Früherer Glaubenspräfekt: „Ein Papst ist kein Orakel“

6. Februar 2019 in Weltkirche


Kardinal Müller: Nicht alles, was ein Papst sage, werde zur unbestreitbaren Wahrheit. „Wenn der Papst heute sagen würde, dass wir das Fleisch von Tieren nicht mehr essen sollen, wäre es keinem Katholiken verboten, Fleisch zu essen.“


Rom (kath.net) Der frühere Präfekt der Glaubenskongregation Gerhard Kardinal Müller warnte, „man kann das Lehramt auf eine Weise verstehen, die nichts mit der katholischen Tradition zu tun hat. Ein Papst ist kein Orakel.“ Im Interview mit italienischen katholischen Internetzeitung „La Nuova Bussola Quotidiana“ erläuterte er: Nicht alles, was ein Papst sage, werde zur unbestreitbaren Wahrheit. Vielmehr sei vieles auch „die privaten Meinungen des Papstes“. „Wenn der Papst heute sagen würde, dass die Teile mehr als die Summe sind, hätten wir die Strukturen der Mathematik, der Geometrie verändert, das ist absurd. Oder wenn der Papst heute sagen würde, dass wir das Fleisch von Tieren nicht mehr essen sollen, wäre es keinem Katholiken verboten, Fleisch zu essen.“

Zum bevorstehenden Missbrauchsgipfeltreffen im Vatikan sagte er: „Die überwiegende Mehrheit der von Klerikern begangenen sexuellen Übergriffe sind tatsächlich homosexuelle Handlungen.“ „Es ist eine Tatsache, dass über 80 Prozent der Opfer von Kindesmissbrauch Männer und Buben sind. Wir müssen diese Realität zur Kenntnis nehmen, es sind statistische Zahlen, die wir nicht bestreiten können. Diejenigen, die diese Realität nicht sehen wollen, beschuldigen diejenigen, die die Wahrheit sagen, des allgemeinen Hasses auf Homosexuelle.“. Doch in der Schöpfung existiere „das Konzept der Homosexualität nicht, es ist eine Erfindung, die in der menschlichen Natur keine Grundlage hat. Homosexuelle Tendenzen sind keine ontologische, sondern psychologische Tatsache. Einige Leute möchten stattdessen Homosexualität zu einer ontologischen Gegebenheit machen.“

Angesprochen auf Äußerungen einiger deutscher Bischöfe, die einen keusch lebenden homosexuellen Menschen durchaus zum Priester geweiht sehen möchten, vertrat Müller: „Es gibt keinen Weg, der zur Legitimierung homosexueller Handlungen oder sogar zu unordentlichen sexuellen Handlungen führen kann.“ Außerdem sagte Müller, dass er verschiedentlich angeschrieben worden war von Menschen, die von homosexuellen Erfahrungen in ihrer Jugend berichteten und dann feststellten, dass sie alles überwunden haben und nun glücklich in einer Ehe leben. Dies seien „echte Erfahrungen von Menschen, auf die wir hören müssen“. Trotz der gegenwärtigen „sexualisierten Kultur“ müsse man das 6. Gebot ernstnehmen und Keuschheit als Tugend, als Haltung verstehen, darin liege der Ausweg aus dieser die ganze Gesellschaft betreffenden Katastrophe. Dabei „sollte die Kirche sollte nicht als eine Organisation angesehen werden, die Macht und Prestige verteilt, sondern als Familie Gottes, die Vertrauen und gegenseitige Verantwortung bringt.“

„Es ist fast eine blasphemische Tat.“ So kommentierte Müller die Frage nach einer sogenannten „ökumenischen Messe“ in Mailand. Dort hatte eine evangelische Pfarrerin das Evangelium gelesen, gepredigt, sie war während der Wandlung hinter dem Priester gestanden und hatte dann die Eucharistie ausgeteilt. Der katholische Pfarrer hatte dazu erläutert, dass die Transsubstantiation nur ein von mehreren Möglichkeiten sei, die Eucharistie zu verstehen. Müller erläuterte: „Unter Priestern, Bischöfen und sogar Kardinälen herrscht eine krasse Unwissenheit: Sie sind Diener des Wortes Gottes, aber sie wissen es nicht und kennen die Lehre nicht.“ Der frühere Glaubenspräfekt sagte dann, dass die Gläubigen „öffentlich“ gegen solchen liturgischen Missbrauch „protestieren“ sollen. Die Gläubigen haben das Recht dazu. Sie sollen sagen: „Ich protestiere gegen diese Desakralisierung der Heiligen Messe; ich bin hierhergekommen, um die katholische Messe zu feiern, aber nicht, um an einem Konstrukt einer Messe durch einen Priester teilzunehmen, der nichts vom katholischen Glauben weiß.“ Müller sah in dem Vorfall in der Mailänder Gemeinde gerade keine Ökumene, sondern einen Schlag gegen die wahre Ökumene.

Wenn nun in katholischen Gemeinden Kurse über den islamischen Glauben gehalten werden, so wette er, dass umgekehrt kein Pfarrer in eine Moschee gehe und dort das Konzil von Nizäa erkläre, sagte Müller. „Doch für uns ist es eine Beleidigung, wenn man sagt, dass Jesus nur ein Mensch, aber nicht der Sohn Gottes ist“. Es gebe heutzutage im Katholizismus ein schlechtes Gewissen gegenüber dem eigenen Glauben und man knie immer vor anderen, „zuerst Luthers Jubiläum, jetzt das des hl. Franziskus: Dies dient dazu, die Kirche zu protestantisieren und zu islamisieren. Dies ist kein wahrer Dialog, einige von uns haben den Glauben verloren und möchten Sklaven anderer werden, um geliebt zu werden.“

Das größte Problem für die Kirche seit aktuell „die Relativierung des Glaubens“, die „Horizontalisierung des Christentums“. Müller nannte als Beispiele: „Anstatt die Bedeutung der Ehe zu erklären und ihre Unauflöslichkeit suchen wir Ausnahmen.“ „Anstatt über die Würde des Priestertums, seine Herrlichkeit, die Pracht der Wahrheit der Sakramente zu sprechen, wird alles auf eine Gelegenheit zur Gemeinschaft reduziert.“

kath.net-Buchtipp
Der Papst
Sendung und Auftrag
Von Gerhard L. Müller
Hardcover, 608 Seiten
2017 Herder, Freiburg
ISBN 978-3-451-37758-7
Preis Österreich: 30.90 EUR

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Archivfoto Kardinal Müller (c) Bistum Regensburg


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