"Kirche von Salzburg, glaubst du nicht, wirst du keine Zukunft haben"

2. Jänner 2019 in Österreich


Salzburger Erzbischof Lackner will als Apostolischer Visitator in Diözese Gurk-Klagenfurt "mögliche Irrwege aufzeigen"


Salzburg-Gurk-Klagenfurt (kath.net/pes) kath.net dokumentiert die Predigt von Franz Lackner, Erzbischof von Salzburg und Apostolischer Visitator der Diözese Gurk, bei der Jahresschlussandacht im Salzburger Dom in voller Länge:

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Lesung des ersten Briefs von Johannes zeigt uns ein Bild von Gemeinde und Kirche, das am Beginn des zweiten Jahrhunderts schon mit dem Problem der Spaltung zu kämpfen hatte. Anlass war: eine Gruppe von Gläubigen konnte nicht das Bekenntnis zu Jesus Christus „im Fleisch gekommen“ mitsprechen. Der Schreiber des Briefes sieht darin ein so schweres Vergehen, dass er dieses mit dem Kommen des Antichristen gleichsetzt. Der Antichrist ist der Widerpart zu Jesus Christus schlechthin. Zwei Dinge müssen uns als Kirche von heute besonders aufmerken lassen:

Der eigentliche Feind des Glaubens kommt nicht von außen; diese Behauptung stammt aus einer Zeit, als das Christentum fürchterlicher Verfolgung ausgesetzt war. Der Widerstand von außen hat der Kirche in ihren Fundamenten noch nie geschadet, wohl aber interne Streitigkeiten. „Sie – die Störenfriede – sind aus unserer Mitte gekommen, aber sie gehörten nicht zu uns.“, so die Worte der Lesung.

Zweitens zu Christus kann man sich nur ganz oder gar nicht bekennen. Es gibt kein Christsein „light“. Bekennen gehört zum Glauben so wesentlich dazu, wie das Atmen zum Leben. Wahrheit möchte nicht nur erkannt werden, sondern muss zuvörderst bekannt werden. Ich darf die schöne Definition von Johannes Duns Scotus dazulegen, wenn das Wesen wahrer Worte so bezeichnet wird: „…confesse se habere his quae apparent“, „bekennend sich verhalten zu dem, das sich zeigt.“

Eine Form des Bekennens sind die Gedächtnisfeiern, Ausstellungen und Symposien, derer wir in dem zu Ende gehendem Jahr gedacht haben. 100 Jahre Ende des ersten Weltkrieges, 80 Jahre Anschluss durch den Nationalsozialismus. Auf kirchlicher Seite konnten wir 1300 Jahre Hl. Rupert und Hl. Erentrudis feiern und zugleich die erste Etappe unseres Zukunftsprozesses abschließen. Über zwei Jahre lang haben sich viele redlich mit großem Engagement bemüht, Weichenstellungen vorzunehmen, auf dass wir einer guten Zukunft entgegen gehen können. Die Wahrheit unserer Zukunft liegt in der Bekenntniskraft zu Gott für die Menschen. Wir scheuen uns nicht, nach getaner Arbeit durchaus uns der Kritik zu stellen, was wir nicht vermocht haben. Wir hätten es gewiss besser tun können, wahrscheinlich ist es uns nicht gelungen, die Mitte, von der die Lesung spricht, zu vereinigen – dennoch, die Mühe, die Begeisterung wird sich lohnen. Wir haben gesät, andere werden ernten, das ist urbiblisch. Ich möchte noch einmal auf die am Anfang aufgestellten vier Prinzipien hinweisen:

Es sollte ein spiritueller Prozess werden – Glaubenserfahrungen ermöglichen; „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!“, heißt es beim Propheten Jesaja. Ja, in der Tat: Kirche von Salzburg, glaubst du nicht, so wirst du keine Zukunft haben!

Impulse von außen lautet das zweite Prinzip. Den Verantwortlichen war von Anfang an bewusst, allein, nur aus uns heraus, können wir das Reich Gottes nicht leisten. Gott ist keine Zentrumsgestalt. In Bethlehem ist er zur Welt gekommen, nicht in Jerusalem, im Stall, nicht in einem Palast, beim heidnischen Hauptmann fand er einen Glauben, den er in seiner Heimatstadt Nazareth schmerzlich vermisste. Daraus wollen wir lernen: Glaube muss sich helfen lassen durch Erfahrungen und Errungenschaften, die gerade dort gemacht werden, wo wir nicht gesät haben.

