Argentinien: Razzia in Ex-Büros des Nacktselfie-Bischofs Zanchetta

11. November 2019 in Weltkirche


Staatliche Ermittlungen wegen Verdacht auf Veruntreuung von Staatsgeldern – Der umstrittene Bischof gilt als Freund und Beichtkind von Papst Franziskus und wohnt weiterhin mit ihm unter einem Dach


Orán (kath.net/pl) Argentinische Zivilbehörden durchsuchten vergangene Woche Büros des als „Nacktselfie-Bischofs“ bekannt gewordenen früheren Bischofs von Orán, Gustavo Oscar Zanchetta (Archivfoto). Zanchetta gilt als Freund und Beichtkind von Papst Franziskus. Der argentinische Bischof wird beschuldigt, Seminaristen missbraucht sowie kirchliche Gelder veruntreut zu haben. Ihm drohen nach argentinischem Recht zwischen drei und zehn Jahren Gefängnis. Regionale Spezialisten für Wirtschaftskriminalität führten die Durchsuchung durch, berichtete der „Catholic Herald“ anhand der argentinische Zeitung „El Oranense“, mit dem Ziel der Aufdeckung von Zanchettas mutmaßlichem Betrug gegen den Staat. Neben Anschuldigungen wegen Missmanagements von Kirchengeldern, die von Gläubigen der Diözese gespendet wurden, belegen staatliche Aufzeichnungen, dass Zanchetta mehr als 1 Million argentinische Pesos aus der Provinz Salta erhalten hatte, um ein Pfarrhaus wiederherzustellen, außerdem für Vorträge im Seminar, die nie stattfanden.

Der Fall gilt als besonders brisant für Papst Franziskus, denn es geht außerdem um gravierende sexuelle Vorwürfe gegen Zanchetta. Der Vatikan soll pikante Informationen über den damaligen Bischof von Orán laut Auskunft des damaligen Generalvikars von Orán bereits zwischen 2015 und 2017 erhalten haben. So sollen unter anderem Nackt-Selfies des Bischofs auf seinem eigenen Handy entdeckt worden sein, offenbar zeigen die Selfies den Bischof masturbierend. Außerdem habe Zanchetta Schwulenpornos auf seinem Smartphone gehabt, die „junge Leute“ beim Sex zeigten. Zanchetta sei weiterhin nachts mit einer Taschenlampe durch die Zimmer der Seminaristen spaziert und habe sie um „Massagen“ gebeten. Zwei frühere Generalvikare und der Rektor des Priesterseminars von Oran informierten darüber die Nuntiatur in Argentinien. Die Kopie dieses Beschwerdebriefes wurde inzwischen in argentinischen Medien veröffentlicht, kath.net hat berichtet.

Bischof Zanchetta seinerseits behauptete, sein Telefon und sein Computer seien gehackt worden, und die Anschuldigungen gegen ihn seien von Menschen motiviert worden, die Papst Franziskus nicht unterstützten. Papst Franziskus hatte Zanchetta im Oktober 2015 für fünf Tage nach Rom gerufen, danach schien er Zanchettas Entschuldigung angenommen zu haben, dass sein Handy gehackt worden war.

Als er 2017 wegen massiven Vorwürfen aus seinem Amt als Bischof von Orán zurücktreten musste, wurde für ihn im Vatikan eigens eine neue Stelle in der vatikanischen Güterverwaltung geschaffen. Dieses Amt muss Zanchetta derzeit ruhen lassen. Der umstrittene Bischof durfte allerdings noch 2019 an den Fastenexerzitien seines Landmannes Papst Franziskus teilnehmen, auch wohnt er weiterhin im Gästehaus Santa Marta, also unter einem Dach mit dem Papst. Zanchetta war im Laufe des ersten Weltjugendtags von Papst Franziskus (Rio de Janeiro 2013) zum Bischof von Orán ernannt worden, Franziskus war damals noch relativ neu im Amt gewesen.

Auch nach deutlich über einem halben Jahrzehnt im Amt hat Papst Franziskus sein Heimatland Argentinien noch nicht besucht. Beobachter rätseln, ob inzwischen auch der Fall Zanchetta zu den Bremsklötzen für einen solchen Besuch gezählt werden sollte. Möglicherweise befürchtet Franziskus, dass ihm die kirchliche Situation in Argentinien im Laufe eines Papstbesuches ähnlich heftig um die Ohren fliegen könnte wie nach seinem Besuch in Chile, wo er die Vorwürfe gegen den hochumstrittenen Bischof Juan Barros nicht ernst genug genommen hatte und die chilenische Hierarchie danach in eine beispiellose Krise gestürzt wurde, die weiterhin keineswegs als gelöst gilt.


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