Schweizer Bischofskonferenz: „Die SBK kann sich nicht für Entwurf «Ehe für alle» aussprechen“

5. Dezember 2020 in Schweiz


„SBK besteht darauf, dass Debatte über eine «Ehe für alle» nur möglich ist, wenn auf ihre Auswirkungen – das Kindesverhältnis und den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin – eingegangen wird“


Freiburg i.Ü. (kath.net/SBK) kath.net dokumentiert die Erklärung der Schweizer Bischofskonferenz zur «Ehe für alle» in voller Länge:
 

Grundsatzposition

An erster Stelle möchte die SBK hier betonen, dass ihr die Notwendigkeit einer Bekämpfung von Diskriminierung jeglicher Art besonders am Herzen liegt. Wie die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates erachtet es die SBK als wichtig, im Bereich des Bürgerrechts und der Hinterlassenenrenten für alle Personen Gleichstellung herbeizuführen.

Die Argumente zugunsten einer «Ehe für alle» beruhen auf der Notwendigkeit, jegliche Diskriminierung zu beseitigen. Allerdings möchte die SBK auf den Unterschied zwischen Diskriminierung und Differenzierung hinweisen, wobei Letztere bisweilen das bessere Unterscheidungskriterium ist, um den Interessen von Minderheiten mehr Gewicht zu verleihen. Die SBK ist darum der Ansicht, dass es für gleichgeschlechtliche Paare vorteilhafter wäre, wenn die geltende Gesetzgebung im Hinblick auf die registrierte Partnerschaft angepasst würde, anstatt eine «Ehe für alle» einzuführen. Ihrer Meinung nach würde diese letztlich zu einer Vereinheitlichung verschiedenster Lebensentwürfe führen.

Die SBK besteht darauf, dass eine Debatte über eine «Ehe für alle» nur möglich ist, wenn auf ihre Auswirkungen – das Kindesverhältnis und den Zugang zur Fortpflanzungsmedizin – eingegangen wird. Letztere werfen von einem ethischen Standpunkt aus heikle und komplexe Fragen auf. Diese Auswirkungen nicht anzusprechen, um heute die Gleichberechtigung zu erleichtern, ohne zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren zu unterscheiden, könnte morgen dazu führen, dass dann ein bereits akzeptiertes Prinzip bedingungslos angenommen wird.

Die SBK weist darauf hin, dass die Zivilehe keineswegs nur die öffentliche Würdigung gegenseitiger Gefühle darstellt. Die Zivilehe bezweckt die Eintragung des Kindesverhältnisses in ein beständiges Institut, namentlich zum Schutz der Mutter (matri-monium) und des Kindes. In diesem Sinne ist die Zivilehe auf die Familiengründung ausgerichtet. Gleichgeschlechtliche Paare müssen zu diesem Zweck auf die Fortpflanzungsmedizin zurückgreifen. Diese wird von der SBK generell abgelehnt (also auch für heterosexuelle Paare), weil sie Keimzellenspenden erfordert und im Widerspruch zu den Rechten des Kindes steht. Die SBK weist dafür insbesondere auf die Leiden und die Mühen der so gezeugten Kinder hin, die in Unkenntnis ihrer Abstammung eine eigene Identität aufbauen müssen.

Im Bewusstsein dieser schwerwiegenden ethischen Herausforderungen kann die SBK den Entwurf «Ehe für alle» in dieser Form nicht annehmen. Ausgehend von dem erwähnten Recht des Kindes weist sie darauf hin, dass der katholischen Kirche hauptsächlich das Sakrament der Ehe anvertraut ist. Sie feiert dabei vor Gott die Vereinigung von Mann und Frau als in Liebe angelegtes gemeinsames, stabiles und für die Fortpflanzung offenes Leben. Darum ist die SBK auch in Bezug auf die zivile Ehe davon überzeugt, dass die Verwendung des Begriffs «Ehe» nicht auf jede Verbindung zwischen zwei Personen unabhängig von ihrem Geschlecht ausgedehnt werden sollte. Eine solche Verwendung des Begriffs würde eine Gleichheit herbeiführen, die es ihrer Meinung nach so gar nicht geben kann.

Rechte des Kindes und Fortpflanzungsmedizin

Die SBK ruft in Erinnerung, dass niemand das Recht auf ein Kind hat, es gibt vielmehr Rechte des Kindes. In diesem Sinne ist aus der Ehe kein Recht auf Kinder abzuleiten. Vielmehr dient sie dazu, das Kind oder die Kinder, die aus dieser Vereinigung hervorgehen, zu schützen. Mit Blick auf das übergeordnete Kindesinteresse und das Wohl des Kindes ist die SBK generell gegen die Nutzung der Fortpflanzungsmedizin, auch durch gleichgeschlechtliche Paare. Sie beruft sich dabei auf das Recht des Kindes, seine genetische Abstammung zu kennen. Die SBK betont ausserdem die Gefahr einer Legalisierung der Leihmutterschaft, die in der Schweiz zum Schutz von Mutter und Kind zu Recht verboten ist.

Diskriminierung oder Differenzierung?

Warum nimmt die SBK eine Unterscheidung zwischen Diskriminierung und Differenzierung vor? In einer Gesellschaft, die nach Vereinheitlichung und Gleichberechtigung strebt, kann die Differenzierung ein wirksames Mittel sein, um Gleichstellung zu verwirklichen und gleichzeitig die Besonderheiten und Rechte jedes und jeder Einzelnen zu würdigen. Die SBK weist auf die Gefahr hin, Probleme der Diskriminierung lösen zu wollen, indem die Unterschiede zwischen Menschen ignoriert werden. Ihr scheint die Berücksichtigung der Diversität zweckmässiger zu sein, um Unterschiede in Gleichheit zu leben.

Antrag zur Gesetzesanpassung

Die SBK ist vielmehr der Ansicht, dass die hier dargelegten Schwierigkeiten über Korrekturen des 2007 in Kraft getretenen Gesetzes über die eingetragene Partnerschaft behoben werden sollten. Es wäre besser gewesen, damals Gesetzesanpassungen vorzuschlagen, um jegliche ungerechte Diskriminierung zu vermeiden. Denn: «stigmatisierend»2 ist für die SBK nicht die Verweigerung der Ehe für alle, sondern eine registrierte Partnerschaft, die allein auf die sexuelle Orientierung hinweist. Die SBK bevorzugt deshalb eine Anpassung des geltenden Gesetzes gegenüber einer «Ehe für alle», deren Umsetzung mit zahlreichen administrativen, rechtlichen und ethischen Schwierigkeiten behaftet ist.

Schlussfolgerung

Abschliessend soll auf dem Hintergrund der Hauptkompetenz der katholischen Kirche im Bereich des Ehesakraments festgehalten werden, dass sich die SBK nicht für den Entwurf «Ehe für alle» aussprechen kann. Sie ist der Ansicht, dass die Debatte nicht richtig geführt wird, da die ethischen Auswirkungen im Zusammenhang mit der Fortpflanzungsmedizin und dem Recht des Kindes weitragend sind. Die SBK ermutigt zur Suche nach einer Lösung, welche die gerechtfertigten Anliegen der LGBTI+-Menschen berücksichtigt, deren Gleichstellung hinsichtlich des Bürgerrechts und der sozialen Leistungen anzuerkennen. Eine solche Lösung sollte zugleich eine positive Differenzierung aller Menschen zulassen und die Berücksichtigung deren Vielfalt und die Wahrung der Kinderrechte ermöglichen.

 


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