Kreuzerhöhung

23. März 2021 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: der Menschensohn muss am Holz des Kreuzes erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, das Leben hat. Gott spielt sich nicht als Herr auf, sondern liebt ohne Maß. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Dienstag der fünften Woche der Fastenzeit: „Ihr stammt von unten, ich stamme von oben; ihr seid aus dieser Welt, ich bin nicht aus dieser Welt. – Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass Ich es bin“.

In der Fastenzeit werden die Evangelien des Tags dramatisch, dies in einem fortschreitenden Crescendo. Was ja verständlich ist: sie führen hin zum größten und tiefsten Drama der Schöpfung, sie führen hin zum Kreuz, zur Erhöhung des Gottessohnes. Dann wird man „erkennen“ und der Gegenwart Gottes in einem endgültigen Sinn gewahr werden.

In seiner Betrachtung zum diesjährigen Osterfest merkt Erzbischof Carlo Maria Viganò an:

„‚Si iniquitates observaveris, Domine: Domine, quis sustinebit?’ – ‚Würdest du, Herr, die Sünden beachten, mein Herr, wer könnte bestehn?’ (Ps 130,3) – ‚Mors et vita duello conflixere mirando; Dux vitae mortuus regnat vivus’ – ‚Tod und Leben rangen in wundersamem Zweikampf. Der Fürst des Lebens, der gestorben war, herrscht [jetzt] lebend’ (Wipo, * vor 1000; † nach 1046, Ostersequenz ‚Victimae paschali laudes’).

Das christliche Ostern, das wahre Ostern, von dem das alttestamentliche nur eine Figur war, erfüllt sich auf Golgatha, auf dem gesegneten Holz des Kreuzes. Von diesem vollkommenen Opfer war Christus Altar, Priester und Opfer. Das ‚Agnus Dei’, auf das der Vorläufer am Ufer des Jordans hingewiesen hat, nahm die Sünden der Welt auf sich, um sich als menschliches und göttliches Opfer dem Vater darzubringen und in seinem Blut die Ordnung wiederherzustellen, die von unserem Stammvater verletzt wurde. Dort, auf Golgatha, wurde der wahre ‚Great Reset’ vollzogen, dank dessen die unauslöschliche Schuld der Kinder Adams durch die unendlichen Verdienste des Leidens des Erlösers gestrichen wurde und uns von der Sklaverei der Sünde und des Todes befreit hat“.

***

„Ein andermal sagte Jesus zu ihnen: Ich gehe fort und ihr werdet mich suchen und ihr werdet in eurer Sünde sterben. Wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht gelangen. Da sagten die Juden: Will er sich etwa umbringen? Warum sagt er sonst: Wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht gelangen? Er sagte zu ihnen: Ihr stammt von unten, ich stamme von oben; ihr seid aus dieser Welt, ich bin nicht aus dieser Welt. Ich habe euch gesagt: Ihr werdet in euren Sünden sterben; denn wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, werdet ihr in euren Sünden sterben. Da fragten sie ihn: Wer bist du denn? Jesus antwortete: Warum rede ich überhaupt noch mit euch? Ich hätte noch viel über euch zu sagen und viel zu richten, aber er, der mich gesandt hat, ist wahrhaftig, und was ich von ihm gehört habe, das sage ich der Welt. Sie verstanden nicht, dass er damit den Vater meinte. Da sagte Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, dass Ich es bin. Ihr werdet erkennen, dass ich nichts von mir aus tue, sondern nur das sage, was mich der Vater gelehrt hat. Und er, der mich gesandt hat, ist bei mir; er hat mich nicht alleingelassen, weil ich immer das tue, was ihm gefällt. Als Jesus das sagte, kamen viele zum Glauben an ihn“ (Joh 8, 21-30).