Das dritte Prinzip lautet Handlungsoptionen. Glaube ist ein „Tunwort“. „Glaube ohne Werke ist tot“, heißt es im Jakobusbrief. Und beim alten Sokrates lesen wir: „Wer handelt wird schuldig, wer nicht handelt, ist schon schuldig.“ Wir haben gehandelt, haben uns abgemüht. Wie Petrus nach nächtlichem Fischgang mit leeren Händen vor seinem Herrn steht, stehen auch wir nicht sehr vielen Früchten da; vor Gott, unserem Herrn. Er ist es, der es wachsen lässt!

Schließlich das letzte Prinzip, die Ressourcenfrage. Auch ein verfängliches Wort, das ebenso nach langer Inkubationszeit Kritik ausgelöst hat. Die wichtigste Ressource sind für uns die Mitarbeitenden, sowohl haupt- als auch ehrenamtlich. Wir werben nicht nur um ihre Kompetenz, sondern vor allem auch um ihr Herz, um den guten Willen. Die Quelle, aus der wir schöpfen, ist die unendliche Gutheit und Barmherzigkeit Gottes.
Eine Frucht aus dem Zukunftsprozess dürfen wir schon jetzt ernten. Gerade bei den Verantwortlichen herrscht die Überzeugung, jetzt geht es erst so richtig los.

Bei unserem Rückblick auf eine jahrhundertelange Wirkungsgeschichte der Kirche stoßen Ereignisse, Geschehnisse bitter auf. Die Ausstellung zu Max Gandolph lässt die ganze Widersprüchlichkeit von Kirche sichtbar werden. Ein Freund der Wissenschaften und Bücher, der wohl gebildetste Nachfolger des Hl. Rupert, zugleich gehen zahlreiche Todesurteile gegen mittellose junge Menschen auf ihn zurück. Die Frage, wie hätten wir in früheren Zeiten reagiert, muss in unseren Herzen brennen. Weil, wird man in unserem Tun und Nichttun in zukünftiger Zeit nicht auch ähnliche Widersprüchlichkeit entdecken? Wie steht es zum Beispiel mit unserem Verhalten zum Schutz des Lebens an seinem Anfang und Ende? Der Umgang mit Geflüchteten, die Zerstörung der Natur? Diese Fragen werden übertroffen von der Fraglosigkeit missbrauchter junger Menschen durch kirchliche Personen. Auf die Kirche muss sehr wohl auch das berühmte Wort von Martin Luther simul justa et peccator angewendet.
Diese Wahrheit schreit nach Bekenntnis, braucht ein „sich Schuldigfühlen“ auch dann, wenn man selbst unschuldig ist und es braucht Läuterung und Wiedergutmachung.

Als gläubige Menschen dürfen wir an diesem letzten Tag des Jahres alles Geschehen in die Hände Gottes legen; nicht jedoch um uns der Verantwortung zu entziehen. Er ist die letzte Instanz. Er wird jede Träne, wie es im letzten Buch der Hl. Schrift heißt, abwischen. Er schafft Gerechtigkeit für alle und jeden/jede.

Wir dürfen einen Blick in die Zukunft tun. Das neue Jahr bringt auch so manche schwere und herausfordernde Aufgabe. Ich wurde zum apostolischen Visitator der Diözese Gurk ernannt, werde dort die Universalkirche vertreten. Meine erste Aufgabe ist es, Verwundungen, Leiden und Missverständnisse wahrzunehmen. Mögliche Irrwege aufzuzeigen. Nach dem Wort des Apostels Paulus – „Prüft alles und behaltet das Gute!“ - alles sorgsam zu prüfen. Und zu berichten – in letzter Konsequenz Papst Franziskus. Wahrheit verlangt ein ringendes Bekennen.

Zum Schluss ein großer Dank. An alle Menschen guten Willens, die mit der Kirche gehen, auch in schweren Stunden. Ich bedanke mich bei allen Haupt- und Ehrenamtlichen für ihr Engagement. Ein herzliches Vergelt’s Gott allen Betenden, die dem Wort Gottes die Treue halten.

In der Schule des Heiligen Petrus beginnen wir das neue Jahr mit einem Wort des Apostels: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ (Joh 6,68) Amen.

Erzbischof Lackner predigt bei der Jahresschlussandacht im Salzburger Dom


Foto Erzbischof Lackner (c) Erzdiözese Salzburg


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