Expertin warnt vor Pränataldiagnostik als Selektionsinstrument

3. Mai 2019 in Prolife


St. Pöltner Kommunikationschefin Brandner und Psychologin Tordy debattieren in "Furche" über Spätabbruch und #fairändern


Wien (kath.net/KAP) Die Kommunikationschefin der Diözese St. Pölten, Katharina Brandner, hat vor einer als Selektionsinstrument genutzten Pränataldiagnostik und die sich daraus ergebenden Folgen für Menschen mit Behinderung gewarnt. Die Möglichkeit eines Spätabbruchs bei Beeinträchtigungen des Kindes führe zu einer schiefen Ebene im Umgang mit Menschen mit Behinderung: "Wenn ihr Leben zur Debatte stand, bevor sie auf die Welt kamen, warum soll es nicht auch an jedem anderen Punkt ihres Lebens zur Debatte stehen?", gab Brandner in der aktuellen Ausgabe der "Furche" zu bedenken. Im Februar 2016 wurde ihre Tochter Felicitas mit einer neuromuskulären Beeinträchtigung geboren. Sie starb am 26. Dezember 2016.

Brandner sprach sich für ein Modell, wie etwa jenes in Deutschland aus. Dort wurde der Passus über die "eugenische Indikation" 1995 abgeschafft, Frauen können allerdings weiterhin ein behindertes Kind nach der Dreimonatsfrist aus "medizinischer Indikation" abtreiben, wenn die "Gefahr eines schweren Schadens für die seelische Gesundheit der Frau" besteht. "Ich glaube schon, dass diese Herangehensweise sinnvoll wäre, weil man weggeht von der Frage 'Behinderung ja order nein' zur Frage: Was schaffe ich als Mutter, was brauche ich von der Familie, von der Gesellschaft, um mit einem Kind mit dieser oder jener Herausforderung leben zu können?"

Das würde laut Brandner die schiefe Ebene "schon etwas geraderücken". Außerdem sei die Zahl der Spätabbrüche in Deutschland nach 1995 auch zurückgegangen, "da hat schon ein Umdenken stattgefunden, von dem sind wir in Österreich noch weit entfernt und man würde damit endlich auch der Behindertenrechtskonvention entsprechen, die man ja schon unterzeichnet hat".

Einmal mehr sprach sich Brandner auch für die Initiative #Fairändern aus, die u.a. die Streichung der "eugenischen Indikation" fordert und am 7. Mai im parlamentarischen Petitionsausschuss verhandelt wird. Es müsse endlich breit darüber diskutiert werden. Dass das zu einer Überforderung betroffener Mütter führen könne, wollte Brandner nicht gelten lassen. "Manchmal braucht es Überforderungen, um endlich eine Debatte zum Thema Spätabbrüche in Gang zu setzen. Die Initiative 'Fakten helfen' der Aktion Leben, bei der es nur um die anonymisierte Erhebung von Schwangerschaftsabbrüchen ging, wurde ja vom Tisch gewischt. Wenn diese Kinder nicht auf die Welt kommen, wie schafft man dann gesellschaftliche Veränderungen und sorgt dafür, dass die schiefe Ebene nicht immer schiefer wird?"

Keine politischen Forderungen

Karin Tordy, Psychologin an der Abteilung für Frauenheilkunde am AKH Wien, begleitet täglich schwangere Frauen und ihre Partner, die einen auffälligen pränatalen Befund erhalten haben. Für sie seien Petitionen wie "#Fairändern" nur dann vertretbar, wenn diese zu einer Diskussion anregen wollen; "denn es ist ein Unterschied zu sagen, wir sollten darüber reden oder ob es um eine politische Forderung geht". In Österreich versuche man die Verantwortung eben nicht nur auf die Schultern der Mutter zu laden, sondern es gebe auch eine medizinische Einschätzung, die von vielen Ärzten getragen werde, und standardisierte Handlungsanweisungen. Am AKH sei etwa bei jeder Diagnose eine Psychologin dabei.

Kritisch äußerte sich Tordy auch zum Begriff der "eugenischen Indikation". Diesen Begriff zu verwenden, sei nicht nur deshalb unpassend, "weil das überhaupt nicht unser Ziel ist, sondern auch sachlich falsch, weil bei uns sehr viele Fehlbildungen festgestellt werden, die gar nichts mit Genetik zu tun haben". Außerdem provoziere dieser Begriff: In dem Moment, in dem das Wort "Eugenik" im Raum stehe, habe man zwei Lager.

Ärzten schreibt die Psychologin hier eine Schlüsselrolle zu: "Sie sind oft darauf fokussiert, nichts zu übersehen, rechtlich aufzupassen. Den Hinweis auf die Möglichkeit eines Abbruchs sehen sie wohl als Hilfestellung, aber ich höre auch immer wieder von Frauen, dass das als Empfehlung verstanden wird. Hier bräuchte es sicher mehr Bewusstsein darüber, wie wichtig die Form der Kommunikation ist."

Laut §97 StGB ist ein Schwangerschaftsabbruch jenseits der ersten drei Monate dann straffrei, wenn er "zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist"; oder wenn "eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistich oder körperlich schwer geschädigt sein werde".

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