Jahreswende als Chance für inhaltliche Neuorientierung

15. Jänner 2021 in Kommentar


„Wir diskutieren darüber, ob Gott als Mensch oder Mann zur Welt gekommen ist, belegen das Wort Christus mit einem Genderstern und verbannen von den drei Königen einen aus unseren Krippen…“ Gastbeitrag von Ministerpräsident a.D. Werner Münch


Bonn (kath.net) Wenn man nach all den Feier- und Festtagen vom Heiligen Abend bis zu Epiphanie den aktuellen Stand der religiösen Praxis und der verbreiteten Stellungnahmen von Bischöfen zu wichtigen Fragen von Kirche, Politik und Gesellschaft passieren lässt, dann ist man irritiert wegen der Heterogenität und Orientierungslosigkeit. Hierzu einige Beispiele:

-    Schon vor Weihnachten wurde gefordert, einen der drei Könige, die sich zur Anbetung des Mensch gewordenen Gottessohnes nach Bethlehem aufgemacht hatten, nämlich den schwarzen Balthasar, aus der Krippe und auch aus der Gruppe der Sternsinger zu entfernen, weil ein „schwarzer“ König ein Beweis für Rassismus sei.

-    Bei den Weihnachtsgottesdiensten außerhalb Bayerns ist interessant, wer sich – beispielhaft – von außen und innerhalb unserer Kirche für oder gegen Gottesdienste ausgesprochen hat.:
Von außerhalb hat sich der gerade nicht als konservativ geltende Journalist Heribert Prantl für öffentliche Gottesdienste ausgesprochen und diese Auffassung gleichzeitig mit der Kritik verbunden, dass die Katholische Kirche in der Pandemie „kleinmütig und angepasst“ gewirkt habe.

-    Innerhalb unserer Kirchen
+ haben in Mecklenburg-Vorpommern Pfarreien trotz staatlicher Erlaubnis kurz vor Heiligabend Gottesdienste bis Anfang Januar abgesagt und auf digitale und Rundfunk – Alternativen verwiesen.
+ Das Bistum Speyer hat ein Verbot aller Gottesdienste nach Weihnachten bis zum 10. Januar ausgesprochen.
+ Besonders hervorgetan hat sich wieder einmal der Hildesheimer Bischof Wilmer. Er hat Heiligabend die Christmette zusammen mit dem evangelischen Landesbischof Meister von Niedersachsen in einer von Fußballfans geliebten Kneipe in Hannover gefeiert. Thema des Gottesdienstes war: „Die kleine Kneipe in unserer Straße“. Kurz vorher hatte er noch in einem NDR-Interview die zahlreichen Schließungen katholischer Kirchen in der ersten Pandemie-Welle im Frühjahr 2020 kritisiert und dafür plädiert, jetzt die Kirchen offen zu halten. Ging er deshalb in eine Kneipe? Seine Absicht, jetzt ein „neues Beratungsgremium“ für sich zu errichten, halten wir für dringend erforderlich.
+ Und schließlich sprachen in der Christmette in einer Wallfahrtskirche der Diözese Würzburg ein Priester und eine Pastoralreferentin abwechselnd am Altar das Hochgebet, von dem einige Textteile von der Pastoralreferentin neu entworfen waren.
+ Als positives Beispiel sei ausdrücklich die Seelsorgeeinheit Freiburg-Mitte mit dem Münster und drei weiteren Kirchen erwähnt, denn in diesen vier Kirchen fanden am Hl. Abend, am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag sowie an Silvester und Neujahr, also an 5 Tagen 37 Hl. Messen statt.
+ Auch die umfänglichen Aktionen der Sternsinger in der Diözese Regensburg haben zu Recht öffentliches Lob unserer Regierung und aus dem Vatikan vom Papst persönlich erfahren.

