Erzbischof: Papst will Aussterben der Christen in Nahost stoppen

14. März 2021 in Weltkirche


Vatikanischer "Außenminister" Gallagher: Nur Verbesserung der Lebensbedingungen vor Ort kann "Ausbluten der Christenheit" im Nahen und Mittleren Ostern verhindern - Hilfswerk "Kirche in Not" zieht ermutigende Bilanz der Irakreise von Papst Franziskus


Vatikanstadt/Wien (kath.net/KAP) Ein wesentlicher Grund für die Irak-Reise von Papst Franziskus ist nach Vatikanangaben sein Bemühen gewesen, das Aussterben des Christentums im Nahen Osten zu verhindern. Das "Ausbluten der Christenheit" im Nahen Osten - Irak, Libanon, auch Syrien - sei "eine bedeutende Herausforderung und ein geopolitisches Problem", sagte der vatikanische "Außenminister", Erzbischof Paul Gallagher, dem Portal "Crux" (Dienstag).

Christen seien "schon immer dort" gewesen und hätten stets "eine Rolle inmitten anderer, auch größerer, mächtigerer gesellschaftlicher Gruppen gespielt. "Man kann die Christen nicht zwingen, im Nahen Osten zu bleiben", so der britische Kurienerzbischof. Menschen hätten ein "Recht auszuwandern" - zumal wenn sie "Familien haben, junge Familien und keine Zukunft sehen". Daher versuche die vatikanische Diplomatie auch, die Lebensbedingungen von Christen im Nahen und Mittleren Ostern zu verbessern.

Sollte es nicht gelingen, das Aussterben der Christen in diesen Regionen zu stoppen, wäre das Christentum in seinen Ursprungsländern nur noch eine historische Erinnerung, "wie in einem Museum - ähnlich wie in Nordafrika". "All diese Titularbischöfe der katholischen Kirche haben Titel von Diözesen, die es früher in Algerien, Marokko, Tunesien gab. Jetzt gibt es dort nichts mehr", zitierte das Portal den Außenbeauftragten des Papstes für die Beziehungen zu den Staaten.

Besuch in Ninive-Ebene emotionaler Höhepunkt

Eine ermutigende Bilanz der Papstreise zog am Dienstag das internationale Hilfswerk "Kirche in Not" (ACN). Der Besuch von Franziskus habe den Blick der irakischen Gesellschaft auf die Christen verändert, erklärte "Kirche in Not"-Projektdirektorin Regina Lynch in Wien. "Sie haben verstanden, dass Christen keine Gäste aus dem Westen sind, sondern wirklich Teil des Landes und der Region. Wir hoffen, dass diese neue Aufmerksamkeit erhalten bleibt." Für eine Verbesserung der Lage der christlichen Minderheit sei besonders auch das Treffen des Papstes mit dem schiitischen Großajatollah Ali al-Sistani wichtig gewesen, habe dieser doch großen Einfluss im Land.

Lynch hatte als Vertreterin des Ostkirchennetzwerks ROACO den Papst auf seiner Reise durch den Irak begleitet. Als emotionalen Höhepunkt bezeichnete sie die Station in der christlich geprägten Stadt Karakosch in der Ninive-Ebene, wo tausende Menschen die Straßen säumten, um den Papst zu sehen. "Das waren die Menschen, die ihre Häuser wegen der Eroberungen des 'Islamischen Staates' verlassen mussten und wiedergekommen sind. Der Papst sah hier wirklich die lebendigen Steine der Kirche im Irak", sagte die "Kirche in Not"-Vertreterin. Besonders bewegt habe sie das Zeugnis einer Christin, deren Sohn vom IS getötet worden war. "Sie hat den Tätern vergeben. Ihr Glaube bewog sie dazu. Das war ein sehr starker Moment."

Christen vor Ort brauchen Perspektiven

Lynch wünscht sich, dass das weltweite Interesse an dem Besuch die internationale Gemeinschaft motiviert, bei den großen Herausforderungen im Irak zu helfen. Unter vielen Christen herrsche die Furcht, dass der IS zurückkehre. Die irakische Regierung müsse daher endlich effektiv für Sicherheit sorgen und auf eine schlagkräftige Polizei anstelle auf Milizen setzen, forderte die Expertin. "Außerdem brauchen die Christen, die in ihre Heimatorte zurückgekehrt sind, wirtschaftliche Perspektiven."

Lynch hofft, dass die schlimmste Phase der Abwanderung von Christen aus dem Irak vorbei ist. "Ich habe mit dem syrisch-katholischen Erzbischof von Erbil, Nizar Semaan, gesprochen. Wenigstens für den Bereich der autonomen Region Kurdistan ist er zuversichtlich, dass die Christen bleiben. In jedem Fall hat der Besuch des Papstes sie dazu ermutigt."

Zahlreiche Wiederaufbauprojekte

"Kirche in Not" ist seit Jahren in der Hilfe für die bedrohten Christen im Irak tätig und hat zahlreiche Wiederaufbauprojekte mitfinanziert. Aktuell liege der Fokus vor allem am Wiederaufbau der vom IS zerstörten Kirchen und kirchlichen Einrichtungen, berichtete Projektdirektorin Lynch. Darüber hinaus habe "Kirche in Not" kürzlich ein Stipendienprogramm für Studenten der Katholischen Universität von Erbil gestartet, um jungen Menschen eine gute Ausbildung zu ermöglichen.

"Besonders aber kommt es darauf an, den Glauben der Menschen zu stärken. Deshalb unterstützen wir die pastorale Arbeit der Kirche, besonders mit Jugendlichen und Familien. Wir haben bei der Papstreise gesehen, wie jung diese Kirche ist", erklärte Lynch.

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