Neue Petition fordert Erhalt der Pacelli-Allee in Berlin

25. September 2020 in Kommentar


Neue Diffamierungen Pius XII. stoßen auf Widerspruch. Gastbeitrag von Michael Hesemann


Berlin (kath.net) Vor zwei Wochen erregte der umstrittene Antisemitismusbeauftragte der Merkel-Regierung, Felix Klein, in diversen Medien Aufmerksamkeit durch seine Forderung, die Pacelli-Allee in Berlin-Dahlem umzubenennen (kath.net hat berichtet). Ein Mann wie der spätere Papst Pius XII., dem Klein vorwarf, zum Holocaust geschwiegen zu haben, verdiene es nicht, dass an ihn eine Straße der Bundeshauptstadt erinnert. Die Forderung des ehemaligen Diplomaten und Juristen Klein stieß auf entschiedenen Widerspruch nicht nur bei namhaften Historikern, sondern auch seitens der Apostolischen Nuntiatur in Berlin, die ihm Unkenntnis der historischen Fakten vorwarf.


Klein hatte sich mit seiner Auslassung hinter die Initiative zweier linkslastiger Historiker, Julien Reizenstein und Ralf Balke, gestellt, die bereits Ende August in einer Petition auf „change.org“ die Umbenennung der Pacelli-Allee in Golda-Meir-Allee gefordert hatten. Bei Redaktionsschluß hatten gerade einmal 551 Personen diese Petition unterschrieben. In ihrem Begleittext behaupten Reizenstein und Balke: „Pacelli verbreitete über Jahrzehnte hinweg antisemitische Klischees. Er verhinderte, dass die Kirche sich gegen Antisemitismus positionierte. Pacelli dämonisierte Frauen im Allgemeinen, linke Frauen und jüdische Frauen im Besonderen. Mit dem von Pacelli verhandelten Reichskonkordat ermöglichte er Hitler 1933 den ersten außenpolitischen Erfolg. Trotz des Vernichtungskrieges der Wehrmacht gegen Zivilisten in Osteuropa hoffte er auf deren Sieg; zudem arrangierte er sich schon früh mit den Nationalsozialisten. Pius XII. schwieg in breiter Öffentlichkeit lange zu den Verbrechen an den polnischen Katholiken und den Morden am polnischen, aber auch am Klerus. Nach dem Krieg ermöglichte der Vatikan unter Pacellis Verantwortung unzähligen Kriegsverbrechern die Flucht vor der Justiz, beispielsweise Adolf Eichmann und Josef Mengele. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für Antisemitismus, Rassismus und Frauenfeindlichkeit Pacellis.“


Das breite Presseecho auf die ansonsten eher dürftige Petition und die durch sie verbreiteten historischen Unwahrheiten und handfesten Lügen über Eugenio Pacelli/Papst Pius XII. veranlassten mich, am 22. September unter dem Titel „Pro Pacelli-Allee“ eine Gegenpetition zu starten, in der ich zunächst einmal als Historiker zu den Vorwürfen der beiden Petenten Stellung beziehe:
„1. Pacelli hatte von Kindheit an jüdische Freunde und einen besonderen Draht zum Judentum. Er setzte sich als Nuntius in München für den Münchner Oberrabbiner ein. Er verhinderte 1917 durch eine diplomatische Intervention ein Massaker an den jüdischen Palästina.-Siedlern durch die Türken. Er unterstützte Nahum Sokolow, einen namhaften Zionisten, und die zionistische "Pro Palästina-Gesellschaft" der Weimarer Republik. Er setzte sich seit 1933 für die Juden im Dritten Reich ein und versuchte am 9.1.1939, zwei Monate nach der Pogromnacht, Visa für 200.000 deutsche Juden zu bekommen, was nur an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der westlichen Regierungen scheiterte. Stattdessen prangerte er in drei öffentlichen Ansprachen den Holocaust an und bemühte sich unermüdlich, Deportationen von Juden aus Hitlers Vasallenstaaten zu unterbinden. Seinen diplomatischen Aktionen verdanken zwischen 850.000 und 970.000 Juden ihre Leben.