-    Die „offizielle Amtskirche“ nutzte diese Zeit erneut zum Werben für ihre Ziele des synodalen Weges.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, Diözese Limburg, wünschte sich wesentliche Änderungen des katholischen Katechismus und forciert weiterhin die Weihe von Frauen zu Diakonat und Priestertum. Kardinal Brandmüller antwortete mit einer scharfen Rüge, indem er auf die Bischofsweihe verwies, in der alle Bischöfe ihre Treue zur Lehre und Ordnung der Kirche mit einem Eid bekräftigt hätten. Darüber hinaus sprach sich Bischof Bätzing für Segnungen von wiederverheirateten Geschiedenen und homosexuellen Paaren aus, „möglicherweise auch ohne Anerkennung Roms“, und verwies mit einer Würdigung von „50 Jahre Würzburger Synode“ und ihrer Aufbruchsstimmung auf die Notwendigkeit einer erfolgreichen Fortführung des synodalen Weges. Der bekannte Journalist Peter Hahne verwies in einem Interview darauf, dass dieser Weg die katholische Kirche in den Protestantismus führt.
-    Und nicht zum ersten Mal forderte der Vorsitzende der Ökumene-Kommission der DBK, Bischof Gerhard Feige aus Magdeburg, weiterhin eine offene Diskussion über die gemeinsame Eucharistie von Katholiken und Protestanten, die dringend kommen müsse.

Bilanzieren wir anhand dieser wenigen Beispiele die Situation unserer Kirche um die Jahreswende 2020/2021, dann kommen wir zu folgendem Ergebnis:
-    Sie hat in der Pandemie weitgehend versagt, weil sie untergetaucht ist und nicht mehr als „systemrelevant“ gilt; natürlich gibt es hierbei lobenswerte Ausnahmen.
-    Die Festlegung von öffentlichen Gottesdiensten erfolgte teilweise eingeschränkter als nach den staatlichen Anweisungen erforderlich.
-    Die Ziele des synodalen Weges werden ohne einen sorgfältigen Blick auf Rom und auf die Gläubigen zu Hause, die anderer Meinung sind als die Leitung und die von ihr bestellte Mehrheit, einseitig und kompromisslos vorangetrieben in einer kritischen Zeit, in der es andere Sorgen der Menschen gibt und die deshalb wichtigere Schwerpunkte verlangt.
-    Der „Tag der unschuldigen Kinder“ am 28. Dezember blieb ohne einen vernehmbaren öffentlichen Aufruf gegen Folter, Kinderarbeit, sexuellen Missbrauch und für den Schutz des ungeborenen Kindes.
-    Stattdessen fühlte sich die Kirche verpflichtet,
+ sich zur Erstürmung des Kapitols in Washington und
+ zur Impfpflicht des Bürgers („als Nächstenliebe‘“ zu äußern.

Birgit Kelle wirft in einem Leitartikel der „JF“ zu Recht den Bischöfen vor, dass sie den Verzicht von Gottesdiensten zur „Bürgerpflicht“ erklären, und anstatt den Menschen in einer Zeit von „Unsicherheit, Todes- und Existenzängsten“ beizustehen, seien sie „in Angststarre verfallen“.

Stattdessen diskutieren wir innerkirchlich darüber, ob Gott als Mensch oder Mann zur Welt gekommen ist, belegen das Wort Christus mit einem Genderstern und verbannen von den drei Königen einen aus unseren Krippen, weil er mit schwarzer Hautfarbe durch die Kirchengeschichte gegangen ist.

Ich wünsche mir, dass sich die Kirche im Jahr 2021 auf ihre umfänglichen theologischen und innerkirchlichen Aufgaben beschränkt und sich im gesellschaftspolitischen Raum auf die wesentlichen Fragen konzentriert:
-    Eine Auseinandersetzung mit dem Islam, die sich an der Realität orientiert.
-    Eine Beteiligung an der Diskussion über die Klimapolitik, bei der sie auf die Gefahr hinweist, dass diese sich zum Religionsersatz aufschwingt.
-    Dass die Kirche sich den Methoden und Zielen der „Cancel Culture“ entgegenstellt, weil sich diese neue Strategie nämlich nicht nur gegen die westliche Gesellschaftsordnung stellt, sondern auch gegen unsere Religion und Kirche kämpft. Deren „Moralisierung als Methode der Exklusion“ (s. hierzu vor allem beiträge des Historikers Andreas Rödder von der Universität Mainz) ist durch Beispiele vielfach belegbar und hochgefährlich.

Prof. Dr. Werner Münch
Ministerpräsident a.D., Mitglied im Kuratorium des „Forums Deutscher Katholiken“

 


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