Ethikerin Susanne Kummer: Sterbehilfezahlen in der Schweiz sind "erschreckend"

19. Dezember 2020 in Prolife


Schweizer Statistik: Zahl der Beihilfe zum Suizid bei Schweizern hat sich seit 2010 verdreifacht - Grenzen zwischen Selbstbestimmung, Druck von außen und Verleitung sind fließend


Wien (kath.net/Institut für Ehe und Familie (IEF) der Österreichischen Bischofskonferenz) Die Zahl der assistierten Suizide mit 1.176 Fällen hat sich in der Schweiz im Jahr 2018 gegenüber dem Jahr 2010 mehr als verdreifacht. Das geht aus den aktuellen Daten des Schweizer Statistischen Bundesamts hervor (Pressemitteilung, 14.12.2020). Im Vergleich zum Vorjahr betrug der Anstieg 17 Prozent. Die Zahlen betreffen ausschließlich Personen, die in der Schweiz wohnhaft sind. Damit macht "Selbsttötung mit Hilfe von Dritten" als Todesursache im Jahr 2018 bereits 1,8% aller Todesfälle in der Schweiz aus. Die Zahl der Ausländer, die im Zuge des sog. "Sterbehilfe-Tourismus" in die Schweiz fahren, um sich mittels Suizid-Hilfe-Vereinen das Leben zu nehmen, sind darin noch nicht enthalten.

"Die Zahlen aus der Schweiz sind erschreckend: Wir sehen, dass sich in nur acht Jahren die Fälle von Selbsttötungen in Kooperation mit Suizid-Hilfe-Vereinen beinahe verdreifacht haben", sagt Ethikerin Susanne Kummer. Während die Zahl der Suizide seit 2010 mit rund 1.000 Fällen weitgehend konstant geblieben sind, kommen mit der Beihilfe zur Selbsttötung noch weitere 1.000 Suizide hinzu. "Leider bestätigt sich: Wo Beihilfe zum Suizid erlaubt wird, kommt es zu einer Vervielfachung. Suizid ist 'ansteckend', alleine in der Schweiz sehen wir dadurch eine Verdopplung der Suizid-Fälle."

Angesichts der Aufhebung des bisher geltenden Verbots in Österreich der "Beihilfe am Selbstmord"  durch den Verfassungsgerichtshofs stellen derartige Entwicklungen eine besondere Herausforderung für den Gesetzgeber dar. Jemand anderen zur Selbsttötung zu verleiten, bleibt strafbar (erster Tatbestand des § 78 StGB). Unter welchen Bedinungen "Beihilfe zum Suizid" in Österreich künftig erlaubt sein soll, ist noch offen. Entsprechende Regelungen und Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch sollen innerhalb eines Jahres erlassen werden. Die Aufhebung der Beihilfe zum Suizid tritt mit 1. Jänner 2022 in Kraft.

Eine US-Studie hatte bereits 2015 gezeigt, dass durch die Legalisierung der Beihilfe zur Selbsttötung die Suizidrate insgesamt ansteigt. Frauen sind gefährdeter als Männer, Menschen mit Krebs oder Multi-Morbiditäten ab 65 Jahren gefährdeter als Jüngere. In der Schweiz zählen auch Menschen mit Demenz und Depression zu den Suizidopfern. Soziale Isolation und Einsamkeit sind bekannt als Risikofaktoren für Suizide.

"In der Schweiz wächst der Druck auf Altersheime und Krankenhäuser, ihre Tore auch für sogenannte Suizidhelfer zu öffnen", sagt Kummer. Die Grenzen zwischen dem Recht auf freie Selbstbestimmung, Druck von außen und Verleitung seien jedenfalls fließend. Im Kanton Tessin hatte sich 2016 das Parlament klar ausgesprochen: Es gebe kein Recht auf Suizidhilfe in Gesundheitseinrichtungen, entschied die Mehrheit der Abgeordneten.

Die größte und mit Abstand bekannteste Verein in der Schweiz ist der 1982 gegründete Verein Exit mit mehr als 100.000 Mitgliedern. Exit richtet sich nur an Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Die zweite große Organisation ist Dignitas, die auch Ausländer als Mitglieder hat. Dignitas hatte unmittelbar nach der Aufhebung des Verbots einer geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe angekündigt, ab nun seine Dienste für zahlende Mitglieder auch in Deutschland anzubieten.


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