Die Büchse der Pandora

26. Oktober 2019 in Kommentar


„Wenn man die Pressekonferenzen zur Amazonas-Synode anhört, bekommt man die immergleichen Schlagworte zu hören“ – „Selbst Luther und Calvin wären entsetzt über einen solchen Nonsens. Und der Papst schaut zu...“ Von Bischof Robert Mutsaerts


Vatikan (kath.net) Bischof Robert Mutsaerts, Weihbischof der holländischen Diözese Hertogenbosch, hat auf seinem Blog am 21.10.2019 deutliche Kritik an der Amazonas-Synode geübt. kath.net dokumentiert den Blogbeitrag jetzt in voller Länge in deutscher Übersetzung – Übersetzung © kath.net:

Wenn man die täglichen Pressekonferenzen zur Amazonas-Synode anhört, bekommt man die immergleichen Schlagworte zu hören: neue Wege, Hören auf die dortige Bevölkerung, Klimaveränderung und Mutter Erde. Es hat den Anschein, dass die wirklich grundlegenden Probleme einfach nicht benannt werden sollen. In dieser Hinsicht ähnelt die Synode sehr der Jugendsynode vom Oktober 2018.

Gibt es im Gebiet des Amazonas einen Priestermangel? Ja, den gibt es. Aber das ist in vielen Weltgegenden der Fall (Afrika, China, Mittlerer Osten). Die wirkliche Frage ist das allerdings nicht. Derweil werden die Mantras tagtäglich wiederholt, während man katholisches Vokabular fast völlig vermisst. Bischöfe und Kardinäle diskutieren über Umwelt, Meeresspiegel-Anstieg - und dass wir vor allem zuhören sollen. Sie reden wie Politiker: dieselben Slogans, dieselbe billige Rhetorik. Erstaunlich, dass bei einer Synode solche Dinge besprochen werden. Es ist nicht das Spezialgebiet der Kirche, weder unser Kerngeschäft noch unsere Perspektive. Offenbar wollen wir relevant sein, auch auf Kosten unserer Identität. Letztere ist im verwendeten Wortschatz und Jargon nirgends wahrzunehmen. Verwendeten wir einst Worte wie "unsere heilige Mutter, die Kirche", "Höllenfeuer" und "Tugenden", geht es jetzt um "Mutter Erde", "Amazonasbrände" und "Ökologie". Es ist keinerlei Unterschied zu Positionen politischer Parteien und Aktionsgruppen festzustellen.

Und noch etwas: Missionare werden auf einmal als Imperialisten dargestellt, die ihre Werte der einheimischen Bevölkerung aufgedrungen hätten. Haben diese Missionare wirklich nichts für die Einheimischen getan? Sie haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um das Evangelium zu verkünden. Wieviele Märtyrer sind unter ihnen! Sie sind in den Urwald gegangen, um dem Gebot Jesu zu gehorchen, das Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu bringen. Den Missionaren war völlig bewusst, dass sie sich erst um die physischen Bedürfnisse der Bevölkerung des Amazonas zu kümmern hatten. Sie kämpften gegen Armut, bauten Krankenhäuser und Schulen. So wurden die Menschen neugierig darauf, was sie zu sagen hatten. Diese Missionare wussten, dass Gott nicht durch die Bäume zu uns spricht – manche Synodenteilnehmer äußern sich in einem anderen Sinne – und dass rituelle Kinderopfer etwas Grauenhaftes sind. Sie zeigten den Einheimischen einen Weg heraus aus Finsternis und Tod, ermöglichten ihnen den Empfang der Sakramente. Wenn jetzt suggeriert wird, dass den Missionaren das Wohl der Menschen gleichgültig gewesen sei, dass ihre Antriebsfeder in Imperialismus und Eigeninteresse bestanden habe, dann ist das reichlich grotesk. Ebenso grotesk ist es, dass uns nun auf einmal ein Licht aufgegangen sein soll, so dass wir nun endlich begreifen, dass es um etwas ganz anderes geht: Mutter Erde, Erderwärmung, CO2.

Das alles hat nichts mit Empathie für Einheimische zu tun. Es wird immer klarer, dass die Amazonassynode missbraucht wird, um eine versteckte Agenda durchzusetzen. Angeblich ist der Zölibat für die einheimischen Männer unverständlich, und deswegen führen wir die Priesterehe ein. Komisch eigentlich, dass schon über ein Jahrtausend lang Menschen aller Völker, Rassen und Kulturen den Zölibat akzeptiert haben – die Völker des Amazonas aber ihn angeblich nicht verstehen. Sind sie zu dumm dazu? Ist es das, was hier suggeriert werden soll? Was für eine absurde Diskrimierung soll das sein? Selbstverständlich wird dann sofort auch eine Lanze für das Priestertum der Frau gebrochen. All das, damit Menschen um jeden Preis etwas mehr Gelegenheit gegeben wird, an der Feier der Eucharistie teilzunehmen. Geht es wirklich darum? Wie war das noch mit Japan, wo 250 Jahre lang kein Priester anzutreffen war und keine hl. Messen gefeiert werden konnten? Nach Verlauf dieser 250 Jahre staunte man über die Vitalität des Christentums in Japan! Die Katecheten hatten großartige Arbeit geleistet. Kein Mensch war dort auf die Idee gekommen, man müsse nun das Priesteramt für verheiratete Männer oder Frauen fordern. So sind es auch nicht die Katholiken des Amazonas, die dieses Ansinnen vortragen, sondern Kardinäle und Bischöfe des Westens. Warum tun sie übrigens so, als ob die Menschen des Amazonasgebiets sämtlich im Urwald leben und Bäume anbeten? Achtzig (80!) Prozent der einheimischen Bevölkerung lebt in Großstädten, genau wie du und ich. Und genau wie du und ich tragen sie Jeanshosen mit T-Shirt und keine Schilfröckchen.

