"Wer Gott vorauseilt, folgt ihm nicht"

4. September 2020 in Kommentar


Hier gibt es nichts schön zu malen: Die Spaltung ist da! Aufgewacht! Die Lehre der Kirche mag nicht jedem schmecken, das heißt aber nicht, dass die Aufweichung derselben gut ist und uns wohl bekommt - BeneDicta am Freitag von Dorothea Schmidt


Linz (kath.net)

Nach der Post vom 20. Juli aus Rom, der Vatikan-Instruktion, haben sich die deutschen Bischöfe zu einem Ständigen Rat in Würzburg versammelt und eine deutliche und selbstbewusste Antwort nach Rom zurückgeschickt: Die Instruktion könne „nur der Anlass und Anfang eines Gesprächs sein, damit daraus eine echte Hilfe für die differenzierten Situationen in den Ortskirchen wird“.

 

Was hier nach einer einmütigen Reaktion der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) klingt, ist es nur äußerlich. Die Wahrheit ist: Die vatikanische Instruktion hat einmal mehr offenbart, wie gespalten die DBK ist. Zu unterschiedlich sind die Herangehensweisen der zwei Lager an bestimmte Themen, zu verschieden ist das Verständnis von Kirche und kirchlicher Lehre, von Evangelisierung, Mission und Gottes Willen, zu entgegengesetzt selbst die Auslegung des Schreibens.

 

Für die einen bietet der Brief aus Rom wertvolle Impulse für eine geistige Erneuerung der Kirche. Den anderen gab er Anlass zu harscher Kritik: Das 28-seitige Papier sei theologisch schwach, demotivierend, realitätsfern und sogar schädlich, meinten die anderen. Der Münchner Kardinal Rainer Marx kritisierte an der Instruktion des Papstes auch, dass mit ihnen niemals darüber gesprochen wurde – das Dokument habe auf einmal auf dem Tisch gelegen. Aber: Tut er nicht genau dasselbe? Wollte nicht eben dieser Kardinal seine Reformideen um- und durchgesetzt sehen, ohne dass der Papst dazwischenfunkt? Die Progressisten sehen sich sogar als Wegweiser für die Weltkirche und den Papst, wie sie in Interviews haben durchblicken lassen.

 

Laut dem von Papst Franziskus unterzeichneten Schreiben können Laien zwar an der Gemeindeleitung mitwirken, die Pfarrei leiten und verwalten dürfen aber weiterhin nur Priester. Was hier für den Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer „eine Selbstverständlichkeit“ ist, bedeutet für seine progressiven Bischofskollegen genau das Gegenteil.

 

Hier gibt es nichts schön zu malen: Die Spaltung ist da. Wie sollen sich zwei so unterschiedlich denkende Lager - ohne dass die kirchliche Lehre entstellt und der Weg der Kirchenväter sogar verlassen wird - zu einem für alle guten Kompromiss einigen, sei es zum Priesterthema noch zu allen anderen Themen, die den Synodalen Weg beschäftigen? Es ist als würde man aneinander vorbeireden, als seien die Denkstrukturen so verschieden, dass an ein Angleichen fast nicht zu denken ist.

 

Fast! Denn Gottes Gnade kann immer wirken; vorausgesetzt, der Heilige Geist stößt auf offene Herzen. Aber wie oft stehen Ideen und Wünsche des Menschen dem Heiligen Geist im Weg. Es ist natürlich, dass der Mensch manchmal darum ringt, Gottes Willen zu erkennen, ihn von eigenen Gedanken und der Massenmeinung zu unterscheiden, anzunehmen und in die Tat umzusetzen. Gerade darum ist es wichtig, Gott mehr Zeit einzuräumen. Beten wir, dass Gottes Wille offenbar wird, dass jeder ihn versteht und bereit ist, ihn als den Weg der Heilung anzunehmen. Wie anders soll die Kirche weiterbestehen, wenn nicht mit Gottes Willen als Fundament?

 

Die Frage ist, ob beide Lager wirklich ringen um die richtige Lösung. Bislang gab es im Rahmen des Synodalen Weges keine Zeiten für stilles Gebet oder Anbetung. Es gab keine Impulse und Übungen zur Unterscheidung von menschlichem Wollen und göttlichem Willen u.ä., um zu lernen, wie man erkennt, was vor Gott gut und richtig ist. Glaube und erkennen sind die Frucht des Hörens. Stattdessen wird geredet und zerredet. Meinungen stapeln sich übereinander, fallen in einen Papiersalat zusammen, dieses und jenes Argument wird wiederholt hervorgekramt … Bitte: Wie lange noch?

