Drei Engel und die Vergebung

8. März 2021 in Aktuelles


Papst Franziskus und ein besonderes Zeugnis. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Es ist Sonntag, der 7. März. Papst Franziskus trifft im Rahmen seiner Apostolischen Reise in den Irak in der Kirche der Unbefleckten Empfängnis in Karakosch auf die christliche Gemeinschaft. Karakosch ist die größte christliche Stadt in der Ebene von Ninive.

Im August 2014 war sie von den Verbrechermilizen des „Islamischen Staates“ überfallen und eingenommen worden und wurde zu einem Symbol für das Martyrium dieser Bevölkerung. Das Bild der Verbrechermilizen, die auf ihren Toyotas durch Wüsten und Strassen rasten, dürfte eingeprägt geblieben sein. Junge haltlose Männer (und auch Frauen) aus vielen Teilen der Welt, die ein Video-Game in der Wirklichkeit zu leben schienen. Sklaverei, Sex, Unterdrückung, Zwangskonversionen, Missachtung dessen, was im elementarsten Sinne menschlich ist, alles unter dem Vorwand einer Pseudoreligiosität: das waren (und sind) Wesensmerkmale der Phantasiekonstruktion „Islamischer Staat“.

In der nun wieder aufgebauten Kirche der Unbefleckten Empfängnis hörte der Papst auch das Zeugnis einer Frau, die aus Karakosch geflohen war und nach der Niederlage des IS in die Stadt zurückgekehrt ist.

***

„Ich bin Doha Sabah Abdallah, aus Baghdede, Qaraqosh. Ich erzähle Ihnen, was ich erlebt habe und immer noch erlebe: die Gnade der Hoffnung, die ich empfangen habe.

Am Morgen des 6. August 2014 wurde die Stadt Baghdede durch den Lärm von Bombenanschlägen geweckt. Wir alle wussten, dass der IS vor den Toren stand und dass sie drei Wochen zuvor die Städte und Dörfer der Jesiden überfallen und sie grausam behandelt hatten. Wir waren also aus der Stadt geflohen und hatten unsere Häuser zurückgelassen. Aber nach zwei oder drei Tagen waren wir zurückgekehrt, getragen von unserem starken Glauben und in der Überzeugung, dass wir als Christen zum Martyrium bereit sind.

An jenem Morgen waren wir mit den üblichen Dingen beschäftigt und die Kinder spielten vor unseren Häusern, als es zu einem Zwischenfall kam, der uns zum Aufbruch zwang. Ich hörte ein Mörserfeuer und eilte aus dem Haus. Die Stimmen der Kinder verstummten, während die Schreie der Erwachsenen zunahmen. Ich wurde über den Tod meines Sohnes und seines Cousins informiert, auch die junge Nachbarin war getötet worden, die sich auf die Hochzeit vorbereitete.

Das Martyrium dieser drei Engel war eine klare Warnung: andernfalls wären die Menschen von Baghdede geblieben und unweigerlich in die Hände des IS gefallen. Das Martyrium der drei rettete die ganze Stadt.

Es ist nicht leicht für mich, diese Realität zu akzeptieren, weil sich die menschliche Natur oft mit dem Ruf des Geistes überschneidet. Unsere Stärke kommt jedoch mit Sicherheit aus unserem Glauben an die Auferstehung, Quelle der Hoffnung.

Mein Glaube sagt mir, dass meine Kinder in den Armen Jesu Christi, unseres Herrn, sind. Und wir, die Überlebenden, versuchen, den Aggressoren zu vergeben, weil unser Meister Jesus seinen Henkern vergeben hat. Indem wir ihn in unserem Leiden nachahmen, bezeugen wir, dass die Liebe stärker ist als alles andere“.

Der Papst würdigte dann dieses Zeugnis in seiner Ansprache. Der Weg zur Heilung könne lang sein, so Franziskus, aber er bedürfe der Grundlage der Vergebung:

„Eine Sache, die Frau Doha sagte, hat mich bewegt: Sie sagte, dass seitens der Überlebenden der Terrorakte Vergebung nötig sei. Vergebung – das ist ein Schlüsselwort. Vergebung ist nötig, um in der Liebe zu bleiben, um Christ zu bleiben. Der Weg zu einer vollständigen Heilung könnte noch lang sein, aber bitte lasst euch nicht entmutigen. Es braucht die Fähigkeit zu vergeben und zugleich den Mut zu kämpfen. Ich weiß, dass das sehr schwer ist. Doch wir glauben daran, dass Gott den Frieden auf diese Erde bringen kann. Wir vertrauen auf ihn, und gemeinsam mit allen Menschen guten Willens sagen wir ‚Nein’ zum Terrorismus und zur Instrumentalisierung der Religion“.

 

 


© 2021 www.kath.net