Bätzing 2.0: Der Kampf geht weiter!

1. März 2021 in Kommentar


„Wörtlich sagte Bätzing: ‚Wir Bischöfe bleiben auf Kurs!‘ Im Klartext heißt das aber: Egal was der Nuntius sagt, egal was der Papst sagt, wir ziehen das Projekt der ‚Veränderung der Kirche‘ durch. Gastkommentar zur DBK von Franz Norbert Otterbeck


Bonn-Kevelaer (kath.net) Als der Filmemacher und RAF-Terrorist Holger Meins im November 1974 beerdigt wurde, da sprach Rudi Dutschke am offenen Grabe die geflügelten Worte: "Der Kampf geht weiter!" Die Fernsehbilder davon könnten zu den Jugenderinnerungen von Bischof Bätzing gehören. Schon seine Kindheit fiel in die turbulente, nachkonziliare Zeit. Georg Bätzing hat allerdings kein sichtbares politisches Profil entwickelt. Er war an der Theologie ernsthaft interessiert und gewiss ein seriöser Priester. Im schwierigen Bistum Limburg hat er Vertrauen gewonnen, das ihn aus Sicht seiner bischöflichen Mitbrüder für das Amt des Vorsitzenden der Konferenz qualifizierte. Die Frühjahrsversammlung "online" beendete er am 25. Februar mit einer ausführlichen Pressekonferenz. Christiane Florin vom Deutschlandfunk kommentierte die mageren Ergebnisse mit Recht zornig. Die Analyse "von links" ist ja nicht immer falsch. Doch die Forderungen, die aus dieser Ecke kommen, haben selten mit der Religion zu tun, schon gar nicht mit der katholischen. Trotzdem versuchte der Große Vorsitzende "nach links" zu beschwichtigen. Er fand freundliche Worte für "Maria 2.0" und zum so genannten "Synodalen Weg" hieß es: "Der Kampf geht weiter!" Nicht wörtlich, wörtlich sagte Bätzing: "Wir Bischöfe bleiben auf Kurs!" Im Klartext heißt das aber: Egal was der Nuntius sagt, egal was der Papst sagt, wir ziehen das Projekt der "Veränderung der Kirche" durch.

Jeder Mensch ist ein Kind seiner Zeit, nicht nur seiner Eltern. Nur in den seltensten Fällen hat ein junger Mann mit Interesse am Priesterberuf von Anfang an nur egozentrische Absichten und entwirft im Geiste schon sein Bischofswappen. Aber auf dem Sterbebett wird es wohl fast jeder deutsche Bischof für eine Art von "Gottesbeweis" erachten, dass er wunderbar erwählt wurde, der Diözese X.Y. vorzustehen (oder auch nur einem Titularbistum), auch dann, wenn seine Religion sich im Übrigen verflüchtigt haben sollte. Kein deutscher Bischof also kann "Atheist" im Sinne der Religionswissenschaft sein. Eine Pressekonferenz ist auch kein Anlass zu predigen. Aber es gibt uns doch zu denken, wenn die einzige religiöse Phrase der Bätzing-Veranstaltung das Zitat einer "wunderbaren Botschaft von der Freiheit in Christus" gewesen ist. Mit dieser Floskel wurde ein Fragesteller bedient, der das Stichwort "Säkularismus" in den Raum geworfen hatte. Pressechef Kopp, ein ebenso hochbegabter wie hochgewachsener Mann, transportiert geflissentlich auch solche Anfragen. Aber man versteht sich. Wer uneinsichtig religiös nachfragt, der hat zumindest einen sanften Kinnhaken verdient.

