„Änderung des Grundgesetzes ist überflüssig!“

16. Februar 2020 in Deutschland


Kinderrechte stehen bereits im Grundgesetz – Diskussion des „Berliner Kreis“


Berlin (kath.net) „Kinderrechte sind im Grundgesetz geregelt und eine Veränderung wird in der Praxis deshalb keine Verbesserung, nur Verunsicherung schaffen.“ Das stellte die CDU-Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel bei der Podiumsdikussion unter dem Thema „Kinderrechte im Grundgesetz zusätzlich festzuschreiben – inwiefern kann dies das bisher ausgewogene Verhältnis zwischen den Rechten des Kindes, der Eltern und des Staates verändern?” im Kaiserin-Friedrich-Haus in Berlin fest. Zu der Diskussion hatte der „Berliner Kreis“ eingeladen, eine wertkonservative Vereinigung von CDU- und CSU-Bundes- und Landespolitikern. Über das Für und Wider dieses Vorhaben diskutierten Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Universität Augsburg, Birgit Kelle, Journalistin und Publizistin, Dr. Philipp B. Donath, Goethe-Universität Frankfurt und Dr. Sebastian Sedlmayr, UNICEF Deutschland. Moderiert wurde das Gespräch von Sylvia Pantel MdB. Pantel, die die Sprecherin des „Berliner Kreises“ ist, vertrat weiter: „Auch gibt die Kinderrechtskonvention nicht vor, Kinderrechte in die Verfassung zu schreiben. Klar ist, dass die Kinderrechtskonvention schon seit Jahren an verschiedenen Stellen auf unterschiedlichen Ebenen in unser Recht wirkt. Deshalb gibt es keinen zwingenden Grund, Kinderrechte in unserer Verfassung zusätzlich festzuschreiben. Bestehende Umsetzungsprobleme sind nicht über das Grundgesetz zu lösen , sondern gehören auf die Ebene der einfachen Gesetzgebung und Umsetzung, beispielsweise in die Juristen- und Richterausbildung oder Erzieher- und Lehrerschulung. Hier sollten wir handeln.“

Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass es keine zwingende Notwendigkeit gibt, Kinderrechte zusätzlich im Grundgesetz festzuschreiben und dass es mit einer Änderung des Grundgesetzes zu keiner Veränderung des bisherigen Beziehungsdreiecks zwischen Kindern, Eltern und Staat kommen darf.

Sollte es zu einer zusätzlichen Festschreibung im Grundgesetz kommen, die auch Prof. Kirchhof als schwierig und unnötig ansieht, würde man (Prof. Kirchhof folgend) folgenden Formulierungsvorschlag als Vorschlag zur Güte nennen: Art. 6 Abs. 2GG sollten folgenden Wortlaut erhalten (Eingearbeitete Änderungen):

"Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Das Wohl und die Rechte der Kinder sind sorgsam zu achten und zu fördern. Über den Umgang mit Kindern wacht die staatliche Gemeinschaft."

Der Grund für die Veranstaltung war das Vorhaben der Bundesregierung, zusätzlich Kinderrechte in unserer Verfassung zu verankern, da diese Forderung im Koalitionsvertrag steht. Dazu hat das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf vorgelegt, der eine umfangreiche Verfassungsergänzung in Art. 6 Grundgesetz vorsieht, die von allen Diskutierenden kritisch gesehen wurde.

Prof. Dr. Kirchhof stellte fest, dass Kinder bereits alle Grundrechte haben, da die Grundrechte des Grundgesetzes allgemein und für alle gelten. Deshalb würden keine spezifischen Kinderrechte benötigt. Auch viele Experten seien der Meinung, dass das Grundgesetz Kinder bereits sehr gut schütze. Der Staat sollte zunächst nur darauf achten, dass Eltern ihren Verpflichtungen gegenüber den Kindern nachkommen. Damit würde der Staat eine sogenannte „Wächterfunktion“ einnehmen. Wenn die Kinderrechte allerdings ins Grundgesetz kämen, hätte der Staat eine neue Aufgabe und mehr Einfluss auf die Erziehung von Kindern. Der Staat müsste dann nämlich jedes Grundrecht der Kinder explizit fördern. Dadurch gäbe es dann Kollisionen mit dem Elternrecht. Würde ein Kind bspw. auf eine Demonstration gehen aber die Eltern wollen, dass es die Schule besucht, könnte der Staat dann eingreifen und für das Kind und gegen die Eltern entscheiden. Dadurch würden die Rechte aber auch die Pflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern abgeschwächt.

