"Es gibt keine solche Monarchie in der Kirche"

15. April 2019 in Kommentar


Eine katholische Antwort auf ein sehr provozierendes evangelisches Plädoyer - "Der Kirche ist die von Gott geoffenbarte Wahrheit anvertraut und sie hat diese zu verkünden." - Der Montagskick in dieser Woche als Essay von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)
Die Krise der Kirche ist in ihrem innersten Kern eine Krise des Glaubens an den allmächtigen Gott, wie ihn die Kirche lehrt. Vor diesem Gott wird jeder Mensch nach dem Ende seines irdischen Lebens stehen und von ihm gerichtet werden. Es gibt keine andere Erklärung dafür, warum erwachsene, studierte Männer, die eine sakramentale Weihe empfangen haben und damit zum Lehren, Leiten und Heiligen des Gottesvolkes beauftragt sind, minderjährige Kinder sexuell missbrauchen. Ein jeder Mensch kann wissen, dass ein solcher Übergriff die Seele eines Menschen in den allermeisten Fällen unheilbar beschädigt. Wie kann ein Mann, der an Gott zu glauben vorgibt dies tun? Die von der Erbsünde gebrochene Natur reicht allein nicht, um hier zu erklären. Es muss eine gehörige Portion Un- oder Irrglaube dazu kommen.

Es ist zudem eine Krise der Moraltheologie. Die Wurzeln der Krise zeigte sehr nüchtern der Artikel von Papst em. Benedikt XVI. im Bayrischen Klerusblatt der vergangenen Woche auf, kath.net hat berichtet. Es ist auch eine Krise des Priestertums, die aus dem Konvikt und dem Seminar ein offenes Studienhaus in Beliebigkeit der Lebensformen machte, statt geistlich angemessen auf den Zölibat vorzubereiten, der mehr ist, als reine Enthaltsamkeit. Die geistliche und moralische Ausbildung der Priester verkam zu einer Farce. Man wundert sich angesichts der Schilderungen des Emeritus eher über die vielen guten Seelsorger, die es trotzdem noch gibt.

Wer in der Krise ist, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Festung nun von allen Seiten sturmreif geschossen wird. Die Missbrauchskrise der Kirche brachte die Mauern ins Wanken. Noch steht die Leoninische Mauer. Aber die Bliden, Ballisten und Onager der „Freunde“ und „Befreier“ dreschen ohne Pause auf sie ein. Gemeint sind die uralten Forderungen „das Gemeinsame Abendmahl, der Zölibat, die Rolle der Frauen, Empfängnisverhütung, der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, das Verhältnis zu den anderen Konfessionen und Religionen und zu den modernen Naturwissenschaften.“, wie sie die Anwältin der finalen Rettung der Kirche, Ellen Ueberschär, in ihrem Plädoyer in einem Sonderheft der Herder Korrespondenz aufzählt.

Sie fordert, den Vatikan zu demokratisieren. Papst Benedikt XVI. wirft sie vor, eine vormoderne Theologie vertreten zu haben und an dessen Umsetzung gescheitert zu sein. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob es eine vormoderne Wahrheit geben kann und wenn ja, welche Mode sie unwahr machen soll. Nur wer sich wie Ueberschär dem absolutistischen Terminus einer Diktatur des Relativismus unterwerfen will, kann so denken.

Die Gefahr darin liegt auf der Hand, was heute wahr ist wird morgen Lüge sein. Welcher Despot fällt jeweils die Entscheidung?

Und nur so kann es zu dem fatalen Missverständnis kommen, das Papsttum sei eine absolutistische Monarchie. Nur wer ein dynamisches Wahrheitsverständnis hat, wird einem solchen Irrtum in einer solchen Form unterliegen können. In der Tat ist der Vatikanstaat politisch eine absolute Monarchie, in der der Papst im Prinzip Alleinherrscher ist. Doch welche Macht ist damit verbunden? Vermutlich hat jeder westfälische Provinzbürgermeister mehr politische Macht als der Papst.

Der Papst ist das sichtbare Oberhaupt der Katholiken weltweit.

Das Petrusamt ist mit gar keinen Machtbefugnissen ausgestattet außer denen, die Jesus selber dem Petrus gegeben hat. Kein Papst kann etwas Neues erfinden oder einen neuen Glaubenssatz konstruieren. Kein Papst kann einen Glaubenssatz außer Kraft setzen. Der Papst ist kein Monarch (=alleinherrscher) des Glaubens, er ist ein Diener der Wahrheit und alle seine in Vergangenheit tatsächlich verwendeten Königsattributen zeigten dem Grunde nach auf Christus, dessen Stellvertreter auf Erden er ist. Christus allein ist der Herr der Kirche und der Herr des Glaubens.

