Die Kirche schwankt zwischen Euphorie und blankem Entsetzen

24. Mai 2021 in Aktuelles


Es macht keinen Sinn, den synodalen Prozess den selbsternannten Reformern zu überlassen. Man sollte dem Heiligen Geist zutrauen, dass er sich als wahrer Leiter der Kirche in Erinnerung zu rufen sucht - Montagskick v. Peter Winnemöller


Rom (kath.net)

Der synodale Prozess, den Rom ausgerufen hat, weckt Hoffnungen und Befürchtungen. Beide existieren zu Recht. Für Gläubige sollte die Hoffnung dominieren. Dafür gilt es aber selber aktiv zu werden und klug zu agieren.

Der Vatikan hat einen weltweiten synodalen Prozess ausgerufen. Es geht los im September diesen Jahres mit einen Vorbereitungsdokument. Im Oktober erfolgt die Eröffnungsfeier in Rom und damit beginnt eine sogenannte Diözesane Phase. Diese endet im April nächsten Jahres und mündet in die Erstellung eines ersten Instrumentum laboris im Oktober kommenden Jahres. Danach geht es in eine regionale Phase, die bis März 2023 weitere Dokumente liefern soll, welche dann bis Juni 2023 in ein zweites Instrumentum laboris münden. Die Bischofssynode im Oktober 2023 wird dann ein Abschlussdokument verabschieden. Dieses wird dann, so ist anzunehmen, dem Papst übergeben, der daraus ein offizielles Schreiben macht und veröffentlicht.

Der Prozess unterscheidet sich sehr wesentlich vom synodalen Weg von DBK und „ZdK“. Es ist mehr ein protestantisches Kirchenparlament und in die Struktur der Kirche nicht zu integrieren. Die Synode im Rom bedeutet: am Ende, im Oktober 2023 beraten die Bischöfe ein Abschlussdokument und der Papst entscheidet, was er damit macht.

Die zahlreichen Echos auf diese Ankündigung gehen von euphorischem Jubel bis hin zu scharfer Kritik. Die einen befürchten ein drittes Vatikanum, die anderen erhoffen sich ein solches. In Deutschland haben sich DBK und „ZdK“ darauf geeinigt, sich vom Papst im synodalen Weg anerkannt zu fühlen. Das ist reines PR- Getöse. Die Kritik aus Rom am synodalen Weg aber auch an einzelnen Projekten sind bekannt. Einige Kritiker des synodalen Weges sehen den weltweiten synodalen Prozess als eine Methode den deutschen Sonderweg einzufangen. Immerhin sollen nationale Reformprozesse in den synodalen Prozess eingegliedert werden. Wie sich das Eingliedern praktisch auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Auffallend ist die thematische Offenheit. Es soll, wie man hört und liest aus Rom keine Vorgaben geben. Auch Laien solle in die diözesanen und regionalen Phasen einbezogen werden. Für Deutschland ergibt sich hier ein dringendes Handlungsfeld, das rechtzeitig in Rom angemeldet werden sollte. Geradezu einzigartig in der Welt ist das deutsche kirchliche Verbands- und Funktionärswesen. Die DBK erkennt das „ZdK“, das sich aus Vertretern von Verbänden und Funktionären zusammensetzt und als Speerspitze prominente Einzelpersönlichkeiten beruft, als offizielle Laienvertretung an. Das Problem ist schnell umrissen. Das Spitzengremium der deutschen Laien vertritt sehr homogen einen in bestimmter Richtung reformorientierten Flügel. Alle Vertreter anderer Ausrichtung werden massiv ausgegrenzt. In Deutschland ist die Kirche nicht nur vermögend, sondern durch regelmäßige fiskalische Einnahmen stets liquide. Man kann sich eine große Zahl angestellter Laien leisten. Zwischen den Funktionären und den Angestellten gibt es zahlreiche Interessenüberschneidungen, was dazu führt, dass auch die Kirchenbehörden mehrheitlich von ähnlichen Reformagenden bestimmt sind, wie sie das „ZdK“ dominieren. Hörbar ist in Deutschland nur ein linkskatholische Hegemonie.

Jener Teil der katholischen Basis, der Entscheidungen des römischen Lehramts gerade nicht als umstrittene Meinungen ansieht, sondern als zu befolgende Weisungen, wird in Deutschland auf dem synodalen Weg von DBK und „ZdK“ kein Gehör erwarten können. Im synodalen Prozess des Vatikans ist es, ohne eine Veränderung der Lage, gleichfalls nicht zu erwarten. Der Katechismus ist längst gecancelt. Das löbliche Ansinnen des Vatikans, die Laien zu befragen, was ihre Sicht auf die Situation der Kirche in der Welt von heute ist, wird zumindest in diesem Land von den bestehenden Strukturen zugunsten einer selbst erfundenen Reformagenda konterkariert werden.

