Die Apostolische Reise in den Irak – eine historische Reise

10. März 2021 in Aktuelles


Franziskus: seid Weber der Freundschaft und Brüderlichkeit, wo immer ihr seid. „Ihr alle aber seid Brüder“. Die Geschwisterlichkeit – Jesus: Zentrum des Wiederaufbaus. Wer verkauft heute eigentlich die Waffen an die Terroristen? Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Der Herr sprach zu Abram: Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde! (...) Da ging Abram, wie der HERR ihm gesagt hatte, und mit ihm ging auch Lot. Abram war fünfundsiebzig Jahre alt, als er von Haran auszog. (...) Er führte ihn hinaus und sprach: Sieh doch zum Himmel hinauf und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst! Und er sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein. Und er glaubte dem Herrn und das rechnete er ihm als Gerechtigkeit an“ (Gen 12,1.4; 15,5-6).

„Nie zuvor war ein Papst im Lande Abrahams gewesen. Die Vorsehung wollte, dass dies jetzt geschah, als Zeichen der Hoffnung nach Jahren des Krieges und des Terrorismus und während einer schlimmen Pandemie“: in seiner Ansprache zur heutigen Generalaudienz ließ Papst Franziskus seine 33. Apostolische Auslandsreise Revue passieren, die ihn in den Irak geführt hatte (5.- 8. März 2021).

Voller Dankbarkeit schaute der Papst also auf die vielfältigen und reichen Eindrücke seiner Reise in den Irak zurück. Das Land sei die Heimat des Patriarchen Abraham, als dessen Nachkommen sich Juden, Christen und Muslime verstünden. Darauf habe auch das Motto der Reise „Ihr alle aber seid Brüder“ (Mt 23,8) Bezug genommen.

Dies habe eine besondere Aussagekraft in einem Land, das durch Kriege und Terrorismus furchtbar geprüft worden sei: „Ich spürte stark den bußfertigen Sinn dieser Pilgerreise: ich konnte mich diesem gemarterten Volk, dieser Märtyrerkirche nicht nähern, ohne im Namen der katholischen Kirche das Kreuz auf mich zu nehmen, das sie seit Jahren tragen. Ein großes Kreuz, wie das, das am Eingang von Karakosch steht. Ich habe es auf besondere Weise gespürt, als ich die immer noch offenen Wunden der Zerstörung sah, und noch mehr, als ich die Zeugen traf und ihnen zuhörte, die die Gewalt, die Verfolgung, das Exil überlebten“

In Nadschaf „traf ich Großajatollah al-Sistani und rief gemeinsam mit ihm zu Toleranz und Frieden auf. In Ur, wo Abraham seine Berufung erhielt, lud ich die Vertreter aller Religionen ein, dem Hass entgegenzutreten – weil alle Menschen Geschwister und Kinder Gottes sind“.

Das irakische Volk habe das Recht, in Frieden zu leben. Es habe das Recht, die Würde wiederzuerlangen, die ihm zustehe. Seine religiösen und kulturellen Wurzeln seien Jahrtausende alt: „Mesopotamien ist die Wiege der Zivilisation. Bagdad war in der Geschichte eine Stadt von herausragender Bedeutung, die über Jahrhunderte die reichste Bibliothek der Welt beherbergte. Und was hat es zerstört? Der Krieg“. Der Krieg sei immer das "Ungeheuer", das sich im Wandel der Zeitalter verwandelt und die Menschheit weiter verschlingt. Aber „die Antwort auf Krieg ist nicht ein weiterer Krieg, die Antwort auf Waffen sind nicht weitere Waffen“. Der Papst fragte erneut: "Ich frage mich: wer verkauft heute eigentlich die Waffen an die Terroristen? Da hätte ich gerne eine Antwort".  Die Geschwisterlichkeit sei die Herausforderung für den Irak, aber nicht nur. Es sei dies die Herausforderung für viele Konfliktregionen und letztlich für die ganze Welt.

Schließlich habe das Gebiet von Mossul, Karakosch und Erbil zum Gebiet gehört, das durch den IS stark heimgesucht worden sei und die dort ansässige Bevölkerung, darunter viele Christen und Minderheiten wie die der Jesiden, flüchten lassen habe.

