Aschermittwoch – Tag der Besinnung und Umkehr

6. März 2019 in Interview


Interview mit dem Offizial der Diözese Sankt Pölten und Professor für Kanonisches Recht an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Pölten, Prof. DDr. Reinhard Knittel, über den Aschermittwoch und den Sinn dahinter.


St. Pölten (kath.net/dsp) Prof. DDr. Reinhard Knittel, viele Menschen können mit dem heutigen Aschermittwoch nur wenig anfangen. Was bedeutet der Aschermittwoch?

Prof. DDr. Reinhard Knittel: Als menschliches Bedürfnis gilt, dass unsere Lebenszeit Abwechslung beinhaltet. Wenn sie immer gleich dahinläuft, ohne Höhepunkte etwa, aber auch ohne Tiefen oder Mühen, die wir bewältigen, wird unser Leben letztlich öde und kann uns nicht befriedigen. So hat auch die Kirche vom Osterfest aus seit der nachapostolischen Zeit das Kirchenjahr durch Feste und durch besonders geprägte Zeiten gestaltet. Auch unser Glaubensleben braucht diesen heiligen Rhythmus, weil es sonst öde wird und einschläft.

Der Aschermittwoch ist ein Einschnitt im Kirchenjahr, der uns Christen aus der Faschingszeit herausholt, damit wir uns neu ausrichten. Mit ihm beginnt die 40-tägige Fastenzeit oder besser, die vorösterliche Bußzeit. Viele tun sich heute schwer mit der Glaubensbotschaft des Aschermittwochs, weil sie sich nur im Blick auf den Glauben an Jesu Christus und der eigenen Bereitschaft zu einem christlichen Leben uns erschließt. Die heutige Tendenz zur Verweltlichung macht es nicht leicht. Heringsschmaus und andere kulinarische Angebote am Aschermittwoch haben sich verselbständigt, der kirchliche Bezug zum Aschermittwoch muss heute vielfach neu gewonnen werden.

Welche Bedeutung hat das Austeilen des Aschenkreuzes?

Prof. Knittel: Die Bestreuung mit Asche ist ja bereits im Alten Testament, ja sogar bei den alten, nichtchristlichen Völkern ein äußeres Zeichen der Buße, auch ein Zeichen, um besonders eindringlich Bitten an Gott zu richten.
Die Asche, die am Aschermittwoch an die Gläubigen ausgeteilt wird, hat eine besondere Geschichte. Bis ins frühe Mittelalter gab es nur die öffentliche Kirchenbuße, also den Stand der Büßer, die wegen schwerer Verfehlungen in dieser Bußzeit nicht an der Eucharistie teilnahmen. Am Aschermittwoch wurde ihnen als Zeichen ihres kirchlichen Standes die Asche auf das Haupt gelegt. Als nun diese Form der Kirchenbuße durch die Beichte ersetzt wurde, behielt man dieses Zeichen bei, das nun allen Gläubigen am Aschermittwoch ausgeteilt wurde.

Der Sinn des Zeichens ist klar: wir empfangen die Asche, die das Zeichen der Vergänglichkeit der Welt und des Menschen ist, damit uns bewusst wird, dass auch unser Leben oft auf Vergängliches baut, ja dass wir Gott um dieser vergänglichen Güter wegen sogar aus dem Mittelpunkt unseres Lebens verlieren können. So brechen wir mit dem Aschenkreuz auf, um durch Umkehr und Buße unser Leben neu auf Gott hin zu ordnen, vor allem durch Fasten, Gebet, Teilen und andere Bußwerke.

Ist es für uns Menschen möglich, Tod und Vergänglichkeit zu überwinden?

Prof. Knittel: Jedes Menschenleben muss die Last der Vergänglichkeit, von Krankheit und Tod tragen. Auch wir Christen. Aber der Unterschied ist: Wir glauben trotz und in aller Vergänglichkeit, die oft so siegreich und endgültig erscheint, vor allem im Tod, dass einer uns vorangegegangen ist zum Ufer des ewigen Lebens, Jesus Christus, der gekreuzigte und auferstandene Gottessohn. Er wird uns nicht im Tod lassen, sondern uns nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift in unserer leiblich-seelischen Ganzheit am Ende zur Herrlichkeit der Auferstehung führen. Nur so – in Christus also – im Glauben an ihn und in Treue zu seiner Lebensweisung haben Tod und Vergänglichkeit nicht das letzte Wort.

Inwieweit sollen wir unser alltägliches Leben von Aschermittwoch bis Karfreitag ändern?

Prof. Knittel: Große Vorsätze, das lehrt die Erfahrung, führen meist nicht weit. Fangen wir also im Kleinen ganz konkret an, unser Leben wieder vermehrt am Standard der Wahrheit und der Liebe Jesu auszurichten, da, wo es davon abgekommen ist. Ganz konkret etwa könnten Themen des Fastens die Konsumsucht oder die Internetsucht sein. Auch die Nachlässigkeit im persönlichen Gebet und im gemeinschaftlichen Gottesdienst, könnte eine Herausforderung der Umkehr sein. Das Gebet des Kreuzwegs in der Fastenzeit lädt uns ein, tiefer von der Erlöserliebe Jesu berührt zu werden. Das Teilen mit den Armen kann uns loslösen von Besitzgier und Geiz. Nicht vergessen werden darf natürlich auch die innere und geistliche Not unserer Tage, wo wir Trost, guten Rat, und Zuwendung in wohlwollender Güte in der Fastenzeit wachsen lassen mögen.