Eine Demokratisierung der Kirche oder einer Verstuhlkreisung des Vatikans wäre am Ende nicht mehr die Kirche. Das wird eine evangelische Theologin niemals unterschreiben können, soviel Verständnis muss man in der Ökumene mit Protestanten aufbringen. War es doch ausgerechnet der „Vormodernist“ Kardinal Ratzinger, der als Präfekt der Glaubenskongregation mit dem Dokument „Dominus Jesus“ eben nur zu deutlich gemacht hat, welch eine Sprachverwirrung darin steckt, die evangelischen Gemeinschaften einfach als „Kirche“ zu bezeichnen.

Redliche evangelische Theologen haben das Dokument, nachdem sich der emotionale Pulverdampf verzogen hatte, recht positiv und offensiv aufgenommen. Die theologische Rede von der Kirche sei aber bitte vom alltäglichen Umgangssprachlichen Begriff evangelische Kirche zu unterscheiden. Es gibt auch Höflichkeits- und Umgangsformen, die eine evangelische Bischöfin natürlich mit dem Titel anredet, obwohl sie selbstverständlich keine gültige Bischofsweihe empfangen haben kann. Theologie ist das eine. Umgangsformen und Diplomatie das andere. Auch hier sind Begriffe und deren Kontext klar zu trennen.

Man dankt folglich herzlich für die Einladung als eine weitere Wahrheitssucherin in den „Ökumenischen Rat der Kirchen“ aufgenommen zu werden. Danke, aber danke, nein! Die Redlichkeit gebietet einzuräumen, dass das, was dort eintreten würde, gestaltete man es so um, wie Frau Ueberschär es sich erträumt, nämlich vielfältig, weltlich, partikularisch und demokratisch keinesfalls mehr die Kirche sein kann. Es sind gerade vier andere Attribute, die die Kirche dem Credo zufolge theologisch korrekt umschreiben: einig, heilig, katholisch und apostolisch. Das konstituiert die Kirche.

Es ergibt infolgedessen – und sei es noch so verlockend - auch für die Laien keinen Sinn, die Kirche zu demokratisieren oder vollends zu synodalisieren. Es geht in der Kirche um nichts anderes, als um die von Gott geoffenbarte ewige Wahrheit, die sich in Schrift und Tradition in untrennbarem Zusammenhalt den Menschen in jeder Zeit offenbart und die eben der Kirche anvertraut ist. Sie hat sie zu verkündigen und nicht zeitgerecht umzubauen. Das zu tun und nichts anderes ist der Auftrag der Kirche.

In evangelischen Gemeinschaften mag der Fall anders liegen. Suche nach Wahrheit, Suche nach Sinn, Suche nach der richtigen Ökologie oder eben auch Suche nach Gott, das alles mag dort gehen.

Eines allerdings ist immer wieder verwunderlich. Evangelischen Theologen glauben allen Ernstes der katholischen Kirche Nachhilfe darin geben zu müssen, wie „Kirche“ geht. Die Ursache scheint das natürliche immer wieder Hinstreben zur Einheit zu sein. Und in der Tat ist der Glaube an Gott bestrebt, genau diese Einheit zu suchen, immer wieder auf die Einheit zuzugehen. Es kann natürlich nur eine Einheit in der Wahrheit sein. Und darin kann nur die einzig wahre Ökumene bestehen, in volle Einheit wieder einzutreten, indem die volle Wahrheit angenommen wird. Das ist keine Rückkehrökumene, wie gerne behauptet wird. Das verlangt einen gehörigen Schritt nach vorne.

Ebensowenig war Kardinal Ratzinger/ Papst Benedikt XVI. vormodern oder rückwärtsgewandt. Es war sein Bestreben - und ist es als betender Papst immer noch – die lebendige Tradition der Kirche fortzusetzen und auf dem Weg nach vorne dem wiederkommenden Herrn entgegen zu führen.

Eine rückwärtsgewandte, vollkommen an der Welt ausgerichtete Theologie die der Mitte des vergangenen Jahrhunderts entsprungen ist, wie sie Ellen Ueberschär vertritt, ist ganz sicher nicht geeignet, die Kirche in eine ihrer Tradition gemäße Zukunft zu führen. Die nichts anderes ist, als den wiederkommenden Christus entgegen zu gehen. Der Stuhlkreis ist dazu nicht die geeignete Sozialform, wie sich leicht erkennen lässt.


© 2019 www.kath.net