Birgit Kelle arbeitete heraus, dass es eigentlich keinen dramatischen Grund in Deutschland gäbe, sich mit der Frage von Kinderrechten im Grundgesetz zu befassen. Wenn bsp. Richter die Rechte von Kindern nicht ausreichend beachten würden, dann müsste man in der Ausbildung der Richter daran arbeiten und nicht das Grundgesetz ändern. Am meisten sei Kindern deshalb geholfen, wenn man die Jugendhilfe besser ausstattet und die Ausbildung von Richtern verbessert. Sofern es Änderungen an Gesetzen brauchen sollte, müsste man diese am einfachen Recht und nicht im Grundgesetz vornehmen. Verfassungsänderungen würden an den konkreten Problemen auch nicht viel ändern. Sie vertrat außerdem auch die Meinung, dass Eltern besser als der Staat wüssten, wie sie ihre Kinder erziehen. Deshalb würde sie auch keine Verschiebung der Kompetenzen von den Eltern zum Staat wollen. Kinderrechte im Grundgesetz könnten das allerdings bewirken. Der Staat habe schon genug Befugnisse. Bspw. werden im Schnitt jährlich 50.000 Kinder aus Familien in Deutschland genommen. Außerdem sollte man erst das Recht auf Leben diskutieren, bevor man sich mit Kinderrechten im Grundgesetz befasst.

Matthias Höschel wies darauf hin, dass in gut 50 Jahren erst ca. 60-mal Änderungen am Grundgesetz vorgenommen wurden. Daher sollte man das nicht allzu leichtfertig tun.

Dr. Sedlmayr betonte zunächst, dass Deutschland schon viel getan habe, um die Kinderrechtskonvention umzusetzen. Er halte die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz als gutes Signal, um die Rechte von Kindern ernst zu nehmen. Allerdingx müsse man bei der Formulierung im Gesetz darauf achten, das Eltern-Kind-Verhältnis nicht zu beschädigt beschädigen, warnte er.

Dr. Donath vertrat die Auffassung, dass man Eltern gegenüber dem Staat sogar stärken könne, wenn man die Kinderrechte richtig formuliert und an die richtige Stelle im Grundgesetz setzen würde. Der Staat dürfe nicht mehr Befugnisse erhalten, in das Verhältnis von Eltern und Kindern einzugreifen. Es solle so bleiben wie Stand jetzt, dass der Staat nur eingreifen darf, wenn das Kindeswohl ernsthaft gefährdet ist. Außerdem seien Kinderrechte, die im Grundgesetz verankert würden, ein gutes Signal an alle, die mit dem Recht arbeiten, z.B. Richter. Es gäbe ein Problem bei der Umsetzung und Anwendung des Rechts, was explizite Kinderrechte lösen würden. Auch spare eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz Änderungen an anderen Gesetzen.

Im Anschluss an die Expertenrunde gab es noch eine angeregte Diskussion, an der sich alle Gäste im Publikum beteiligen konnten. Im Ergebnis vertrat auch die Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel als Sprecherin des Berliner Kreises die Meinung, dass Kinderrechte nicht ins Grundgesetz gehören. Eltern sollen vorrangig für ihre Kinder verantwortlich bleiben und nicht der Staat. Kinderrechte im Grundgesetz könnten dem Staat aber mehr Befugnisse zusprechen und würden darüber hinaus auch nichts an konkreten Problemen von Kindern ändern. Dafür muss man bspw. die Jugendämter besser unterstützen.


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