Derjenige, dem wirklich am Amazonas gelegen ist, muss den Einheimischen die Wahrheit sagen, nämlich dass es Jesus Christus ist, der uns rettet. Aus diesem Grund muss das unverkürzte Evangelium verkündet werden. Der Ruf zur Bekehrung und die damit verbundene Verheißung der Sündenvergebung – ist das nicht eine Zusammenfassung der gesamten Bibel? Aber niemand auf der Synode hat das Wort "Sünde" in den Mund genommen, und darum auch nicht die Worte "Vergebung" und "Barmherzigkeit". Doch, einmal wurde so etwas erwähnt: die "Sünde gegen Mutter Erde". Das Wichtigste ist die Umwelt. Das passt bestens zu den Kernbegriffen der neuen Theologie: "integrale Ökologie", "Diversität", "Synodalität", "Brückenbauen", "neue Wege", "Veränderung" und sonstiges Geschwafel in dieser Richtung. Die Synode ist wirklich die politisch korrekteste Versammlung aller Zeiten, und man ist freudig überrascht, dass Greta Thunberg noch nicht für das Kardinalat vorgeschlagen wurde. Ist dort noch jemand an der Rettung von Seelen interessiert? War das nicht der Grund, warum Christus am Kreuz gestorben ist?

Wenn Sakramente, Sünde, Rechtfertigung und Hölle künftig irrelevant sind – warum hält man dann überhaupt noch eine Synode? Wenn die Kirche 2000 Jahre lang geirrt hat – genau dieser Eindruck wird nämlich vermittelt – warum sollten dann die Positionen der Kirche überhaupt noch von Belang sein, seien es nun Positionen zu Fragen der Ökologie oder welche auch immer? Was will die Kirche im Übrigen gegen das Ansteigen des Meeresspiegels oder CO2-Emissionen unternehmen? Meiner Ansicht nach hilft hier auch das "Priestertum der Frau" nicht wirklich weiter. Natürlich hat das eine gar nichts mit dem anderen zu tun, und trotzdem soll es ohne Rücksicht auf Verluste durchgesetzt werden. Als übrigens zur Zeit Noahs der Meeresspiegel stieg, war das Endergebnis gar nicht einmal so schlecht.

Jeder weiß, dass die Erderwärmung nicht das wirkliche Problem des Amazonasgebietes ist, sondern – wenn wir schon nicht über Jesus Christus sprechen wollen – Drogen und daher auch Drogenbanden, Drogenkriege, zahllose Drogenopfer. Warum "hören wir" nicht den Drogenopfern und Drogenabhängigen zu? Das ist ein viel größeres Problem. – In Südamerika fallen schätzungsweise sechs Millionen Kinder der Abtreibung zum Opfer. Auch das ist ein viel größeres Problem. Wäre nicht viel eher eine Synode über dieses Problem angebracht?

Schließlich die Pressekonferenz vom letzten Freitag (18. Oktober): Schwester Daniela Adriana Cannavina erklärte dort, dass eines der Resultate der Synode darin bestehe, dass es künftig weibliche Diakone geben solle. Anschließend bemerkte Erzbischof Rino Fisichella, dass bei der künftigen Evangelisierung auch die Heiden etwas einzubringen hätten, damit "die einheimischen Menschen ihren Glauben in Übereinstimmung mit ihren Gewohnheiten ausdrücken können und so die Kirche ein amazonisches Gesicht bekommt." Und zum krönenden Abschluss wurde ein neuer Ritus angekündigt: der Amazonas-Ritus – der auch aus heidnischen Elementen bestehen soll. Kurzum, die Büchse der Pandorra ist weit geöffnet. Das geht auch aus den Einlassungen von Bischof Mario Antonio da Silva hervor, dass wir Priester brauchen und deswegen (deswegen?) möglichst auch Verheirateten den Weg zur Priesterweihe eröffnen müssen, wobei er dann noch ganz artig hinzufügte, dass diese Synode in ihren Konsequenzen nicht nur das Amazonasgebiet, sondern die ganze Weltkirche beträfe.

Die Schlussworte da Silvas fassen das Ganze sehr gut zusammen. Er betrachtet die Synode als "eine Gelegenheit, in Berührung zu kommen mit dem Leben, den Wäldern, dem Wasser, den Tieren, den Mineralien, aber ganz besonders mit den Gemeinschaften, die von Weisheit erfüllt sind" (englischer Originaltext nachzulesen auf der Vatikanischen Website). Selbst Luther und Calvin wären entsetzt über einen solchen Nonsens. Denn das ist es. Und der Papst schaut zu...


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