Die wunderbare Botschaft von der Freiheit in Christus muss selbstverständlich inmitten der Realität von heute übermittelt werden. Bätzing sagt richtige Sätze, kommt aber nicht zum Schluss: Denn dieser Ansatz kann nicht bedeuten, der Welt draußen nichts zu verkünden, was über das hinausgeht, was sie sowieso schon zu wissen meint. Allzuoft ist die Parole von der "Freiheit in Christus" nur noch eine Kampfansage an ehrliche, fromme Menschen, die an der Heilsnotwendigkeit der Kirche und ihrer Disziplin festhalten (vgl. Lumen Gentium 14). Wer als Bischof behauptet, er sei "in Christus" frei dazu, auch jedem Protestanten das Altarssakrament austeilen zu sollen und er werde niemals einschreiten, wenn ein Priester seiner Diözese so agiert, der legt diese Freiheit extrem weit aus. Die einstmals heilige Kommunion als Häppchen für zwischendurch? Eines der anspruchslosesten Bücher der letzten 200 Jahre zum Stichwort "Freiheit" hat übrigens Reinhard Marx publizieren lassen. Lenin war für Marx, was jetzt auch Bätzing für Marx ist: Er organisiert die Revolution, die der rote Prophet nur grob skizziert hatte. Um keine Missverständnisse zu provozieren: Auf politischer Ebene war Kardinal Marx, anders als Karl Marx, aber darin dem Reichskanzler Marx ähnlich, ein recht rabiater "Zentrumsmann". Im damals noch schwarzen Erzbistum Paderborn konnte er sich bewegen, also noch einigermaßen bewegen, wie der Hecht im Karpfenteich – oder zumindest wie der Karpfen im Goldfischteich. Vielleicht ist Bätzing "politisch" eher ein Nichtschwimmer? Oder doch ein heimlicher Sozialdemokrat? Ein Linker? Man weiß es nicht. Es ist auch relativ unwichtig. Als der Vorsitzende jedoch in die spitzbübischen Worte ausbrach: "Ich erzähle Ihnen eine Geschichte ...", da kam er mit der Anekdote von einem E-Mail-Absender, der seinem Bischof eröffnet hatte, er trete aus der Kirche aus, weil sie ihm nicht "mystisch" genug sei. Bätzing hat durchaus lichte Momente: Es ist ja richtig, dass die Bischöfe die Kirche nicht an die Wünsche der Austreter*innen anpassen können; und jedem alles versprechen, nur um bei den Leuten sympathisch zu bleiben. Dann kam aber die wegwerfende Handbewegung, die nie fehlen darf: Dieser Wunsch nach "mehr Mystik" komme keinesfalls von jemandem, der "rechtskonservativ" geprägt ist, sollte heißen: Das war ein vernünftiger Mann, keiner von diesen armseligen Irren, die "uns Bischöfen" in die Suppe spucken.

Wie lange noch wollen denn Bischöfe dieses nichtsnutzige Spiel treiben, die ihnen lästige (gar nicht so "rechte") Vergangenheit der Kirche am Beispiel der wenigen "rechten Recken" abzuurteilen, die es "noch" gibt? Die Kirche kann ihr Selbstverständnis nicht "auf links" drehen, nur um heute genauso zu gefallen wie zu Zeiten der Monarchie den Monarchen und zu Zeiten der Diktatur den Diktatoren. Dahinter steckt ein falscher Anspruch; und ein Irrtum, den man nicht "tragisch" nennen sollte, weil er aus Kalkül vielleicht bewusst riskiert wird. Wer an der Heilsnotwendigkeit der Kirche festhält, am Jurisdiktionsprimat des Papstes, am Zölibat der Priester, an der Ständeordnung der Kirche, überdies, noch wichtiger, am Christusdogma, an der Marienverehrung, den Heiligen, dem Katechismus und dem Kirchenrecht, der steht nicht "rechts" im Sinne der linken oder rechten Fraktionen im Parlament. Im innerkirchlichen Nichtdialog deutscher Querelen wird so ein Mensch als rechtslastig abgestempelt, nur um seine Argumente schon vorab auszusondern, sogar dann, wenn er gleichzeitig Kapitalismuskritik übt und Abrüstung fordert. Der falsche Anspruch, katholischen Laien im Detail bestimmte politische Meinungen auferlegen zu wollen, überstrapaziert das bischöfliche "Lehramt", das allzuoft zugleich zum religiös Wesentlichen schweigt. Es hat progressive Katholiken gegeben, die auch in Deutschland im Namen des Evangeliums die Gesellschaft "verändern" wollten. Nur zu! Das hat aber die Gesellschaft – je länger, je mehr – ziemlich kalt gelassen. Der Weltauftrag der Kirche kann nämlich nur im Zusammenhang mit der unverkürzten Glaubensverkündigung, der authentischen Liturgie und einer beherzten Caritas sinnvoll wahrgenommen werden. Wessen Religiosität nicht darüber hinaus geht, sich im Geiste neben Dutschke zu platzieren und einem toten Terroristen zuzurufen: "Holger, der Kampf geht weiter", der trägt nichts zur Evangelisierung bei - und will es auch nicht. Der immer berechtigte konservative Einwand gegen das Verändernwollen lautet ja: Wer verändern will, der muss verbessern können. Denn was nützt eine Veränderung (z.B. die "Ehe für alle"), die nichts verbessern kann auf Erden? Der Einfluss katholischer Kreise auf die deutsche Politik sinkt seit 1990, speziell auch der Einfluss "gemäßigter" Katholiken, die von Angela Merkel noch geduldet wurden. Ein Laschet allein macht da keinen Sommer. Aber selbst diese Zeichen der Zeit führen bei den Bischöfen keine Besinnung herbei. "Wir Bischöfe bleiben auf Kurs!" Es soll "Veränderungen" in der Kirche geben, gerade weil man "die Welt" nicht besonders nachhaltig verändern konnte? Aus leidenschaftlicher Liebe zur Welt sind viele Christen, speziell auch Laien, in ihrem Lebensalltag, auch schon "vorkonziliar", auch schon im Mittelalter, man denke an den hl. Franziskus, dafür unterwegs gewesen, diese Welt zu heiligen, sie in einem "Partisanenkampf" der Liebe – von Haus zu Haus – hier oder dort etwas näher an das Reich Gottes heranzurücken, das in der Wahrheit Christi tatsächlich schon unter uns "weilt"; aber das ist die alte Kirche, die das leistet, die Kirche Christi, keine Struktur nach unserem Willen und unserer Vorstellung. Der "neue Kurs" hingegen mündet schon längst ein in eine Christenverfolgung inmitten der Kirche.