Benedikt XVI., aus der Predigt vom 4. November 2010: heilige Messe für die im Jahr verstorbenen Kardinäle und Bischöfe, Kathedra-Altar:

Das Ostergeheimnis Christi hat uns den Zugang zum ewigen Leben eröffnet, und der Glaube ist der Weg, um zu ihm zu gelangen. Das wird deutlich aus den Worten, die Jesus an Nikodemus richtet und die vom Evangelisten Johannes überliefert werden: »Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muß der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat« (Joh 3,14–15). Hier gibt es einen expliziten Bezug zu einer im Buch Numeri (21,1–9) erzählten Begebenheit, die die rettende Kraft des Glaubens an das Wort Gottes unterstreicht. Beim Auszug aus Ägypten hatte das jüdische Volk sich gegen Mose und Gott erhoben und wurde mit einer Plage giftiger Schlangen bestraft. Mose bat um Vergebung. Gott nahm die Reue der Israeliten an und befahl Mose: »Mach dir eine Schlange und häng sie an einer Fahnenstange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht.« Und so geschah es. Im Gespräch mit Nikodemus offenbart Jesus den tieferen Sinn dieses Heilsereignisses, indem er es auf seinen eigenen Tod und seine Auferstehung bezieht:

Der Menschensohn muß am Holz des Kreuzes erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, das Leben hat. Der hl. Johannes sieht gerade im Geheimnis des Kreuzes den Augenblick, in dem sich die königliche Herrlichkeit Jesu offenbart, die Herrlichkeit einer Liebe, die sich in Leiden und Tod vollkommen hingibt. So wird das Kreuz paradoxerweise aus einem Zeichen der Verurteilung, des Todes, des Scheiterns zu einem Zeichen der Erlösung, des Lebens, des Sieges, in dem man mit dem Blick des Glaubens die Früchte des Heils erkennen kann.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs mit Nikodemus vertieft Jesus die Heilsbedeutung des Kreuzes und offenbart mit immer größerer Deutlichkeit, daß es die unermeßliche Liebe Gottes und die Gabe des einzigen Sohnes bedeutet: »Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab.« Das ist eine der zentralen Aussagen des Evangeliums. Das Subjekt ist Gottvater, Ursprung des gesamten Schöpfungs- und Erlösungsgeheimnisses. Die Verben »lieben« und »hingeben« verweisen auf eine entscheidende und endgültige Tat, die Ausdruck der Radikalität ist, mit der Gott sich dem Menschen in der Liebe genähert hat, bis hin zur vollkommenen Hingabe, zur Überschreitung der Schwelle unserer letzten Einsamkeit, indem er in den Abgrund unserer äußersten Verlassenheit hinabsteigt und das Tor des Todes durchschreitet. Das Objekt und der Empfänger der göttlichen Liebe ist die Welt, das heißt die Menschheit. Diese Worte tilgen die Idee eines fernen und dem Weg des Menschen fremden Gottes vollständig, sie offenbaren vielmehr sein wahres Antlitz: Er hat uns aus Liebe seinen Sohn geschenkt, um ein uns naher Gott zu sein, uns seine Gegenwart spüren zu lassen, um uns entgegenzugehen und uns in seiner Liebe zu tragen, so daß das ganze Leben von dieser göttlichen Liebe beseelt sein möge. Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben.

Gott spielt sich nicht als Herr auf, sondern liebt ohne Maß. Er bezeugt seine Allmacht nicht in der Strafe, sondern in der Barmherzigkeit und in der Vergebung. Das alles zu verstehen heißt, in das Geheimnis der Erlösung einzutreten: Jesus ist gekommen, um zu retten, nicht um zu verurteilen; im Kreuzesopfer offenbart er das liebevolle Antlitz Gottes. Und gerade im Glauben an die Überfülle der Liebe, die uns in Jesus Christus geschenkt ist, wissen wir, daß die kleinste Kraft der Liebe stärker ist als die größte zerstörerische Kraft und daß sie die Welt verwandeln kann. Und aus diesem Glauben heraus können wir eine »verläßliche Hoffnung« haben auf das ewige Leben und die Auferstehung des Fleisches.

 


© 2021 www.kath.net