wollten ihnen den Kurs vorgeben nach dem Motto: ‚Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.‘ Diese Naziparole hatte schlimme Folgen, die man auch im sonst toleranten Italien noch nicht vergessen hat.“ Über den Synodalen Weg höre er oft: „Das sind nicht unsere Probleme, und auch in Deutschland sind es nicht wenige Frauen und Männer, die ganz andere Probleme haben. Meine Freunde von S. Egidio, wahrlich keine Finsterlinge, sagen mir immer wieder: Was ihr da macht ist ‚fuori storia‘, lebens‑, welt- und geschichtsfremd.“ Kasper fragte nachdenklich, ob denn „die Abschaffung des Zölibats und die Ordination von Frauen“ wirklich „die Menschheitsprobleme von heute“ seien? Man dürfe sich nicht einbilden, „man könne Kirche ‚machen‘“, Erneuerung komme vielmehr „aus einem inneren Wachstum von Glaube, Hoffnung und Liebe“, aus der Neuentdeckung des Evangeliums „in seiner ganzen Radikalität“.

Gefragt nach der Situation in der Ökumene würdigte Kasper einerseits das jüngste Papier des Ökumenischen Arbeitskreises, stellte dann aber fest, dass dies doch „ein akademisches Dokument“ gewesen sei. Kasper bezeichnete es als „unklug, dieses ohne kirchlichen Realitätscheck beim Ökumenischen Kirchentag einem Großexperiment aussetzen zu wollen. Da konnte Rom nicht viel anderes tun als rasch ein Stoppschild aufstellen.“ Denn weiterhin seien einige Fragen erst noch zu klären.

Auch er selbst habe kei­ne Lösung für die ökumenischen Sachfragen, räumte Kasper ein. Darum habe er nie „guten Gewissens“ „eine allgemeine Einladung zur Kommunion aussprechen“ können. Gleichzeitig habe er aber „aus Respekt vor der persönlichen Gewissensentscheidung einzelner Christen in fast 65 Priesterjahren noch nie jemand, der zur Kommunion vorgetreten ist, abgewiesen. Das ist inzwischen die in Deutschland ziemlich allgemeine, von den Bischöfen weithin tolerierte pastorale Praxis.“ Diese Praxis sei „nicht perfekt, aber man kann und muss damit vorerst leben“, statuierte er.

Weiter erinnerte er, dass zum ökumenischen Dialog Partner gehören, „die ihre Identität haben“. Er stelle aber bei katholischen und evangelischen Christen „einen beängstigenden Identitätsverlust fest“. Viele wüssten überhaupt nicht mehr, „was katho­lisch und was evan­ge­lisch“ sei, die hätten die Unterschiede also nicht überwunden, sondern würden sie nicht mehr kennen. Hierbei handle es sich um eine „Scheinökumene“.

Archivfoto Kardinal Kasper (c) kath.net/Lorleberg

 

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