Die deutschen Bischöfe aber begnügen sich wieder einmal mit Symbolpolitik. Die zukünftige DBK-Generalsekretärin Dr. Beate Gilles ist wahrscheinlich eine kompetente Persönlichkeit. Vielleicht macht sie den Job sogar besser als ihr langjähriger Vorgänger, dem ein erheblicher Einfluss auf den "Kurs" seiner Bischöfe nachgesagt wurde. Aber was soll diese Innovation in Zeiten, in denen die "Zweinullerinnen" die deutsche Kirche mit grotesken Thesen konfrontieren, denn noch bezwecken? Die Hysterie der gar nicht so gutkatholischen Frauen hat ein Ausmaß angenommen, das doch mit irgendwelchen "Konzessionen" gar nicht mehr zu therapieren ist. Hier fehlt der Mut zur glasklaren Absage: In der Kirche Gottes ist die Frauenordination nicht vorgesehen. Die Kirche lehrt die unauflösliche Ehe von einem Mann mit einer Frau, offen für die Weitergabe des Lebens. Andere Lebensweisen können in der "offenen Gesellschaft" toleriert werden, nicht aber kirchlich gutgeheißen. Gott sei Dank wird niemals der Tag kommen, an dem ein katholischer Jugendverbandsvorsitzender seinen Präses "ehelichen" wird. Und keine feministische Co-Vorsitzende wird als Leihmutter "deren Kind" zur Welt bringen. Das ist weniger eine Frage der öffentlichen Moral als eine bleibende Frucht der Botschaft Christi: Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.

Wenn einem deutschen Bischof in einer Privatoffenbarung der heilige Papst Gregor erscheinen würde und ihm nahelegen, in seinem Priesterseminar doch bitte die "alte Messe" erlernen zu lassen: Würde er das tun? Nein. Er hätte Angst vor seinen Mitbrüdern im Bischofsamt und vielleicht noch mehr Angst vor seinen ungezählten Mitarbeitern, die sich sofort in sprungbereiter Feindseligkeit als Quertreiber erweisen würden, mehr noch als sowieso schon: als revolutionäre Quertreiber. Was also soll ein gemäßigt-nostalgischer Katholik heute von der Autorität göttlichen Rechts glauben, die dem Bischof unserer Konfession nach überantwortet war? Ausgeübt wird diese vorzugsweise durch bemühtes, sogar fleißiges Unterlassen – in Garantenstellung. Hauptsache man nennt es: "Kurs halten!" Abwärts, dem Nirwana entgegen. Oder etwa doch nicht? Nirwana? Das war doch des erlauchten Buddha wunderbare Botschaft von der Freiheit ... Egal. Ist ja ungefähr dasselbe: Ubi spiritus Buddhi – ibi libertas.

Foto: Symbolbild

 


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