O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf!

28. November 2020 in Spirituelles


Reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab (auch bei uns), wo Schloß und Riegel für!- Gedanken zum Advent-Beginn und zur Corona-Epidemie von Hubert Windisch


Regensburg (kath.net)

* Ein europäischer Regierungschef soll gesagt haben: In diesen Zeiten der Coronakrise sei jeder Kontakt (natürlich zwischen Menschen) einer zu viel. Wenn er das wirklich gesagt hat, muß er schleunigst von seinem Amt zurücktreten. Wer nämlich so etwas sagt, versteht nichts vom Leben. Der Mensch ist ein Sozialwesen, und alles menschliche Leben ist – nach Martin Buber – Begegnung. Wenn man die obige Aussage auf verschiedene Situationen wie z. B. in der Familie, am Arbeitsplatz, im Krankenhaus, im Bäckerladen, bei der Feuerwehr oder Polizei, bei Gottesdiensten usw. hin durchbuchstabiert, merkt man schnell, wie lebensfern, ja unmenschlich eine derartige Äußerung ist. Wer eine solche Äußerung macht, taugt daher nicht für die Politik und schon gar nicht für ein Regierungsamt. Denn man kann eine humane Herausforderung wie sie die Krankheit Corona zweifelsohne darstellt, nicht durch inhumane Vorstellungen und Verordnungen bewältigen. Wir brauchen in Krisenzeiten eine politisch geförderte Kultur sorgenvollen Miteinanders anstatt ein ständig neu verordnetes behördliches Gegen- und Ohneeinander. Leider scheint aber inzwischen quer durch die europäischen Regierungslager das nötige Maß verlorengegangen zu sein, das die Richtung zu einer vernünftigen Sicherheit im öffentlichen Leben unter Einbeziehung der Wahrung fundamentaler persönlicher Freiheiten weist. Es gibt Beispiele genug, die zeigen, daß politisches Handeln nicht selten unter dem Vorwand der Sorge sich in immer neuen drohenden Bevormundungen gegenüber den Bürgern erschöpft, dabei aber letztlich weithin doch nur panische Hilflosigkeit offenbart.

* Fragen drängen sich auf. Warum sollen z. B. Restaurants und Cafés mit oftmals ausgeklügelten Hygienekonzepten schließen, wenn gleichzeitig die Menschen täglich dichtgedrängt in U-Bahnen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren dürfen? Warum sollen Schüler während des Unterrichts, bei dem sie normalerweise ruhig an ihrem Platz sitzen, eine Maske tragen, aber auf dem Hin- und Nachhauseweg gruppenweise ohne Maske, sich balgend und miteinander spielend, unterwegs sein dürfen, wie ich es immer wieder in meinem Heimatort beobachten kann?

* Auch die Öffentlich Rechtlichen Medien, die über das jeweilige Regierungshandeln kritisch berichten sollten, scheinen immer mehr zu „Staats“medien zu degenerieren. Warum z. B. wird nicht über eine Studie der Initiative für Qualitätsmedizin berichtet, auf die der Heidelberger Arzt Gunter Frank aufmerksam gemacht hat (vgl. die achse des guten vom 24. 11. 2020: Bericht zur Coronalage …)? Diese Studie trägt den Namen „Effekte der SARS-CoV-2 Pandemie auf die stationäre Versorgung im ersten Halbjahr 2020“ und bezieht sich auf 2,8 Millionen Behandlungsfälle in 421 Krankenhäusern aller Versorgungsstufen. Das Ergebnis lautet nach Gunter Frank kurzgefaßt: „Es gab 2020 weniger stationär behandelte schwere Atemwegsinfektionen als 2019 und zwar inklusive Covid-19. Man bedenke, 2019 war im Vergleich zu 2018 eine eher milde Grippewelle. Es gab bzgl. Atemwegsinfektionen 2020 sogar weniger Beatmungsfälle als 2019.“ Frank kommt nach seiner langen Analyse zu dem Schluß: Wir brauchen vor Corona keine Angst zu haben, wohl aber ist Respekt angesagt. Und man würde z. B. auch gerne mehr wissen über eine aktuelle dänische Studie aus Göteborg in Dänemark mit 6000 (!) Probanden, die belegt, daß unsere verordneten Alltagsmasken nur geringen Schutz bieten. Nach einem Monat waren 1,8% von 3000 Teilnehmern mit Mundschutz und 2,1% von 3000 Teilnehmern ohne Mundschutz testpositiv, was einen statistisch zu vernachlässigenden Unterschied ausmacht. Viele andere Beispiele ließen sich aufführen, die abgesehen vom harschen Regierungston in der politischen Kommunikation an der politischen Fähigkeit zweifeln lassen, nötige Coronamaßnahmen in den Koordinaten von Nichtangst und Dochrespekt zu ergreifen.

* Wo bleibt die Kirche? fragen mich immer wieder, wenn auch immer weniger Gläubige. Leider ist in der augenblicklichen Krise ein massiver geistlicher Korrekturausfall der Kirche zu beklagen. Nicht zu Unrecht haben von diesen wenigen Gläubigen viele den Eindruck, die Bischöfe seien weithin staatsgläubige Hygieneapostel und die Ordinariate Unterabteilungen von Gesundheitsämtern geworden – von der pastoralen Sprachlosigkeit der meisten Theologen ganz zu schweigen. Der italienische Philosoph Giorgio Agamben hat wortspielerisch den Kern der augenblicklichen Kirchenmisere getroffen, wenn er beobachtet, daß die Kirche dabei sei, das Heil (la salvezza) gegen die Gesundheit (la salute) auszutauschen. So aber ist sie über kurz oder lang nach Ulrich Körtner nur noch systemrelvant und nicht mehr daseinsrelevant. Dabei ist kirchliche Seelsorge mehr als nur staatliche Leibsorge. Es sollte der Kirche nicht nur ums Überleben gehen, schreibt Jan-Heiner Tück in der NZZ vom 13. 11. 2020. Die bereits erwähnten wenigen Gläubigen mahnen flehentlich: Noch einmal wie an Ostern darf die Kirche die Gotteshäuser an Weihnachten nicht verschließen und verriegeln. Die 49 Märtyrer von Abitene (im heutigen Tunesien), die gegen einen Erlaß von Kaiser Diokletian im Jahre 304 an einem Sonntag Eucharistie feierten, sagten, als die Häscher des Kaisers kamen: Sine (die) dominico non possumus. Ohne Sonntag (bzw. die Sonntagseucharistie) können wir nicht leben.

* Ein altes Adventslied wird wieder ganz aktuell. Man kann es unter den gegenwärtigen gesellschaftlich-kirchlichen Coronabedingungen plötzlich neu hören und singen: „O Heiland, reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf. Reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab (auch bei uns), wo Schloß und Riegel für!“


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