Von Götzen und billigen Ablenkungsmanövern

15. November 2019 in Kommentar


Eine Götzenstatue in einer Kirche ist ein No-Go. Aber reden wir doch von uns. BeneDicta von Petra Knapp-Biermeier.


Linz (kath.net) Die Straßenbahn bleibt stehen, und er steigt ein. Schaut links, schaut rechts. Die meisten Plätze sind frei. Er guckt, er wartet, er starrt, setzt endlich schleppend einen Schritt vor den anderen, lässt sich schwer fallen, direkt gegenüber von mir, mit Plastiktaschen, einem penetranten Geruch und Augen, die mich dunkel fixieren.

Die Straßenbahn surrt, der misstrauische Blick hebt sich, dann seine krächzende Stimme. „So kuaze Hoa. Wia a Bua.“ - „So kurze Haare. Wie ein Junge!“ Er schüttelt den Kopf, enttäuscht schaut er, seine Schultern sacken merklich nach unten, er umklammert die Flasche noch entschlossener, sein Blick wird durch irgend etwas weg gelenkt. Was für eine Welt. Denkt er das?

Mein extremer Kurzhaarschnitt hatte meinen Freunden gefallen, damals, am Anfang meines Studiums, ein neuer Entwurf halt, ein bisschen dekonstruieren und so. Aber jetzt. Ich fühle mich ertappt. Da hat gerade jemand gesagt, was er sieht. Nur gut, dass das unter vier Augen passierte. Er war der einzige, der mir damals so unverblümt den Spiegel vorgehalten hat. Der unbekannte, verwahrloste Obdachlose.

Als ich die Pachamama-Debatte verfolge, fällt er mir wieder ein. So einen könnten wir jetzt brauchen: Einen, der etwas sieht und es dann einfach benennt, ohne Rücksicht auf jegliche Befindlichkeiten rundum. Der beschreibt, was er wahrnimmt, der seine Worte nicht anschmiegt an die derzeitige Denke.

Ist die Pachamama nun eine Figur, die als Gottheit verehrt wird? Die Antwort darauf hat Gewicht. Was soll das kirchliche Gelabere, das seit Wochen so konturlos, so glibbrig und unförmig Runde um Runde um diese Frage herum kriecht? Was ist denn nun? Yes or no? Kennen wir eigentlich noch das Koordinatensystem unseres christlichen Glaubens?

Die Nummer 1 bei Gottes Geboten ist nicht, andere Götzen bestmöglich zu integrieren, sondern Gottes erste Mahnung an den Menschen ist: Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Das ist unsere erste Gefährdung, unsere größte Versuchung, meine, deine, die deines Bischofs, deines Pastors, deines Papstes.

Wie ein roter Faden zieht sich das durchs Alte Testament und dann durchs Neue. Ich sehe Gott hier als einen, der eifersüchtig ist, der darauf pocht, dass das Heilige heilig bleibt. Götzenstatuen in einem Haus Gottes sind deswegen ein No-Go.

Yes or no? Was auch immer diese Figur ist: Die Geschichte rüttelt mich wach, und ich mache mich auf, zu den geheimen Orten meines Herzens, wo ich es mir gemütlich eingerichtet habe. Da sitzen sie, aufgereiht, je nach Priorität, je nach Problem, meine Götzen, und heimelig fühlt sich das an, vertraut, da sind wir unter uns und keiner kann uns an, mir und meinen Götzen.

Götze, das ist das, was bei mir an die erste Stelle rückt, wenn eine Krise auftaucht oder auch, wenn es mir gerade gut geht. Sie schleichen sich ungefragt herein, wenn die Tür einen Spalt offen steht. Dann tanzen sie heran, die neuen Diäten, die ultimativen Erziehungsmethoden, der perfekte Lifestyle, und sie breiten sich aus wie Zombies, werden dick und fett, je mehr ich mich mit ihnen abgebe.

Leise verschwindet alles im Nebel, meine Identität, mein Sinn, meine Heimat, mein Gott. Ich sehe nur mehr Konturen und habe Ahnungen, Erinnerungen, und erst wenn es ganz, ganz ernst wird mit meiner Krise, dann gelingt es mir, sie abzuschütteln, sie links liegen zu lassen. Denn Halt haben sie mir noch nie gegeben, meine zuckersüßen Schatten. Auf den letzten Fragen trampeln sie vergeblich herum und können sie nicht zerstören, denn die sind aus Ewigkeit geschmiedet.

Gott ist meine Sicherheit, bete ich dann wieder. Du bist mein Trost. Mein einziger, ultimativer Halt. Mein Heil. Mein Retter und mein Erlöser. Ich will mich nicht länger ablenken lassen von Debatten um fremde Götzen an Orten, wo ich keinen Einfluss habe. Ich habe echt viel zu tun, mein eigenes Herz in Ordnung zu halten.

Es gibt keinen größeren Sieg, als dein eigenes Herz unter Kontrolle zu haben! Dann fließt Gnade, dann strömt Weisheit und Kraft, dann schenkt Gott Identität und Autorität. Was auch immer da draußen passiert – der Hauptschauplatz deines Lebens, dein größter Einflussbereich, die ultimative Möglichkeit, irgendwas zu verändern, beginnt in dir. Darum hüte dein Herz.


© 2019 www.kath.net