Erstes Jahr ohne Papstreise seit 1978 droht

28. April 2020 in Kommentar


Kein Staatsmann tritt bei Auslandsbesuchen mit solchem Rückhalt der Massen auf, kein Popstar genießt solche protokollarischen Rechte: Der Papst reist wie kein Zweiter - Jetzt lähmt ihn #Corona-Pandemie - Von Kathpress-Korrespondent Burkhard Jürgens


Vatikanstadt (kath.net/KAP) Das Coronavirus dünnt den Kalender von Papst Franziskus aus. Nachdem schon die Osterfeierlichkeiten statt mit Zehntausenden in einem leeren Petersdom stattfanden, verschob der Vatikan zuletzt den für September in Budapest geplanten Eucharistischen Weltkongress, das katholische Weltfamilientreffen 2021 in Rom und selbst den Weltjugendtag 2022 in Lissabon. Von den Auswirkungen der Corona-Krise betroffen sind auch geplante Pastoralbesuche von Franziskus im Ausland. Aller Voraussicht nach wird 2020 das erste Jahr ohne Papstreise seit 1978.

Eine Visite in Malta Ende Mai ist bereits abgesagt. Im September sollte Franziskus neben Osttimor und Papua-Neuguinea das bevölkerungsreichste muslimische Land Indonesien besuchen; örtliche Organisatoren baten um Verschiebung. Auch im Irak hofft man dieses Jahr nicht mehr auf den Papst, und an die ökumenische Friedensreise in den Südsudan mit Anglikaner-Primas Justin Welby, zugesichert vergangenen November, ist ohnehin nicht zu denken.

Die Pandemie lähmt ein bedeutendes Instrument des Heiligen Stuhls. Es geht um eine einzigartige Kombination von Staatsbesuch und religiösem Massenereignis. Als Souverän des Vatikanstaats betritt der Papst ausländisches Terrain stets nur auf offizielle Einladung und mit allen Ehren. Zugleich kommt er als Hirt seiner Kirche und bewirkt in der Regel eine erhebliche Mobilisierung von Gläubigen.

Selbst wenn man Teilnehmerzahlen realistisch eindampft, bringt ein Papstbesuch Hunderttausende, ja Millionen auf die Beine und dominiert über Tage das Mediengeschehen. Öffentliche Fahrten des Pontifex tragen teils Züge eines Triumphzugs. Als Staatsgast kann er seine Anliegen auch dort adressieren, wo die katholische Lehre nicht gern gehört wird; große Gottesdienste dienen dazu, die Vitalität der Ortskirche zu demonstrieren.

Reisepapst Johannes Paul II.

Welchen religionspolitischen Hebel und welche Ausdrucksform kirchlicher Identität Päpste mit dem Reisen in der Hand hielten, entdeckten sie erst ab den 1960er Jahren. Davor hatte zuletzt Pius VII. eine längere Kutschfahrt unternommen - 1812 als Gefangener Napoleons nach Fontainebleau. 1964 eröffnete Paul VI. die Reihe päpstlicher Reisen mit einem ökumenischen Versöhnungstreffen in Jerusalem. Aber es war Johannes Paul II., der in seinem mehr als 26-jährigen Pontifikat das besondere Format von politischen Missionen und massenwirksamen Events schuf.

Der Papst aus Polen besuchte auf 104 Reisen 129 Länder, legte fast 1,2 Millionen Kilometer zurück. Seine Weltjugendtagsmesse in Manila 1995 vor einer unübersehbaren Menge sprengte alle bis dahin bekannten Dimensionen. Als er zu Pfingsten 1979 vor Hunderttausenden in Warschau um eine Erneuerung "dieser Erde" betete, wurde das zum Auftakt der Bewegung, die zum Ende des Ostblocks führte.

Historische Begegnungen

Die Besuchspolitik setzten seine Nachfolger fort, auch wenn sie bei Amtsantritt jeweils anderes erwarten ließen. Benedikt XVI. liegt mit 3,5 Visiten pro Jahr nicht sehr weit unter dem Schnitt des polnischen Reisepapstes, Franziskus mit 4,5 sogar darüber. Ob es den Oberhirten persönlich in den Reiseschuhen juckt oder nicht: Alle paar Monate in ein Charterflugzeug zu steigen - einen eigenen Jet besitzt der Vatikan nicht - gehört inzwischen zum päpstlichen Leitungsdienst.

Gerade auf diplomatisch schwierigem Terrain erwies es sich immer wieder als hilfreich, wenn der Chef selbst sich in Bewegung setzte. In Großbritannien konnte Benedikt XVI. die traditionell kühle Stimmung gegenüber dem Katholizismus zum Besseren wenden. Das historische Treffen zwischen Papst Franziskus und dem russischen Patriarchen Kyrill I. war weder in Rom noch in Moskau möglich, aber in Kuba. Dass der Vatikan auf die arabische Welt zugehen will, erhielt Nachdruck durch den Papstbesuch in Abu Dhabi.

Afrika und Asien im Fokus

Ein Signal wäre nun auch im Herbst die Reise von Papst Franziskus nach Indonesien gewesen, mit 227 Millionen Muslimen das größte islamische Land der Welt. Die Kardinalsernennung von Jakartas Erzbischof Ignatius Suharyo Hardjoatmodjo im vergangenen Oktober deutete an, dass Franziskus aufmerksamer auf diese Region schaut.

Wann er aber wieder zu solchen Missionen aufbrechen kann, steht dahin. Ihre zwangsläufige Verbindung mit Großereignissen, sonst eine Stärke, zeigt sich in Corona-Zeiten als Schwachpunkt - und dies umso mehr in Ländern ohne solides Gesundheitssystem. Das sind die meisten, für die sich der Papst interessiert, und größtenteils die Wachstumsregionen der katholischen Kirche in Afrika und Asien.

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