Christus beruft sich auf das Herz

27. Februar 2021 in Familie


Die Theologie des Leibes als Blog - Von C. Klaus - Siebter Blog-Beitrag


Wien (kath.net)

Eine Schlüsselbedeutung für die Theologie des Leibes hat die Aussage Jesu in der Bergpredigt: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage: Wer eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen“ (Mt 5,27-28). Denn Christus beruft sich auf das Herz, nicht nur auf die sichtbaren Taten, die scheinbar das Gesetz erfüllen. Das Moralgesetz der Zehn Gebote des Alten Testamentes, zu dem auch das Verbot des Ehebruchs gehört,  muss im Herzen ankommen und das Herz verändern. In der 25. Katechese sagte Johannes Paul II.: „Das Herz ist jene Dimension des Menschseins, mit der das Empfinden für den Sinn des menschlichen Körpers und die Ordnung dieses Empfindens direkt verbunden sind.“ Jesus spricht von der Begehrlichkeit, die eine innere Haltung des Herzens zeigt, aber noch nicht in eine äußere Handlung umgesetzt wurde. Durch die Art, wie ein Mann eine Frau ansieht, wird seine innere Haltung enthüllt. Der Blick drückt also das aus, was im Herzen ist.

Durch den Sündenfall kam es zu einem Riss in der ursprünglichen Einheit zwischen Körper und Seele. Denn das Begehren des Fleisches richtet sich gegen den Geist (vgl. Gal 5,17). Die Begehrlichkeit erzeugt eine Unruhe des Gewissens. Gleichzeitig ist die Einheit des Menschen als Person bedroht, weil der Körper nicht mehr vollkommen dem Geist unterworfen ist. Die Begehrlichkeit beschränkt die innere Freiheit und den Ausdruck des Geistes im Körper. Sie strebt ein Herrschafts- und Besitzverhältnis an. Dadurch kommt es zum Gebrauch des Leibes und der Beurteilung nach seinem Nutzen. Als Folge wird die gegenseitige selbstlose Hingabe zerstört.

Bei Jesus Sirach wird die leidenschaftliche Begehrlichkeit beschrieben, die den Menschen verzehrt wie ein unstillbares Feuer. Ihre Befriedigung bringt keinen inneren Frieden, weil das Feuer dadurch nicht zum Erlöschen gebracht wird. Die Begehrlichkeit versetzt den Menschen in eine ständige Unruhe. „Wenn der innere Mensch zum Schweigen gebracht worden ist, äußert sich die Leidenschaft, die nun sozusagen Handlungsfreiheit erlangt hat, als anhaltende Neigung, Fleisch und Sinne zu befriedigen“, sagte Johannes Paul II. in der 39. Katechese. Die Stimme des Gewissens und das Verantwortungsgefühl gegenüber Gott werden im „Herzen“ unterdrückt. Wie eine Sucht beherrscht die Begehrlichkeit das „Herz“ des Menschen, der zu ihrer Beute geworden ist.

Die gegenseitige körperliche Anziehung zwischen einem Mann und einer Frau ist den Menschen vom Schöpfer geschenkt, damit sie ihre wahre Berufung der gegenseitigen Hingabe leben. Daher ist diese Anziehung das Gegenteil von einer Einladung zur Begehrlichkeit. Auch das „sexuelle Bedürfnis“ darf nicht mit der Begehrlichkeit verwechselt werden. Denn das „sexuelle Bedürfnis“ gehört zu der Natur des Menschen, weil er zur Personengemeinschaft und zur Fortpflanzung berufen ist. Zur Personengemeinschaft von Eheleuten gehört auch die Sexualität als Ausdruck der Liebe und der Einheit von Mann und Frau. Die Begehrlichkeit reduziert jedoch die Sexualität auf eine reine Bedürfnisbefriedigung.

Christus will das Gesetz nicht aufheben, sondern erfüllen (vgl. Mt 5,17). Sein neues Ethos zeigt aber, dass es sich im Herzen „erfüllen“ muss. Dies geschieht durch die Reinheit des Herzens. Das Herz muss von dem Zwang der Begehrlichkeit befreit werden. Dann hat der Mensch wieder die Freiheit, um sich selbst dem anderen zu schenken. Darin besteht die „Erlösung des Leibes“. 


© 2021 www.kath.net