Künftig härtere Strafen für Sexualverbrechen in Polen

16. Mai 2019 in Aktuelles


Ankündigung von Ministerpräsident Morawiecki im Zusammenhang mit großer gesellschaftlicher und politischer Debatte, die neuer Dokumentarfilm über Missbrauchsfälle in der Kirche ausgelöst hat


Warschau (kath.net/KAP) Die polnische Regierung hat härtere Strafen für Sexualverbrechen angekündigt. Die Vergewaltigung eines Kindes solle künftig mit bis zu 30 Jahren Gefängnis bestraft werden, kündigte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki nach Angaben der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) auf einer Pressekonferenz nach einer Kabinettssitzung in Warschau an. Bisher lag die Höchststrafe bei 25 Jahren. Die Mindeststrafe will die Regierung zudem auf acht Jahre Haft anheben, bei anderen Missbrauchstaten mit besonderer Grausamkeit auf fünf Jahre.

Die Ankündigung des Regierungschefs steht im Zusammenhang mit der großen gesellschaftlichen und politischen Debatte, die der neue Dokumentarfilm "Nur sag es niemandem" des Regisseurs Tomasz Sekielski über sexuellen Kindesmissbrauch durch Geistliche ausgelöst hat. In ihr konfrontieren Betroffene ihre ehemaligen Peiniger mit deren Taten. Die am Samstag im Internet veröffentlichte Doku wurde auf der Videoplattform YouTube seither millionenfach geklickt.

Eine von der Opposition geforderte parlamentarische Untersuchungskommission für Missbrauchsfälle in der Kirche lehnte Ministerpräsident Morawiecki am Dienstag ab: "Wir sehen nicht, dass die Einberufung eines Ausschusses notwendig ist." Er verwies darauf, dass Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro schon tags zuvor eine eigens gebildete Gruppe von Staatsanwälten mit der Analyse der Missbrauchsfälle beauftragt habe, die in dem Film geschildert werden.

Der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, kündigte unterdessen für 22. Mai eine Sitzung des Ständigen Rats der Bischofskonferenz an. Hauptthema der Beratungen in Warschau würden dabei weitere Maßnahmen der Kirche in Polen zum Schutz von Minderjährigen sein, so der Erzbischof von Posen.

Gadecki hatte sich namens der Bischofskonferenz schon unmittelbar nach Veröffentlichung des Dokumentarfilms in einer schriftlichen Stellungnahme bei allen Opfern entschuldigt und auch dem Filmemacher für dessen Arbeit gedankt. "Bewegt und traurig" habe er sich Sekielskis Dokumentation angeschaut. Der Grundtenor des Films decke sich mit seinen Erfahrungen, die er in vielen Gesprächen mit Geschädigten gewonnen habe, sagte Gadecki. Die Doku werde zur genauen Einhaltung der Richtlinien für den Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Kirche beitragen.

Der für den Kinderschutz in der Kirche zuständige polnische Primas, Erzbischof Wojciech Polak, äußerte sich in einem eigenen Video "tief betroffen" von den Schilderungen in dem Film: "Ich danke allen, die den Mut haben, von ihrem Leid zu erzählen." Er entschuldige sich für jede von Kirchenmitarbeitern zugefügte "Wunde".

Schon im vergangenen Herbst hatte der Kino-Film "Kler" ("Klerus") in Polen eine massive Debatte über das Tabuthema Missbrauch durch Priester und den Einfluss der Kirche in Politik und Gesellschaft ausgelöst. Es gebe unter den Bischöfen den klaren Willen gegen derartige "Sünden und Verbrechen" mit konkreten Handlungsschritten anzukämpfen, heiß es damals in einer Bischofskonferenz-Erklärung. Jedem Hinweis auf mögliche Straftaten solle nachgegangen werde und im Falle der Bestätigung von Verdachtsmomenten "der Heilige Stuhl und die Staatsanwaltschaft informiert" werden.

Kirchliche Präventionssysteme müssen künftig stärker als bisher wirksam werden, betonten die Bischofskonferenz-Verantwortlichen schon im Vorjahr. Unter anderem verwiesen sie auf das seit 2014 bestehende kirchliche Kinderschutz-Zentrum. In allen Diözesen gebe es Missbrauchsbeauftragte an die sich Betroffene wenden könnten. Das Kinderschutz-Zentrum organisiere auch Schulungen für den Diözesan- und Ordensklerus, die durch Bewusstseinsbildung präventiv dazu beitragen sollen, Kinder und Jugendliche vor sexuellem Missbrauch zu schützen.

Ende März 2019 machte die Bischofskonferenz auch erstmals offizielle Angaben zum Ausmaß der sexualisierten Gewalt von Geistlichen gegen Kinder und Jugendliche in der Kirche in Polen. Zwischen zwischen 1990 und Juni 2018 seien entsprechende Missbrauchsvorwürfe gegen 382 Priester und männliche wie weibliche Ordensleute gemeldet worden, hieß es. Von den 625 mutmaßlichen Opfern seien 345 unter 15 Jahre alt gewesen. Darunter seien auch "unbestätigte Opfer".

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