Das größte Wunder, das ein Christ vollbringen kann

5. Mai 2021 in Aktuelles


Franziskus: das kontemplative Gebet. Kontemplation ist nicht primär eine Art des Tuns, sondern eine Art des Seins. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Herr, unser Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde, der du deine Hoheit gebreitet hast über den Himmel. [...] Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur w.enig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit. [...] Herr, unser Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!“ (Ps 8,2.4-6.10).

„Generalaudienz“ in der Einsamkeit der Bibliothek der ehemaligen Papstwohnung im Apostolischen Palast vor der Fernsehkamera. Papst Franziskus setzte seine Katechesenreihe zum Gebet fort. Die 32. Katechese stand unter dem Thema: „Das kontemplative oder beschauliche Gebet“.

Die kontemplative Dimension des Menschen – die noch nicht das kontemplative Gebet sei – sei ein bisschen wie das „Salz“ des Lebens, so der Papst. Es gebe Würze, es gebe unseren Tagen Geschmack. Man könne sie betrachten, während man den Sonnenaufgang am Morgen betrachte oder die Bäume, die im Frühling grün würden. Man könne sie betrachten, während man Musik oder Vogelgezwitscher höre, während man ein Buch lese, vor einem Kunstwerk oder dem Meisterwerk, das das menschliche Gesicht sei. Carlo Maria Martini, der als Bischof nach Mailand gesandt worden war, „betitelte seinen ersten Hirtenbrief ‚Die kontemplative Dimension des Lebens’: in der Tat, wer in einer großen Stadt lebt, wo alles künstlich und funktional ist, läuft Gefahr, die Fähigkeit zur Kontemplation zu verlieren. Kontemplation ist nicht primär eine Art des Tuns, sondern eine Art des Seins“.

Wie der Name schon sage, hänge dieses mit dem Schauen zusammen. Schauen sei also nicht so sehr ein Tun. Es gründe vielmehr im Sein und gehe nicht so sehr von den Augen als vom Herzen aus.

Die Wandlung des Herzens durch dieses Hinschauen auf den Herrn beschreibet der heilige Pfarrer von Ars mit den Worten eines Bauern, der vor dem Tabernakel betete: „Ich schaue ihn an und er schaut mich an“. Alles komme von dort: „von einem Herzen, das sich mit Liebe angeschaut fühlt. Dann wird die Realität mit anderen Augen betrachtet“.

Jesus „war ein Meister in diesem Blick. Seinem Leben fehlte es nie an Zeit, Raum, Stille und der liebevollen Gemeinschaft, die es dem Dasein erlaubt, nicht von den unvermeidlichen Prüfungen verwüstet zu werden, sondern seine Schönheit unversehrt zu bewahren. Ihr Geheimnis war ihre Beziehung zu ihrem himmlischen Vater“.

„Ich schaue Ihn an, und Er schaut mich an!“. In der liebenden Betrachtung, die für das innigste Gebet typisch ist, bedürfe es nicht vieler Worte: „ein Blick genügt, es genügt, überzeugt zu sein, dass unser Leben von einer großen und treuen Liebe umgeben ist, von der uns nichts jemals trennen kann“.

Der Blick Jesu lehre uns so, alles im Licht seiner Wahrheit und seines Erbarmens mit allen Menschen zu sehen. Es reiche ein Blick, um überzeugt zu sein, dass unser Leben von einer größeren Liebe getragen werde, von der uns nichts scheiden kann.

Christi Leben selbst zeige uns im Ereignis der Verklärung, dass dieses Licht der Liebe Gottes inmitten eines kritischen Moments seiner Sendung unter Unverständnis und Anfeindung aufscheine: „Auch wir dürfen diese Erfahrung im Auf und Ab unseres Alltags machen, wenn wir Jesus auf seinem Weg der Liebe demütig und treu nachfolgen“.

Einige frühere Meister der Spiritualität hätten die Kontemplation als Gegensatz zur Aktion verstanden und so jene Berufungen gepriesen, die der Welt und ihren Problemen entfliehen, um sich ganz dem Gebet zu widmen. In Wirklichkeit gebe es in der Person Jesu Christi und im Evangelium keinen Gegensatz zwischen Kontemplation und Aktion. Dies könne dem Einfluss irgendeines neuplatonischen Philosophen entsprungen sein, „aber er ist sicherlich ein Dualismus, der nicht zur christlichen Botschaft gehört“.

Es gebe einen großen Aufruf im Evangelium, „und das ist, Jesus auf dem Weg der Liebe zu folgen“. Dies sei der Scheitelpunkt und das Zentrum von allem. In diesem Sinne „sind Nächstenliebe und Kontemplation synonym, sie sagen das Gleiche. Der heilige Johannes vom Kreuz behauptete, dass ein kleiner Akt der reinen Liebe für die Kirche nützlicher ist als alle anderen Werke zusammengenommen“.

Das, was aus dem Gebet und nicht aus der Einbildung unseres Egos geboren werde, das, was durch Demut gereinigt werde, auch wenn es ein zurückgezogener und stiller Akt der Liebe sei, „ist das größte Wunder, das ein Christ vollbringen kann“.

Die Zuschauer und Zuhörer aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Von Herzen grüße ich die Brüder und Schwestern deutscher Sprache. Das Gebet ist keine Tätigkeit, die man nur in Mußestunden, sondern auch während unseres Alltags wie der Atem unserer lebendigen Beziehung zu Gott zu verrichten hat. Lassen wir uns im Monat Mai besonders von Maria im Rosenkranzgebet zu diesem Dialog mit Gott leiten.

 


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