Schwarz kündigt Seligsprechungsprozess für Leopold Figl an

22. Dezember 2020 in Österreich


St. Pöltner Bischof hat bereits Vorbereitungsarbeiten in Auftrag gegeben - Erster Bundeskanzler der Zweiten Republik und späterer Außenminister war tiefgläubiger Katholik


St. Pölten (kath.net/KAP) Der St. Pöltner Bischof Alois Schwarz wird einen Seligsprechungsprozess für Leopold Figl einleiten. Das hat er in einem Interview für den niederösterreichischen Privatsender P3tv angekündigt und am Dienstag gegenüber Kathpress bestätigt.  Demnach sind auch schon erste Vorbereitungsarbeiten im Gang. "Leopold Figl ist für mich ein Politiker - je mehr ich mich da hineinvertiefe in diese Gestalt - umso innerlich sicherer werde ich: Wir müssen und sollten hier einen Seligsprechungsprozess einleiten", so Schwarz wörtlich.

Als Gründe für diesen Schritt führte Schwarz die versöhnliche Persönlichkeit des christlichsozialen Politikers an, und deutet im P3tv-Interview auch ein Martyrium Figls an, der im Jahr 1965 an den Spätfolgen der Misshandlungen im Konzentrationslager gestorben ist: "Der Mann hat so viel Hoffnung gebracht. ... Er war nie nachtragend. Und hat im KZ Schläge erhalten, die ihm eigentlich das Leben gekostet haben."

Figl sei ein Politiker gewesen, der weit über die ideologischen Grenzen hinweg Brücken gebaut habe, so Schwarz: "Ende des Krieges ging Leopold Figl von der Schenkenstraße hinüber zum Parlament. Auf einer Seite hat sich einer eingehängt, das war ein Kommunist. Auf der anderen Seite hat sich jemand eingehängt, das war ein Sozialist. Und die drei sind - mit Leopold Figl in der Mitte - zum Parlament gegangen. So hat Österreich 1945 wieder angefangen Hoffnung zu schöpfen. Oder wenn ich an seine Weihnachtsansprache denke - unvergessen. Der Mann hat so viel Hoffnung gebracht."

 Kirchliches Untersuchungsverfahren

Die Vorbereitung zur Einleitung des Seligsprechungsprozesses sei bereits im Gange, ein Priester sammle derzeit alle nötigen Informationen, so Schwarz: "Ich habe auch schon einen Priester gefunden, den ich gebeten habe, er möge sich da kundig machen."

Zur Frage, wie lange der Seligsprechungsprozess für Leopold Figl dauern könnte, wollte sich Bischof Schwarz nicht festlegen: "Das hängt davon ab, wie schnell uns Leopold Figl das eine oder andere Wunder schenkt im Seligsprechungsprozess." Der Bischof deutet aber an, dass es bereits Menschen gäbe, denen Figl Kraft in schwierigen Situationen gegeben habe.

Bei der Seligsprechung oder Beatifikation stellt die katholische Kirche durch das Urteil des Papstes fest, dass eine verstorbene Person vorbildlich aus dem Glauben gelebt hat und Christus in besonderer Weise nachgefolgt ist. Daraus ergibt sich die offizielle Empfehlung, diesen Mensch als Vorbild und als Fürsprecher bei Gott anzunehmen. Mit der Seligsprechung wird erlaubt, dass der Seliggesprochene in einer bestimmten Region öffentlich verehrt werden darf.

Der Seligsprechung geht ein kirchliches Untersuchungsverfahren ("Seligsprechungsprozess") voraus, in dem das Leben des Verstorbenen geprüft wird. Dazu muss die jeweilige Ortskirche Informationen über Leben und Sterben der betreffenden Person sammeln und ein Wunder oder den Märtyrertod sowie Tugendhaftigkeit und den "Ruf der Heiligkeit" nachweisen.

Nach Abschluss dieses diözesanen Seligsprechungsverfahrens werden die Akten der vatikanischen Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen zugeleitet. Diese prüft in einem eigenen Verfahren die Echtheit der Dokumente und Zeugenaussagen und holt gegebenenfalls Gutachten über Wunder ein. Die Kongregation legt ihre Ergebnisse dem Papst vor, dem letztlich die Entscheidung für eine Seligsprechung obliegt.

Katholik und Politiker

Österreich gedachte 2020 des Weltkriegsendes und der Befreiung vor 75 Jahren. Diese Zeit und die ersten beiden Jahrzehnte der Zweiten Republik sind dabei untrennbar mit der Person Leopold Figls (1902-65) verbunden. Die Befreiung Wiens durch die Rote Armee im April 1945 rettete Figl von der bereits von den Nazis geplanten Exekution. 20 Jahre später und fast auf den Tag genau zehn Jahre nach Unterzeichnung des Staatsvertrags verstarb der große österreichische Staatsmann am 9. Mai 1965.

Der christlichsoziale Politiker wurde als prominenter Funktionär des Ständestaates schon am 12. März 1938 verhaftet und mit dem sogenannten Prominententransport vom 1. April 1938 in das KZ Dachau gebracht. Nach fünf Jahren im KZ wurde Figl am 8. Mai 1943 entlassen, aber schon ein Jahr später schien sein Leben besiegelt: Er wurde am 8. Oktober 1944 neuerlich verhaftet und ins KZ Mauthausen verbracht. Angeklagt des Hochverrats war seine Hinrichtung beschlossene Sache und nur mehr eine Frage der Zeit. Allein dem raschen Vorrücken der Roten Armee war es zu verdanken, dass Figl am 6. April 1945 aus dem Wiener Landesgericht entlassen wurde.

Bereits wenige Tage später wurde Figl zum Mitbegründer der ÖVP und war dann ab 27. April 1945 als Staatssekretär Mitglied der provisorischen Staatsregierung unter Karl Renner. Am 20. Dezember 1945 wurde Figl schließlich zum ersten Bundeskanzler der Zweiten Republik gewählt. In diesem Amt und dann ab 1953 als Außenminister war sein politisches Hauptziel die Wiedererlangung der vollen Freiheit und Souveränität des von den Alliierten besetzten Österreichs.

In diesen Jahren war Figl schon unter den frühen Mitgliedern des Rosenkranz-Sühnekreuzugs, einer vom Franziskanerpater Petrus Pavlicek 1947 gegründeten Gebetsbewegung. Figl war zeitlebens davon überzeugt, dass die Freiheit Österreichs nicht nur durch politisches Geschick, sondern auch durch das Gebet erreicht werden könne. Zeugnis davon sind die Bilder von marianischen Lichterprozessionen über die Wiener Ringstraße mit hunderttausenden Teilnehmern und Bundeskanzler Julius Raab sowie Außenminister Leopold Figl an der Spitze. Zehn Jahre nach Kriegsende konnte Figl nach Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai 1955 die lang ersehnten Worte sprechen: "Österreich ist frei."

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