5. April 2004 in Aktuelles
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller empfiehlt erneut den Gibson-Film "The Passion of the Christ": "Ich bin nicht enttäuscht, sondern bereichert aus dem Film herausgekommen."
Deutschland (www.kath.net) Ich war sehr beeindruckt von dem, was gezeigt worden ist. So war die erste Reaktion des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller, nachdem er den Film Die Passion Christi gesehen hatte. Mir geht es bei dem Film natürlich um Jesus, erklärte der Bischof in einem von optinews.de veröffentlichten Interview. Von der Passion wissen wir nach den vier Evangelien das Entscheidende. Und es ist sicher eindrücklich und tief bewegend, wenn einem so plastisch vor Augen gestellt wird, wie Jesus für uns Menschen gelitten hat. Welche Liebe muss jemanden bewegen, dass er so etwas auf sich nimmt.
Der Bischof zeigte sich vor dem Film eher skeptisch gegenüber den Gewaltszenen: Doch nachdem meine Mitarbeiter diese gestreuten Vorurteile eben nicht bestätigt haben, habe ich mich entschlossen, den Film doch anzuschauen. Ich habe viele maßgebliche Persönlichkeiten im kirchlichen und kulturellen Leben von Regensburg dazu gebeten. Und ich muss sagen, ich bin nicht enttäuscht, sondern im Gegenteil bereichert aus dem Film herausgekommen.
Empfehlung für Oberstufen-Schüler
Auf die Frage, ob er Lehrern empfehlen würde, mit Schülern den Film anzusehen, meinte der Bischof im optinews-Interview: Nach einer guten Vorbereitung mit Hilfe der Passionsgeschichte in der Heiligen Schrift würde ich Lehrern durchaus empfehlen, den Film mit Oberstufen-Schülern anzuschauen. Natürlich auf freiwilliger Basis.
Die Passion Christi stößt in Deutschland auch auf reservierte Haltungen der evangelischen und katholischen Kirche. Bischof Müller erklärte diesen Sachverhalt damit, dass die Kirchen als solche zu so einem Film keine dogmatische, also lehrmäßige Stellung nehmen. Das könnte sie höchstens, wenn in ihm der Glaube verfälscht würde oder historische Tatsachen verdreht würden. Zum Beispiel durch die blödsinnige Behauptung, dass Jesus ein Verhältnis zu Maria Magdalena gehabt hätte. Mit filmischen Mitteln kann ja sehr auf die Einbildungskraft der Menschen eingewirkt werden. Wenn ein falsches Bild erzeugt würde, dann muss die Kirche als Ganzes zu den historischen und glaubensrelevanten Wahrheiten verbindlich Stellung nehmen.
Stellungnahmen von kirchlichen Repräsentanten sind subjektiv und nicht normativ
Den Einfluss der Kirchen auf die Entscheidung der Christen in Deutschland bezüglich des Films erklärt der Bischof folgendermaßen: Die Kirche und die Christen sind nicht zwei verschiedene Realitäten, denn die Kirche besteht aus den gläubigen Christen. Es ist nur die Frage wie sich kirchliche Autoritäten sich zu einem Film oder einem Theaterstück äußern. In diesem Falle handelt es sich um subjektive Stellungnahmen von kirchlichen Repräsentanten, die für die Meinungsbildung der einzelnen Christen vielleicht hilfreich sein könne, aber keinesfalls normativ sein wollen.
Der Bischof orientiert seine Glaubensansicht und persönliche Vorstellung von Christus und der Passion an den Evangelien. Der Film geht den historisch ausgewiesenen Stationen nach: vom Geschehen am Ölberg über die Verhaftung, die Verurteilung und Geißelung, über den Kreuzweg hin zur Kreuzigung. Wie auch bei den Evangelien wird das Geschehen durch Zitate aus dem Alten Testament erhellt. So bringt auch der Film durch die eingeblendeten Schriftzitate oder Worte Jesu den theologischen und spirituellen Tiefgang der Passion Christi ans Licht.
Gibson beruft sich neben den Evangelien auch auf die Visionen der Mystikerin Anna Katharina Emmerich. Bischof Müller meint hierzu, dass ohne eine mystische Empfindung, eine tiefe Liebe zu Jesus, die biblischen Quellen überhaupt nicht erschlossen werden können. Die Evangelien wollen nicht die neutrale distanzierte Wiedergabe eines Geschehens sein. Sie sind auch keine Art Gerichtsprotokoll. Sie wollen vielmehr auf der Grundlage historischer Tatsachen die Menschen hinführen zum Mysterium, zum Geheimnis des Leides und Todes und der Auferstehung Jesu Christi in dem die Liebe Gottes für immer offenbar geworden ist.