Weshalb dauert die Fastenzeit genau 40 Tage?

Prof. Knittel: Die Zahl vierzig begegnet uns in der Heiligen Schrift immer wieder: Die 40-tägige Sintflut etwa, der 40-jährige Weg des Volkes Israel nach dem Auszug aus Ägypten durch die Wüste usw. Sie ist eine symbolträchtige Zahl. Sie umschreibt eine Zeit der Wende zum Neubeginn. Auch das Fasten Jesu in der Wüste, dauerte 40 Tage. In der abendländischen Kirche war die vorösterliche Bußzeit oder Fastenzeit nicht immer gleich lang: Seit den ersten Jahrhunderten gibt es sie. Zuerst dauerte sie nur eine Woche, dann 3 Wochen und schließlich die 40 Tage von Aschermittwoch bis Karsamstag. Die Sonntage sind bei der Zählung der Tage ausgenommen, weil jeder Sonntag ein kleines Osterfest ist, an dem nicht gefastet werden soll.

Was verändert sich ab Aschermittwoch in Ihrem Alltag?

Prof. Knittel: Für mich als Priester ist der Tag von der äußeren Ordnung der Dienste und der Aufgaben ziemlich klar vorgegeben. Große Vorsätze mache ich mir nicht. Aber ein guter Anfang am Aschermittwoch ist für mich wichtig, um bewusst in die Fastenzeit zu starten. Also, nur einmal voll Essen, was ja für diesen Tag für alle gesunden Katholiken zwischen 18 und 60 Jahren verpflichtend ist. Ich möchte mir auch Zeit nehmen, eine geistliche Fastenbesinnung an diesem Tag zu lesen und innerlich zu betrachten. Dazu soll mein Kaffee- und Internetkonsum in der Fastenzeit etwas schrumpfen. Manche gute Eingebung wird mir hoffentlich in dieser Zeit auch geschenkt werden.

Und die Asche? Wie wird die Asche gesegnet?

Prof. Knittel: Die Asche ist ein Zeichen der Vergänglichkeit alles Irdischen und erinnert uns, dass unser Leben immer wieder die Umkehr zu Gott braucht, der allein unser Leben aus der Vergänglichkeit retten kann. Beim Auflegen der Asche wird oft ein Wort aus dem Buch Genesis verwendet in dem Gott den Fluch für die Sünde Adams ausdrückt: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehrst.“ Diese Vergänglichkeit kam dann über die ganze Menschheit bis zum Tag der Erlösung im Kreuzestod Jesu und in seiner herrlichen Auferstehung, die unsere Hoffnung ist. Die Asche wird unmittelbar vor dem Austeilen durch ein Segensgebet eines Priesters oder Diakons gesegnet.

Und woher kommt die Asche?

Prof. Knittel: Die Asche wird aus dem Verbrennen der vorjährigen Palmzweige gewonnen. Die Aschenauflegung ist ein Sakramentale, das heißt, dieser Gestus soll uns auf unserem Bußweg in der Richtungsänderung auf Gott hin stärken und begleiten.

Die Fastenzeit spricht uns auch sinnenhaft an, weil sich im Kirchenraum, in der Kleidung des Priesters, im Aufhängen des Fastentuchs und auch in den Volksbräuchen, wie beispielsweise dem Ratschen, da manches tut. Eine besondere, heilige und heiligende Zeit, in die wir hineingehen dürfen.

Infos zur Person Prof. DDr. Reinhard Knittel:
Er ist Offizial der Diözese Sankt Pölten sowie Professor für Kanonisches Recht an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Pölten.

Reinhard Knittel begann sein Studium der Katholischen Theologie zunächst an der Universität Innsbruck und setzte es an der Päpstlichen Universität Gregoriana fort.

Am Centro Accademico della Santa Croce in Rom erwarb er 1987 das Lizenziat und wurde 1995 an der päpstlichen Lateranuniversität zum Dr. theol. promoviert. Nach weiteren kirchenrechtlichen Studien wurde er 1997 auch in Kanonischem Recht promoviert.

1996 wurde Knittel Dozent an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Pölten. Von 1998 bis 2000 nahm er eine Lehrstuhlvertretung im Fach Ekklesiologie an der Lateranuniversität wahr. 2001 wurde er zunächst Vizeoffizial und 2009 Offizial der Diözese Sankt Pölten.

Zum 1. Oktober 2009 wurde Knittel Professor für Kanonisches Recht, im Januar 2013 ernannte ihn der damalige Bischof Klaus Küng für die Studienjahre 2013 bis 2017 zum Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule.


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