2. Das einzige angeblich frauenfeindliche Dokument, das ihm unterstellt wird, ist ein Bericht seines Nuntiaturmitarbeiters, den er unverändert nach Rom weiterleitete. Er liegt den Petitenten offenbar nur in einer manipulativen Übersetzung vor. Dort, wo sie "weiblicher Abschaum" lesen, steht im italienischsprachigen Original "gruppo feminile", was ganz neutral "weibliche Gruppe" bedeutet. Tatsächlich wurde Pius XII. von konservativen Kirchenmännern dafür kritisiert, dass er Frauen im Vatikan zu viel Macht und Einfluß zugebilligt hat.


3. Das Reichskonkordat von 1933 war ein Versuch, das Überleben der katholischen Kirche im Dritten Reich zu sichern und eine Grundlage für zukünftige diplomatische Proteste zu schaffen. Bereits vor dem Konkordat wurde vom Deutschen Reich mit England und Frankreich der Viermächtepakt, etwa zeitgleich mit der Zionistischen Weltorganiosation das Haavara-Abkommen ausgehandelt.


4. Pius XII. hoffte immer auf den Sieg der Alliierten und koordinierte ihren Kontakt zum deutschen Widerstand ab November 1939. Er erklärte den Nationalsozialismus schon 1925 zur "gefährlichsten Irrlehre unserer Zeit" und unterstützte die Bestrebungen deutscher Bischöfe, NSDAP-Mitglieder zu exkommunizieren.


5. Pius XII. prangerte die Verbrechen am polnischen Volk offen an, bis ihn die polnischen Bischöfe baten, künftig zu schweigen, um eine Eskalation und Vergeltungsmaßnahmen zu verhindern. Der polnische Erzbischof Sapieha verbrannte sogar einen Hirtenbrief Pius XII., der auf dessen Wunsch in allen polnischen Kirchen verlesen werden sollte, mit der Begründung, man hätte "nicht mehr genügend Hälse für die Galgen, die dann errichtet würden".


6. Nach dem Krieg forderte Pius XII. die juristische Verurteilung der NS-Verbrecher und unterstützte die Nürnberger Prozesse. Als hinter seinem Rücken der österreichische Bischof Hudal Nazis zur Flucht verhalf, erhielt dieser vom Papst Hausverbot im Vatikan. Zudem forderte Pius XII. von den österreichischen Bischöfen dessen Abberufung aus Rom. Es fand also nie eine Fluchthilfe für Nazis durch den Vatikan statt, sondern, im Gegenteil, eine deutliche Ausgrenzung der Fluchthelfer, als man (leider zu spät) von ihren Aktivitäten erfuhr, die allerdings auch nicht bewußt erfolgten, da Männer wie Eichmann und Mengele unter falschen Namen um Hilfe baten.


7. Einen Papst, der schon in seiner ersten Enzyklika und unzähligen Ansprachen jedem Rassismus und Antisemitismus eine klare Absage erteilte, solchen zu unterstellen, ist an Absurdität nicht zu übertreffen. Pius XII. war es, der die ersten Afrikaner zu Bischöfen weihte und vermehrt Nichteuropäer ins Kardinalskollegium berief.“


Daher plädiere ich „für die Erhaltung der Pacelli-Allee in Berlin-Dahlem“: „Als entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und persönlicher Widersacher Hitlers, als entschiedener Gegner jeder Form von Rassismus und als Freund und Retter Hunderttausender Juden vor dem Holocaust hat Pius XII./Eugenio Pacelli wie kein anderer die Ehrung durch einen Straßennamen in Berlin verdient.“


Nach nur 24 Stunden hatte meine Petition bereits 246 Unterzeichner. Jetzt hoffe ich, zumindest mehr Unterzeichner zu gewinnen, als es die Gegenseite tat. Das würde dem Berliner Senat deutlich aufzeigen, dass eben kein öffentliches Interesse an einer Umbenennung der Pacelli-Allee besteht. Ein Mann, der aus christlicher Überzeugung dem antichristlichen Hitler-Regime von Anfang an entschieden entgegentrat und der sich wie kein anderer für die verfolgten Juden, die Opfer des Holocaust, einsetzte, sollte auch in unserer Zeit noch Vorbild sein.

Weiterführend: Link zur Petition
 

Video: Pius XII. und die Juden - Mit Zeitzeugenberichten von italienisch-jüdischen Holocaustüberlebenden!


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