Kardinal: Westen muss Saudis zu Menschenrechte-Einhaltung zwingen

26. Juli 2019 in Weltkirche


Erzbischof von Colombo, Ranjith: Völlig verfehlte Reaktion westlicher Länder auf Salafismus - Bisher keine Aufklärung der verheerenden Selbstmordanschläge in Sri Lanka auf Christen zu Ostern: "Es besteht immer Gefahr für das Leben unserer Leute"


Würzburg (kath.net/KAP) Die von Saudi-Arabien unterstützte islamistische Strömung des Wahhabismus will Konflikte zwischen den Religionen schüren - und es läge an den mit Saudi-Arabien befreundeten westlichen Staaten, hier bremsend einzulenken und Riad zu Demokratie, Gleichheit und einer Anerkennung der Menschenrechte zu zwingen: Das hat der Erzbischof der srilankesischen Hauptstadt Colombo, Kardinal Malcolm Ranjith, in der katholischen Zeitung "Die Tagespost" (25. Juli) eingefordert: "Jene Staaten, die andere belehren, die Menschenrechte zu achten, erfüllen ihre eigenen Verpflichtungen nicht: Da läuft etwas ganz falsch in der Art, wie die westliche Welt auf diese Situation reagiert!", kritisierte der Kardinal im Interview.

Erzbischof Ranjith bezog sich auf die Situation in seinem Heimatland, wo es seinen Aussagen zufolge seit Jahrhunderten ein Zusammenleben ohne Gewalt zwischen den Buddhisten, die die Mehrheit der Bevölkerung stellen und laut dem Kardinal "religiös sehr tolerant" sind, sowie muslimischen wie auch christlichen Minderheiten gebe. Die Muslime, die acht Prozent der Bevölkerung stellen, seien "friedfertige Leute", seien zugleich aber seit rund drei Jahrzehnten dem "starken Druck eines sehr radikalen, ideologischen Islam" ausgesetzt, der von außen komme und besonders unter jungen Leuten zu einer Radikalisierung führe. Besonders der Wahhabitismus (bzw. Salafistentum) stehe dahinter.

Entsetzliche Folgen habe dies im Zuge der Anschläge auf drei Kirchen und Hotels in Sri Lankas am Ostersonntag gehabt, als 253 Menschen ums Leben kamen und 485 weitere Personen verletzt wurden. Noch immer sei das Verbrechen nicht aufgeklärt, der im Auftrag des Präsidenten erstellte Bericht einer Untersuchungskommission nicht veröffentlicht worden, beklagte der Erzbischof. Ein weiteres Komitee aus Parlamentariern, das durch die Regierung berufen wurde, habe seine Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. "Wir haben also bisher keine offizielle Mitteilung darüber, wer für diese Anschläge verantwortlich ist", sagte Ranjith.

Schlimm sei dies besonders, weil man so weiterhin nicht wisse, "wie viele dieser Selbstmordattentäter ausgebildet wurden und wo sie sind". Vermutungen zufolge seien neun von ihnen in die Anschläge verwickelt gewesen, Informationen deuteten jedoch darauf, "dass es noch mehr gibt". Solange die Regierung und die Sicherheitskräfte nicht ernsthaft darauf schauen, "besteht immer eine Gefahr für das Leben unserer Leute", verdeutlichte Kardinal Ranjith.

Warnungen wurden überhört

Schwere Verfehlungen von Regierungsseite habe es jedoch bereits vor den Anschlägen gegeben: Schließlich habe der indische Geheimdienst die zuständigen Stellen in Sri Lanka schon drei Wochen vor den Anschlägen über deren Möglichkeit informiert und in den Tagen darauf - sogar noch am Morgen der Anschläge - die Warnungen erneuert. Niemand in der Regierung seines Landes habe jedoch davon wirklich Kenntnis genommen, der Brief sei an verschiedene Stellen weitergereicht worden ohne Maßnahmen einzuleiten. "Das ist ein schwerwiegender Fehler, eine Fehlkalkulation und aus meiner Sicht auch ein sträfliches Verbrechen, weil so viele Menschen dadurch ihr Leben verloren haben", betonte Ranjith.
Unter den Katholiken habe sich in den bisher drei Monaten nach den Anschlägen der anfängliche Zorn in Bereitschaft zur Vergebung gewandelt; sie hätten "in großer Würde und mit großem Sinn für Spiritualität" reagiert, erklärte der Kardinal. Der schon zuvor bedeutende interreligiöse Dialog sei noch intensiviert worden, denn "wir dürfen nicht gegeneinander kämpfen, sondern müssen zusammenarbeiten, um das Leben der Menschen stetig zu verbessern", so der Erzbischof von Colombo.

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Archivfoto Kardinal Ranjith (c) Wikipedia/Janaka Pradeep /CC BY-SA 3.0


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