6. August 2020 in Aktuelles
Islamischer Religionspädagoge Aslan im "Kurier": Muslime mögen die Begriffe Reform, Renaissance nicht, aber genau darüber bräuchten sie eine Debatte
Wien (kath.net/KAP) Muslime könnten von der katholischen Kirche in Bezug auf den Umgang mit Säkularismus "sehr viel lernen": Das hat Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Wien, in der Sonntags-Ausgabe des "Kurier" betont. Christentum und Islam würden sechs Jahrhunderte trennen, letzterer kenne keinen Aufklärungsprozess. "Die Muslime mögen die Begriffe Reform, Renaissance überhaupt nicht, aber aus meiner Sicht bräuchten sie genau darüber eine Debatte", ebenso wie über Säkularismus, meinte Aslan. Es gebe im Islam die Tendenz, "Verstand durch den Koran zu ersetzen" - aber das wolle der Koran gar nicht, wies der Theologe hin. Seine Sorge: "Wenn es keine Reform des Islam gibt, dann wird er auch keine Zukunft haben."
Die Kirche habe den Prozess der Aufklärung durchgemacht - "mit bitteren Erfahrungen, aus denen wir sehr viel lernen könnten", meinte Aslan. Und die Kirche habe ihre Stellung in einer demokratisch-pluralen Gesellschaft definiert und festigen können. "Das fehlt für den Islam." Der Religionspädagoge bedauerte, dass Muslime nicht in der Lage seien, "ohne Druck von außen lebendige innerislamische Debatten zu führen".
Hier erwartet sich Aslan Impulse von der neuen "Dokumentationsstelle Politischer Islam", die unter Muslimen sehr umstritten ist: "Die wird uns sicher kurzfristig wehtun, aber langfristig wird sie uns helfen - wenn sie wirklich wissenschaftlich fundiert arbeitet." Dass es eine solche Einrichtung nun gibt, betrachtet Aslan als ein Ergebnis von Versäumnissen der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), die sich zuletzt öffentlich gegen jeden "Generalverdacht" gegenüber Muslimen wehrte. Die IGGÖ habe nie über die Stellung und Wirkung des politischen Islam in der muslimischen Gemeinschaft debattiert, eine sich damit kritisch auseinandersetzende Stelle "müsste eigentlich Aufgabe der Muslime selbst sein!", so der Theologe.
Es sei aber auch zu wenig, nur vom "politischen Islam" zu reden - es sollten auch Alternativen wie ein Islam europäischer Prägung als Gegenmodell in den Blick genommen werden, regte Aslan an. In keinem islamischen Land gebe es derzeit eine funktionierende Demokratie. "Unsere letzte Hoffnung war die Türkei" - in der jedoch unter Präsident Recep Tayyip Erdogan demokratiepolitisch fragwürdige Weichenstellungen erfolgten. "Die Demokratisierung der muslimischen Gesellschaften ist gescheitert", befand Aslan. Die Mehrheit der österreichischen Muslime dagegen habe "mit der Demokratie überhaupt kein Problem", die lebten "europäisch". Es gehe aber nur darum, dass eine Theologie entsteht, die dieser Realität entspricht, sagte Aslan. "Da hätte die IGGÖ eine wichtige Aufgabe."
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