Jedermann für jedermann? Und Gott?

4. Dezember 2018 in Österreich


Wenn für eine umstrittene HIV/Aids-Charity-Veranstaltung der Wiener Stephansdom zu einer Mehrzweckhalle wird und Künstler unter der Anwesenheit von Kardinal Schönborn auf der Kommunionbank herumtanzen - kath.net-Kommentar von Johannes Maria Schwarz


Wien (kath.net) Im Wiener Stephansdom wurde am Freitagabend eine HIV/Aids-Charity-Veranstaltung abgehalten. Für den karitativen Anlass haben vergangenen Freitagabend die Organisatoren des Life Balls und die katholische Kirche den früheren Burgschauspieler Philipp Hochmair mit seiner Band zur Aufführung des Stückes "Jedermann (reloaded)" in die altehrwürdige Kathedrale geholt.

Ich war nicht dabei. Ich saß am anderen Ende der Alpen in meiner kleinen Hütte bei der Vesper zum ersten Advent, während ein Schauspieler mit Bierflasche(?) und Mikro auf der Kommunionbank der Wiener Kathedrale stand. Er tat es mit all der gebotenen Inbrunst und Theatralik seines Metiers. Er tat es, um die wohl bekannteste Figur aus den Werken von Hoffmannsthals zum Leben zu erwecken. Er tat es für einen guten Zweck. Schließlich sollten die Einnahmen der Veranstaltung, die Kardinal Schönborn, die Malteser und Gery Keszler von LIFE+ ausgeschrieben hatte, ein wertvolles Anliegen unterstützen. 68.448 Euro kamen am Vorabend des Welt-AIDS-Tages durch den Kartenverkauf zusammen. Gespendet wurden sie zu Gunsten des großartigen Einsatzes von Pater Gerhard Lagleder in einem südafrikanischen AIDS-Hospiz.

Ich war nicht dabei. Warum kommentiere ich die Veranstaltung dann? Weil unsere Zeit durch Technik die Entfernung überbrückt. Ich klicke mich durch die Online Fotostrecken und Videos der Inszenierung und dabei drängt sich für mich die Frage auf: ist "gut gemeint" wirklich auch "gut gemacht"? War kein anderer Rahmen möglich für dieses Stück, als das Herz des katholischen Wien? Der durchschnittlich fromme Heide unserer Zeit - ob er nun einen Priesterkragen trägt oder nicht - mag sich am Spektakel unter dem gothischen Gewölbe nicht stoßen. Kirchen hat man gebaut, meint er, damit die Gläubigen im Fall von Regen nicht allzu nass beim Beten werden. Doch anders besaitete Seelen sehen das anders. Für sie ist das Gotteshaus der heilige Ort eines göttlichen Geschehens. Und der heiligste dieser heiligen Orte im Kirchenraum ist der Altar. Mit der Verdunstung des Glaubens, den vor allem wir aus dem geistlichen Stand durch Sünde, Betrug und Verrat am Evangelium verschuldet haben, mag es nur mehr wenigen bewusst sein, aber die Kommunionbank ist kein Abstellplatz für Requisiten, kein Laufsteg für Dramaturgen. Sie ist die Verlängerung des Altars! Sie ist der Ort der Gottesbegegnung für den, der dort niederkniet und Christus im Sakrament empfängt.

Nicht von ungefähr hat man die Kommunionbank mit einem Leinen bekleidet, welches für das Grabtuch Christi steht. Seit die Kirche so triumphal in den "neuen Frühling" geht, hat man diesen "Tisch, an den die Gläubigen zu hin Christus treten" vielerorts herausgerissen. Das braucht man nicht mehr, haben die Kleriker selbstbewußt bestimmt.

Und so herrscherisch, wie es nur die Priesterkaste zu tun vermag, hat man den Gläubigen befohlen fortan "modern" zu sein - was immer das auch heißen mag. Hat man die Bedeutung der Kommunionbank also wirklich vergessen? Auch im Stephansdom? Auch dort also, wo nach wie vor bei allen Gottesdiensten, Gläubige den lebendigen Gott an jener heiligen Erweiterung des Altars empfangen? So scheint es.

Der Dom von Wien ist heute eine Mehrzweckhalle, ein Ort, an dem es nicht regnet, schlecht beheizt, dafür mit reichlich "Ambiente". Gewiss, nicht jeder Veranstalter kann die hohen Säulengänge mieten, aber den Hausherrn geht es offensichtlich um Nutzbarkeit. Und wer kann schon etwas gegen Benefizverantaltungen einwenden, die nicht nur nützlich, sondern auch löblich sind? Wer kann etwas einwenden, auch wenn da dann mal jemand auf der Kommunionbank tanzt?

Ich wende etwas ein.

Ich bin nur ein Priester, unwichtig und bedeutungslos. Aber hiermit sage ich es öffentlich: ich schäme mich vor Gott für meine Kirche in dieser und in anderen Fragen. Wir fürchten nicht mehr den Allmächtigen! Uns ist nichts mehr heilig! Die Seelen, der uns Anvertrauten, treten wir mit Füßen! Haben wir als Kirche wirklich keine anderen Ideen, um das wichtige Werk von P. Lagleder für AIDS-Kranke zu unterstützten? Vielleicht nicht. Dann jedoch ist die Inszenierung von Jedermann im Stephansdom nicht nur die Geschichte vom Sterben des reichen Mannes, sondern auch vom Sterben einer kraftlosen Kirche.

Was bleibt, ausser bitterem Nachgeschmack und dem Aufruf zur Buße? Diese Bitte: 93 Euro kostete die teuerste Karte für das Schauspiel im Dom zu Wien. Ich habe eben denselben Betrag direkt an das Werk von P. Lagleder überwiesen. Ich hoffe, viele tun es mir gleich. Denn es muss möglich sein, dieses Anliegen zu unterstützen, auch ohne das Heilige ganz wörtlich mit Füßen zu (be)treten.

Hier das Apostolat:

www.bsg.org.za/gesundheitspflege/aids-hilfe.html

KONTAKT Kardinal Schönborn: [email protected]


Kath.net-Leserreise mit Johannes Maria Schwarz nach RUSSLAND - 2019 - Moskau und St. Petersburg


Kaplan Dr. Johannes Maria Schwarz im Interview über ´At-Tariq: Christlich-islamische Begegnung im Cartoon´



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