Diözesansprecher: Rassismus mit "mentaler Grenzöffnung" bekämpfen

10. Juni 2020 in Aktuelles


Michael Prüller mahnt in "Presse"-Kolumne zu Vorsicht gegenüber Protestruf "White silence is violence": Nicht alle als mitschuldige Gewalttäter sehen, die nicht die eigene Systemkritik teilen


Wien (kath.net/KAP) Kampf gegen Rassismus sollte sich stets darum bemühen, nicht dieselben Gruppenprozesse wie der Rassismus selbst zu bedienen, sondern Gerechtigkeit durch Inklusion und "mentale Grenzöffnung" suchen: Das hat der Sprecher der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, in der "Presse am Sonntag" dargelegt. Ein langer Atem und differenziertes Denken seien dafür die Grundvoraussetzung, was er allerdings als eine "Achillesferse" des Kampfes gegen Rassismus sehe, schrieb Prüller: Wenn dieser Einsatz zu sehr auf Klassenkampf gepolt werde, drohe als Ergebnis ein bedenkliches Gruppenverhalten, bei dem Menschen nur noch als Freund und Feind wahrgenommen würden.

Prüller bezog sich in seiner Kolumne auf den vor zwei Wochen in Minneapolis getöteten Afroamerikaner George Floyd, der infolge von Polizeigewalt verstarb. Als Reaktion darauf entzündeten sich Massenproteste gegen Rassismus, die in den USA und weltweit - darunter auch in Österreich - stattfanden. Rassismus könne man als eine Haltung verstehen, die auf dem Verlangen beruhe, sich selbst zu erhöhen, indem man auf andere herunterschaut, erklärte der Diözesansprecher. Andere Gruppen stelle man dabei auf eine tiefere Ebene, um so die Missachtung von Tabus wie etwa Gewaltanwendung zu rechtfertigen.

Doch auch der US-Antirassismus laufe Gefahr, dieselben Spaltungen hervorzurufen, warnte der Sprecher von Kardinal Christoph Schönborn. "Er teilt die Menschen in 'uns Gute' und 'die Bösen' ein, wobei er mit 'denen' nicht nur die tatsächlichen Verächter meint, sondern auch alle, die nicht seine Systemkritik teilen und deswegen zu mitschuldigen Gewalttätern erklärt werden - 'White Silence is Violence!'", schrieb Prüller. Wer alles ausblende, was das eigene Narrativ infrage stellt, pfeife in letzter Konsequenz auf das Gewalttabu.


Würden Menschen nicht erst durch ihre Gesinnung, sondern schon durch "unbewusste Komplizenschaft mit dem System" zum Rassisten erklärt, "werden sich viele Normalbürger selber als Opfer empfinden, auf die die anderen herunterschauen - und werden ihrerseits die Gruppengrenze dicht machen." Um nicht in die Falle einer derartigen Entwicklung zu geraten, bleibe ein Ausspruch Martin Luther Kings gültig: "Finsternis treibt die Finsternis nicht aus, nur Licht kann das. Hass kann Hass nicht austreiben, das kann nur die Liebe", so der Wiener Diözesansprecher.



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