Deshalb „haben wir uns getroffen und gebetet, Christen und Muslime, mit Vertretern anderer Religionen, in Ur, wo Abraham vor etwa viertausend Jahren den Ruf Gottes erhielt“. Abraham sei ein Vater im Glauben, weil er auf Gottes Stimme gehört habe, die ihm Nachkommenschaft verheißen habe, „er verließ alles und machte sich auf den Weg“.

Gott sei seinen Verheißungen treu und lenke auch heute noch unsere Schritte des Friedens, er lenke die Schritte derer, die auf der Erde wandelten mit dem Blick zum Himmel gerichtet. Und in Ur, „als wir zusammen unter diesem hellen Himmel standen, demselben Himmel, unter dem unser Vater Abraham uns, seine Nachkommen, gesehen hat, schien dieser Satz noch einmal in unseren Herzen zu hallen: ihr seid alle Brüder und Schwestern“.

Eine Botschaft der Brüderlichkeit sei aus dem kirchlichen Treffen in der syrisch-katholischen Kathedrale von Bagdad gekommen, wo 2010 achtundvierzig Menschen, darunter zwei Priester, während der Feier der Messe getötet worden seien. Die Kirche im Irak „ist eine Märtyrerkirche, und in diesem Tempel, in dem das Gedenken an diese Märtyrer in Stein gemeißelt ist, erklang die Freude der Begegnung: mein Erstaunen, in ihrer Mitte zu sein, verschmolz mit ihrer Freude, den Papst bei sich zu haben“.

„Eine Botschaft der Geschwisterlichkeit, die wir von Mossul und Karakosch aus, am Tigris, in der Nähe der Ruinen des alten Ninive, lanciert haben“: die Besatzung durch den IS habe die Flucht von Abertausenden Einwohnern verursacht, darunter viele Christen verschiedener Konfessionen und andere verfolgte Minderheiten, insbesondere die Jesiden. Die alte Identität dieser Städte sei zerstört worden. Jetzt kämpften sie um den Wiederaufbau. Die Muslime ladeten die Christen zur Rückkehr ein, und gemeinsam bauten sie Kirchen und Moscheen wieder auf: „und lasst uns bitte weiterhin für diese unsere Brüder und Schwestern beten, die so hart geprüft sind, dass sie die Kraft haben, neu anzufangen. Und wenn ich an die vielen irakischen Auswanderer denke, möchte ich ihnen sagen: ihr habt alles verlassen, wie Abraham. Behaltet wie er den Glauben und die Hoffnung, und seid Weber der Freundschaft und Brüderlichkeit, wo immer ihr seid, und wenn es euch möglich ist: kehrt zurück!“.

Eine Botschaft der Geschwisterlichkeit sei dann von den beiden Eucharistiefeiern ausgegangen: „derjenigen in Bagdad, im chaldäischen Ritus, und derjenigen in Erbil, der Stadt, in der ich vom Präsidenten der Region und seinem Premierminister, von den Behörden und vom Volk empfangen wurde“. Die Hoffnung Abrahams und seiner Nachkommen habe sich in dem Geheimnis erfüllt, das gefeiert worden sei in Jesus, dem Sohn, den Gott, der Vater, nicht verschont, sondern für das Heil aller gegeben habe. Er habe uns durch seinen Tod und seine Auferstehung den Weg in das verheißene Land eröffnet, in ein neues Leben, in dem Tränen abgewischt, Wunden geheilt, Brüder versöhnt würden.

„Liebe Brüder und Schwestern“, so der Papst abschließend, „preisen wir Gott für diesen historischen Besuch und beten wir weiterhin für dieses Land und den Nahen Osten. Im Irak sind trotz des Lärms von Zerstörung und Waffen die Palmen, das Symbol des Landes und seiner Hoffnung, weiter gewachsen und haben Früchte getragen. So ist es auch mit der Geschwisterlichkeit: sie macht wie die Frucht der Palme keinen Lärm, aber sie ist fruchtbar und lässt uns wachsen. Möge Gott, der Friede ist, dem Irak, dem Nahen Osten und der ganzen Welt eine Zukunft der Brüderlichkeit schenken!“.

Die Zuschauer und Zuhörer aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Einen herzlichen Gruß richte ich an die Gläubigen deutscher Sprache. Beten wir für unsere Brüder und Schwestern im Nahen Osten, die so sehr geprüft sind, damit sie die Kraft haben, die Gesellschaft in Geschwisterlichkeit wiederaufzubauen. Der Herr mache uns zu Boten seines Friedens.

 


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