 

Klar muss sein: Die Kirche Jesu kann nur mit ihm bestehen, nicht ohne ihn. Alles andere ist eine Art kirchlicher Verein. Wie kann sich die Kirche so sicher sein, das gerade dies der richtige Weg ist? Seien wir ehrlich: Geht es überhaupt noch um Wahrheit und um Jesus? Oder vielmehr um Erfolg, Durchsetzen der eigenen Vorstellungen und Siegen? Den vor Gott (!) richtigen Weg, die Wahrheit hat man noch nie durch viel Reden gefunden, sondern indem man sich hinkniete und darum gerungen hat, Gottes Plan zu erkennen. Das dauert. Das braucht viel Gebet und Zeit. Das muss eingeübt werden, denn Horchen und Unterscheiden sind Mammutaufgaben, zu der jeder Christ gerufen ist, sie auf sich zu nehmen, will er Jesus wirklich nachfolgen.

 

Also: Nicht komplizierte Reden und Diskussionen führen zum Ziel, sondern Einfachheit. Gott ist einfach, klar, deutlich, missionarisch, nonkonformistisch, gemäß dem Wort Gottes (Röm 12,2): Macht euch nicht die Art der Welt zu eigen, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, um zu prüfen, was der Wille Gottes ist, was gut, wohlgefällig und vollkommen.“

 

Jesu Kirche ist für die Welt da, sie ist nicht von dieser Welt. Sie ist eine ewige Stiftung Gottes, an der man nicht herumhammern, -schrauben und sie nicht umbauen darf, damit sie aufhört, Stein des Anstoßes zu sein. Die Frage ist bloß, ob wir uns selber mehr vertrauen als Gott. Wer Gott vorauseilt und tut, was er für richtig hält, folgt ihm nicht. Es gibt nur eine wahre und eine falsche Reform der Kirche und der Pfarreien. Dabei darf es nicht darum gehen, über zu konservativ oder zu progressiv zu streiten, sondern um die Frage, wie die Kirche wieder missionarisch wird.

 

Wie unglaublich schade, dass uns viele Hirten, die vorbildlich voranschreiten sollten, nur endlose Diskussionen und eine scheinbar gleichgültige Einstellung gegenüber die Botschaft Jesu als Steilvorlage für das christliche Leben bieten.

 

Es sollte uns zu denken geben, dass uns die Einfachen voraus sind, diejenigen, die schlichtweg beten. Horchen. Gehorchen. Vertrauen. Glauben; die glauben, dass Gott den Weg kennt und ihm vertrauen, und zwar auch dann, wenn sie ihn nicht verstehen. Wie wäre es, wenn wir diese Einfachen um Rat bitten statt nur Gelehrte – gemäß dem Vers aus dem Matthäusevangelium: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“? (Mt 11,25)

 

Es darf viele Meinungen geben, aber nur eine kirchliche Lehre. Es darf Pluralismus geben, aber sie darf nicht die Verfälschung von Glaubenswahrheiten zum Ziel haben. Wahrheit ist nicht identisch mit der Massenmeinung. Aber genau das suggeriert uns der Streit innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland.

 

Wie konnte es soweit kommen? Weil die Krise eine Folge der Selbstbeweihräucherung ist, weil politische Demokratie auf Kirche übertragen werden soll, weil Priester entsakralisiert und Laien mehr Macht bekommen und sich selbst verwirklichen sollen, und weil von der Gemeinde frei gestaltete Versammlungen Liturgie und Anbetung ersetzen sollen. Aber kann man so etwas noch Kirche nennen?

 

Aufgewacht! Die Lehre der Kirche mag nicht jedem schmecken, das heißt aber nicht, dass die Aufweichung derselben gut ist und uns wohl bekommt. Mittelpunkt der Kirche müssen immer noch die Sakramente bleiben. Es muss wieder darum gehen, spirituelle Ressourcen zu retten. Wenn die Glaubenslehre der Schlüssel ist, um verborgene Wahrheiten und Geheimnisse aufzuschließen, dann dürfen wir die Schlüssel nicht verändern; dann passen sie nicht mehr. In diesem Sinne gibt es nur eine Medizin, die die katholische Kirche in Deutschland schlucken müsste, und die ist so bekömmlich wie schlicht: das Evangelium, pur und unverfälscht.


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