Film ruft Abscheu vor der Gewaltausübung hervor
Ein einfaches Ja gibt Bischof Müller als Antwort auf die Frage, ob der Film dazu beitragen kann, die Person Jesus Christus den Menschen näher zu bringen.Überzeugt ist der Hirte auch, dass der Film nichts mit Gewaltverherrlichung zu tun hat. Im Gegenteil: Er ruft ja in jedem anständig gesinnten Menschen Abscheu vor der Gewaltausübung gegen Unschuldige hervor!
Auch zum Vorwurf des Antisemitismus nahm Müller Stellung: Dieser Vorwurf wird von außen an den Film herangetragen. Er kann keineswegs aus ihm entnommen werden. Es werden keine Ressentiments geschürt gegen die Juden von damals und heute. Wer an Jesus Christus als Messias glaubt, also Christ ist, sieht in den Juden seine Brüder und Schwerstern, mit denen er in der gesamten Heilsgeschichte, von der Schöpfung an bis zum Bundesschluss Gottes mit Israel und bis hin zu den Propheten Israels, zutiefst verbunden ist.
Es wird deutlich, dass Jesus nicht nur zum Schein gelitten hat
Der Bischof über die Notwendigkeit von Christusdarstellungen in den Kommunikationsmedien: Über die Notwendigkeit lässt sich streiten. Der eigentliche Weg zu Christus führt über die Verkündigung und über die sakramentalen Feiern der Kirche. Aber seit jeher haben wir auch die Vergegenwärtigung Christi in der subjektiven Vorstellungskraft, über die Bilder christlicher Kunst, das religiöse Theaterspiel oder auch über die modernen Medien wie den Film für gut geheißen. Es werde deutlich, dass Jesus nicht nur zum Schein gelitten hat, wie die Irrlehre des Doketismus es behauptet. Dort wird die Gottheit in Christus so überbetont, dass das Leiden nur ein Randereignis ist, dass das Leiden vom Glanz der Gottheit überlagert wird.
Die Authentizität von Gibsons Films ist für Bischof Müller wichtig: Im Wesentlichen gibt er die historische Abfolge getreu wieder, wie wir sie aus den Evangelien kennen. Die dargestellten Charaktere der Henkersknechte, der Folterer, der zwielichtigen Personen Herodes und Pilatus und der leicht zu verhetzenden Volksmenge gab es nicht nur in der damaligen Zeit. In jedem von uns steckt ein Stück Menschenverachtung, Schadenfreude, Gaffertum und Gefühlskälte. Deshalb fordert ein solcher Film jeden Zuschauer auf, sich selbstkritisch mit dem eigenen Charakter und seiner möglichen Mängel auseinander zu setzen.
Über Details des Film kann man sich streiten
Dass ein Hollywood-Star einen Jesusfilm dreht, ist grundsätzlich zu begrüßen, meint der Bischof. So entlastend ein Unterhaltungsfilm sein kann, so wichtig ist es, das Medium des Films zu nutzen, um auch mit existenziellen Herausforderungen konfrontiert zu werden. Über Details könne man sich immer streiten. Müller: Vielleicht hätte man noch mehr Elemente aus dem Leben und der Verkündigung Jesu einblenden können. Leider wissen viele nicht mehr, warum Jesus überhaupt auf diesen Weg des Leidens und des Todes gedrängt worden ist. Jesus war nicht ein politischer Rebell oder ein religiöser Anführer, der dann für seine Überzeugungen gestorben ist. Er war vielmehr Vermittler und Inhalt seiner Botschaft vom Reich Gottes, das in seiner Person in die Welt eingetreten ist.
Bischof Müllers persönliche Botschaft aus dem Film ist, dass jeder Mensch Jesus gegenübersteht und ihm zustimmen oder ihn ablehnen muss. Dieses Ja oder Nein zu Jesus ist entscheidend für das Verhältnis eines jeden einzelnen Menschen zu Gott und für ein Letztes: für ein Gelingen oder Scheitern des Menschen. Darum hat die Passion Jesu Christi niemals nur eine historische Dimension, sonder auch eine symbolische Tiefe, weil jeder im Angesicht Christi die Entscheidung treffen muss, ob er zu Gott Ja oder Nein sagt.
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