Vatikan begrüßt Freispruch für Kardinal Pell

8. April 2020 in Aktuelles


Zugleich Bekräftigung weiteren Engagements für Prävention und Verfolgung von Missbrauch - Noch keine Angaben über Fortgang der kircheninternen Ermittlungen gegen den früheren vatikanischen Finanzchef und Erzbischof von Melbourne


Vatikanstadt (kath.net/KAP) Der Vatikan hat den Freispruch für Kardinal George Pell vom Vorwurf sexuellen Missbrauchs begrüßt. Der Heilige Stuhl habe immer Vertrauen in die australische Justiz gesetzt, teilte das vatikanische Presseamt am Dienstag mit. Pell habe "stets seine Unschuld beteuert und darauf gewartet, dass die Wahrheit festgestellt wird". Zugleich bekräftigte der Vatikan sein Engagement für die Prävention und die Verfolgung jeglichen Missbrauchs von Minderjährigen. Ob eigene kircheninterne Ermittlungen gegen den inzwischen 78-jährigen früheren vatikanischen Finanzchef und Erzbischof von Melbourne und Sydney fortgesetzt oder eingestellt werden, wurde nicht mitgeteilt.

Australiens oberstes Gericht hatte am Vormittag (Ortszeit) in Brisbane Pells sechsjährige Haftstrafe wegen sexuellen Missbrauchs aufgehoben. Der Kardinal war von einer Geschworenen-Jury im Dezember 2018 für schuldig befunden worden, 1996 als Erzbischof von Melbourne nach einem Gottesdienst in der Kathedrale zwei 13 Jahre alte Chorknaben sexuell missbraucht zu haben. Für eine Verurteilung muss die Schuld des Angeklagten aus Sicht der Geschworenen aber über jeden Zweifel ("beyond reasonable doubt") erhaben sein. Die Jury hätte aufgrund der Beweislage jedoch Zweifel an der Schuld des Angeklagten haben müssen, hieß es nun in der einstimmigen Entscheidung der sieben Richter des High Court. Pell wurde noch am Dienstag aus seinem Gefängnis in der Nähe von Melbourne entlassen.

Der Kardinal selbst nahm das Urteil mit großer Erleichterung auf. "Ich habe stets meine Unschuld betont, während ich unter einer schweren Ungerechtigkeit gelitten habe", teilte Pell in einer schriftlichen Erklärung mit. Ohne auf Pell ausdrücklich einzugehen, betete Papst Franziskus in seiner Frühmesse am Dienstag für alle, die zu Unrecht verurteilt würden.

Bischöfe: Missbrauch weiter bekämpfen

Die Australische Bischofskonferenz erklärte, der Freispruch habe keine Auswirkungen auf das Vorgehen der Kirche im Kampf gegen sexuellen Missbrauch. Die Entscheidung ändere nichts am "unerschütterlichen Engagement" für die Sicherheit von Kindern und für eine "angemessene und mitfühlende Reaktion" auf sexuellen Missbrauch von Kindern, sagte der Konferenzvorsitzende, Erzbischof Mark Coleridge. Die Sicherheit von Kindern bleibe nicht nur für die Bischöfe, sondern für die gesamte katholische Gemeinschaft äußerst wichtig. Jeder, der einen Vorwurf wegen Missbrauchs durch Kirchenpersonal habe, solle zur Polizei gehen.
Wie Erzbischof Coleridge berichtete, würden in Australien diejenigen, die während des gesamten Prozesses an die Unschuld des Kardinals geglaubt hätten, den Freispruch begrüßen. Für andere wiederum sei die Entscheidung "verheerend". Viele hätten während des Prozesses gelitten.

Entlastende Zeugenaussagen

Pell war im Dezember 2018 wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von zwei Chorknaben verurteilt worden. Die Jury fasste den Schuldspruch einzig auf Basis der Aussage eines der mutmaßlichen Opfer. Im Sommer 2019 bestätigte ein Berufungsgericht Pells Verurteilung durch die Mehrheitsentscheidung von zwei der drei Richter.

Während einer zweitägigen Berufungsanhörung im vergangenen März argumentierte Pells Anwalt Bret Walker, die Jury im Prozess gegen seinen Mandanten habe ihren Schuldspruch ausschließlich auf die Aussage des Opfers gestützt und entlastende Zeugenaussagen wie jene von Pells damaligen Zeremoniär Charles Portelli nicht ausreichend beachtet. Dieser hatten u.a. berichtet, es sei gängige Praxis Pells gewesen, nach Gottesdiensten auf den Stufen der Kathedrale Teilnehmer zu begrüßen. Zudem hätten sich in der Sakristei nach Gottesdiensten zahlreiche Priester und Messdiener aufgehalten.

Zivilrechtliche Klagen laufen weiter

Nach seiner Haftentlassung drohen Pell nun weitere, zivilrechtliche Klagen wegen Missbrauchs Jugendlicher. Auch sind weitere strafrechtliche Verfahren wegen Meineids und Behinderung der Justiz bei Pells Aussagen vor dem staatlichen Missbrauchsausschuss möglich. Belege für diese Vorwürfe könnten sich in den zwei Bänden des Abschlussberichts der staatlichen Missbrauchskommission finden, die nach dem jetzt abgeschlossenen Verfahren freigegeben werden.

Kardinal Pell war seit 2014 Präfekt des vatikanischen Wirtschaftssekretariats und damit eine Art "Finanzminister" des Vatikan gewesen. Wegen der Strafrechtsprozesse gegen ihn wurde er im 2017 von Papst Franziskus als Finanzchef beurlaubt. Vor seiner Zeit im Vatikan war Pell Erzbischof von Melbourne (1996-2001) und Sydney (2001-2014).

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