Dagegen gilt es vorzugehen. Begonnen werden muss damit jetzt. Könnten nämlich tatsächliche kirchliche Notwendigkeiten unserer Tage ihre Stimme in den weltweiten synodalen Prozess einbringen, so müsste sich die Weltkirche aus Westeuropa zahlreiche Sorgen anhören. Da ist der fast vollständige Abriss der Glaubensweitergabe nicht festzustellen. Da braucht es dringend Programme für die Neuevangelisierung. Es braucht missionarische Impulse. Es braucht eine kirchliche Stimme in Fragen des Lebensschutzes. Es braucht eine Stimme für den Schutz der Familie. Es braucht eine aus dem Glauben hergeleitete in die säkulare Gesellschaft hinein kommunizierbare Ethik. Es gilt für Deutschland endlich ein paar alte Zöpfe der Verbindung zwischen Staat und Kirche zu untersuchen, ob man sie abschneiden oder aufdröseln und zeitgemäß neu flechten sollte. Es braucht dringend eine Überlegung, ob deutsche Diözesen in dieser Größe angemessen sind oder ob kleinere Diözesen mit weniger Bürokratie nicht sinnvoller wären. Es ist keineswegs so, als gäbe es in der Kirche keinen Reformbedarf. Auch in Fragen der Liturgie ist die Frage nach der Reform der Reform sehr wohl noch offen.

Man braucht dagegen nur wenig Phantasie, um sich vorzustellen, welche Botschaft die häufig sogar von offiziellen Stellen so genannte „Deutsche Kirche“ senden wird: Frauen als Priesterinnen, Zölibat weg, Ehe für alle, Sakramentalität der Kirche abschaffen, Laien an die Macht. Nun soll man nicht denken, man wisse in Rom nicht um die Probleme der Kirche in Deutschland. Aber auch das ist wahr, trotz Unfehlbarkeit in Lehrentscheidungen und Jurisdiktionsprimat ist der Papst kein Zauberkünstler, der alle Probleme einer Teilkirche mit Fingerschnipsen wegmachen kann. Die Kirche ist eine göttliche Stiftung aber nicht magischer Natur. Die Gnade von Pfingsten wirkt in der Kirche fort. Doch die Gnade wirkt immer mit der Natur.

Wenn gewollt ist, dass es überhaupt eine winzige Chance gibt, die wirklichen Reformbedürfnisse der Kirche in unserem Land in den weltweiten synodalen Prozess einzubringen, dann ist jetzt – heute! – der Tag damit zu beginnen, Themen zu sammeln, die Köpfe zusammen zu stecken und zu überlegen, Strukturen zu schaffen, Wege der Kommunikation zu suchen. Bischöfe sind anzusprechen und an ihre Verantwortung zu erinnern. Es gilt sich zu treffen, sich zoomt Euch zusammen, möchte man sagen. Vernetzungen sind nötig. Gruppen und Netze von Gruppen sind zu knüpfen, fachliches Know-how von Theologen und Kirchenrechtlern ist zu suchen. Briefe, Mails und Blogartikel sind zu schreiben. Medienarbeit der Aktiven ist zu tun. „Werdet relevant!“, möchte man den Aktiven zurufen.

Polemik und Bitterkeit haben keinen Platz in der Kirche. Das nützt niemandem. Die Kirche ist keine Demokratie. Die Wahrheit steht im Katechismus. Wer diesen Leitfaden nützt geht nicht fehl, auch wenn er im Diskurs temporär unterliegt. Die Wahrheit ist nicht änderbar. Die Kirche hat die Wahrheit, in der ganzen Kirche – ausgespannt über Zeit und Raum – liegt die ganze irrtumsfreie Wahrheit, die Gott den Menschen offenbart hat. Die Nachfolger der Apostel haben sie zu hüten. Wo diese fehl gehen, ist ihnen zu helfen den Weg erneut zu finden. In vielen Fällen wird das nicht gelingen. Daran dürfen aktive Gläubige nicht verzweifeln. Aus der Hierarchie (und heute muss man ergänzen aus der Funktionärskaste) ist noch nie ein Erneuerungsimpuls für die Kirche hervorgegangen. Das sollte man sich klarmachen. Erneuerung der Kirche kam immer von unten, von den Laien, von den einfachen Gläubigen, aus den Familien, den Klöstern und Gemeinden.

Es macht weder Sinn zu hadern, noch macht es Sinn, den synodalen Prozess den selbsternannten Reformern zu überlassen. Man sollte dem Heiligen Geist gerade rund um Pfingsten zutrauen, dass er sich als wahrer Leiter der Kirche in Erinnerung zu rufen sucht. Es ist jetzt die Stunde der Gläubigen. Jetzt!


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