Schönborn bei Medjugorje-Friedensgebet: Den Schrei der Armen hören

24. September 2020 in Spirituelles


13. Auflage der Gebetsveranstaltung im Wiener Stephansdom wegen Corona-Beschränkungen heuer in deutlich kleinerem Rahmen - Aufrufe zu "missionarischer Kirche" und Sakramente-Wiederentdeckung


Wien (kath.net/KAP) Kardinal Christoph Schönborn hat dazu aufgerufen, verstärkt die Not anderer Menschen wahrzunehmen. Angesichts zunehmender Armut infolge der Covid-19-Krise sollten Christen nach dem Beispiel der Gottesmutter Maria "das Herz und die Ohren öffnen für das Wort Gottes und für den Ruf der Armen", sagte der Wiener Erzbischof am Donnerstagabend beim Friedensgebet "Message for you" im Wiener Stephansdom. Das in der Tradition des Marienwallfahrtsortes Medjugorje ausgerichtete Gebet - eine der größten religiösen Veranstaltungen Österreichs - fand heuer aufgrund der Corona-Beschränkungen in kleinerem Rahmen statt.

Die gesamte Bibel schildere, dass Gott den Schrei des Armen erhöre, erklärte der Kardinal. Die Jungfrau Maria habe durch ihr Hören und Vertrauen auf das Wort Gottes und ihr Handeln in seinem Sinne ebenfalls dessen "weites Herz" erhalten und sich nie den Armen verschlossen. Es sei deshalb kein Zufall, dass arme Menschen oft eine besondere Liebe zur Mutter Jesu aufwiesen.
Die derzeit den Lebenstakt vorgebende Pandemie deutete Schönborn als "Erinnerung Gottes, dass Er der Schöpfer ist und wir die Geschöpfe". Der Mensch sei nicht zu allem fähig und könne sich manches nicht selbst geben, erst recht nicht "das Kostbarste", nämlich Gottes Gnade, Liebe, Vergebung und Barmherzigkeit. Gott schenke dies alles dem Menschen jedoch, und zwar "gratis, umsonst und in Fülle, in der Eucharistie wie auch durch seine Mutter", sagte der Kardinal.
Das Friedensgebet fand in seiner 13. Auflage mit den seit Montag geltenden verschärften Corona-Regeln für Kirchen statt. Hatte die Veranstaltung in den Vorjahren noch den Dom mit tausenden Besuchern "zum Bersten gefüllt", war die fünfstündige Feier schon im Vorfeld auf 750 Maske-tragende Beter beschränkt worden, wie Dompfarrer Toni Faber einleitend erinnerte. Letztlich nahmen rund 650 Gläubige an dem Friedensgebet teil, und alle Abstandsregeln wurden eingehalten, wie ein Kathpress-Lokalaugenschein ergab; zudem ersetzte ein Musikensemble den sonst gut 70-köpfigen Chor. Organisator Christian Stelzer verwies auf die "große virtuelle Glaubensgemeinschaft", die über Livestream, KIT-TV und Radio Maria mitfeierte.

Gefahr und Chance

Traditionell bestimmen beim Friedensgebet Rosenkranz, Eucharistiefeier, Anbetung und Glaubenszeugnisse das Programm. Heuer berichtete der Gründer der Schulernährungsinitiative "Marys Meals", Magnus MacFarlane-Barrow, via Video-Live-Zuschaltung über drastische Auswirkungen der Corona-Pandemie in den ärmsten Ländern der Welt: "Die Prognose einer Verdoppelung der Hungernden scheint sich zu bewahrheiten. Viele neue Dorfgemeinschaften wollen infolge von Covid-19 in unser Programm aufgenommen werden." Aufgrund der vielen Schulschließungen habe das Hilfswerk ein neues System gefunden, um weiterhin 1,6 Millionen Kindern - vor allem in afrikanischen Ländern südlich der Sahara - täglich mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen.

Ebenso wie MacFarlane-Barrow nannte auch Missio-Nationaldirektor P. Karl Wallner biografische Bezüge zu Medjugorje und rief dazu auf, sich durch die Coronakrise eröffnende Chancen besser zu nutzen. Dazu zählt nach Ansicht des Zisterziensermönchs in einer Kirche, in der Äußerlichkeiten oft zu wichtig geworden seien, die Gelegenheit zu einer "Vergeistlichung". Die Beziehung zu Jesus Christus sei die eigentliche "Substanz des Glaubens" und könne trotz aller Covid-19-Beschränkungen etwa in einer sehr bewusst empfangenen "geistlichen Kommunion" gestärkt werden, betonte der Ordensmann.

Auch das einfache Bittgebet sollten die Menschen wiederentdecken und "von Gott mehr erwarten", appellierte der Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Österreich. Wallner will zudem ein Buch über die ihm seit dem Lockdown zugesandten 31.000 Fürbitten und Gebetserhörungen von Mitfeiernden der täglichen missio-Livestream-Gottesdienste herausgeben.

Schließlich drängte der Missio-Chef, die Kirche müsse "missionarischer" werden: "Wir haben vergessen, dass Jesus sein Werk mit Fischern begann - nicht etwa mit Hirten, die einem verlorenen Schaf nachlaufen. Heute ist ein Schaf noch da, 99 laufen frei herum. Wir müssen Werbende sein und die Netze neu auswerfen." Neue Formate gelte es besser zu nutzen, verwies P. Wallner auf Zuseher-Spitzenwerte bei ORF-Fernsehgottesdiensten.
Gebet für Frieden

Besondere Aufmerksamkeit erfuhren bei den Friedensgebeten vergangener Jahre stets auch die Gäste aus Medjugorje, darunter Mitglieder der "Seher", die von teils täglichen Erscheinungen der Jungfrau Maria seit dem Jahr 1981 berichten, über deren Echtheit der Vatikan bislang noch keine endgültige Entscheidung getroffen hat. Auch wenn eine Anreise nach Wien heuer aufgrund der Covid-19-Situation erstmals nicht möglich war, wandten sich zwei dieser einst aus Kindern bestehenden Gruppe - Marija Pavlovic-Lunetti und Ivan Dragicevic (beide 55) - mit Videobotschaften an die im Stephansdom Versammelten.
Pavlovic-Lunetti sprach von einem "schwierigen Moment" und vom "Aufruf der Muttergottes zur Heiligkeit und zur Rückkehr zum Glauben und zu den Sakramenten". Dragicevic hob die Bedeutung des Gebetes hervor, um in einer "friedlosen Zeit" Frieden zunächst mit Gott und dann auch unter den Menschen zu schließen. Die sich in Medjugorje selbst als "Königin des Friedens" bezeichnende Mutter Jesu rufe jeden einzelnen Menschen persönlich dazu auf, ein Mittler des Friedens zu werden. Die mittlerweile 39 Jahre seit Beginn der Erscheinungs-Berichte seien eine "Zeit der Gnade".

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Archivfoto Kardinal Schönborn (c) Pulling/kathpress


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