Kirche nützt bei Missbrauch den kirchlichen Strafrahmen voll aus

11. März 2019 in Österreich


Kirchenrechtsexperten weisen in ORF-Sendung "Religion aktuell" aber darauf hin, dass Verhängung von Freiheitsstrafen allein dem Staat zukommt und nicht im Kompetenzbereich der Kirche liegt


Wien (kath.net/KAP) Die katholische Kirche wendet bereits jetzt bei sexuellem Missbrauch die strengst mögliche Strafe an, auf die sie zurückgreifen kann. Darauf haben Kirchenrechtsexperten in der ORF-Radiosendung "Religion aktuell" hingewiesen. Die Verhängung von Freiheitsstrafen liegt freilich nicht im Kompetenzbereich der Kirche.

So betonte etwa der der Innsbrucker Kirchenrechtler Prof. Wilhelm Rees, dass eine Verschärfung der kirchenrechtlichen Strafbestimmungen schwierig sei, weil bei schweren Formen des sexuellen Missbrauchs bereits die härtest mögliche Strafe für Kleriker angewendet wird: nämlich die Rückversetzung in den Laienstand. Dies bedeute den Verlust aller Rechte und Pflichten, die mit der Weihe verbunden sind. Das sei, so Rees, eine einschneidende existenzielle Maßnahme, eine schärfere Strafform kenne das Kirchenrecht nicht.

Der Linzer Generalvikar und Kirchenrechtsexperte Severin Lederhilger sagte dazu: "Ich kann als Kirche keine Freiheitsstrafe verhängen. Ich kann nur jemanden außer Dienst stellen. Der Strafanspruch im eigentlichen Sinn kommt dem Staat zu."

Freilich liegt darin für viele auch ein gewisses Manko, denn das katholische Kirchenrecht kennt im Falle des sexuellen Missbrauchs keine Anzeigenpflicht. Generalvikar Lederhilger betonte aber gegenüber dem ORF die gute Zusammenarbeit der Kirche mit den staatlichen Behörden; allerdings wieder mit einem Wermutstropfen: Viele Taten seien nach weltlichem Recht bereits verjährt. Kirchenrechtlich treffe diese Verjährung aber nicht zu, so Lederhilger: "Hier ist die Kirche strenger bei ihren Maßnahmen und sieht Sanktionen vor."

Die von der österreichischen Bischofskonferenz verabschiedeten und für die katholische Kirche in Österreich verbindlichen Richtlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch weisen hinsichtlich der Anzeige von mutmaßlichem Missbrauch mehrere Bestimmungen auf. Vorgabe dafür ist die österreichische Rechtsordnung, wonach zwar jeder, der Kenntnis von einer strafbaren Handlung erlangt, zur Anzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft berechtig ist; verpflichtet dazu sind aber, mit Ausnahmen, nur Behörden oder öffentliche Dienstellen, sowie in bestimmten Fällen auch Ärzte. Für den kirchlichen Bereich trifft dies nicht zu.

Wendet sich nun ein Opfer von Missbrauch an eine in jeder Diözese eingerichtete kirchlichen Ombudsstelle, dann werden die Betroffenen dort auch zur Anzeige bei staatlichen Stellen ermutigt. Die Ombudsstellen respektieren aber andererseits die Selbstbestimmung der mutmaßlichen Opfer und geben von sich aus die Informationen nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Betroffenen an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden weiter.

Eine Ausnahme von dieser Regel ist dann gegeben, wenn die berechtigte Gefahr besteht, dass durch einen Täter weitere Personen zu Schaden kommen könnten. In diesem Fall wird auch gegen den erklärten Wunsch eines mutmaßlichen Opfers der Sachverhalt durch die Kirchenleitung der Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Ganz generell wird in den Richtlinien zudem auch festgehalten, dass die Ombudsstellen den mutmaßlichen Tätern zur Anzeige raten sollen.

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