Die Mächte der Finsternis

13. November 2018 in Kommentar


Papst Franziskus „wäre wohl auch von einer Vollversammlung der Vereinten Nationen gewählt worden“. Gastbeitrag von Ingo Langner


Vatikan (kath.net) „Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger: Für wen halten die Leute den Menschensohn? (...) Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes! Jesus sagte zu ihm: Selig bist du Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelsreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein.“

Diese neutestamentliche Szene aus dem Evangelium nach Matthäus ist eine Schlüsselszene der römisch-katholischen Kirche. Auf diesen Jesus-Worten ruhte fast 2000 Jahre ihr Selbstverständnis, die alleinseligmachende Kirche zu sein; mit dem Papst als Stellvertreter Christi an der Spitze einer wohlgeordneten Hierarchie. Außerhalb dieser Kirche kein Heil.

Für glaubensfeste Katholiken waren solche, die auf anderen Wegen postum in den Himmel gelangen wollten, Irrungen, für die der dunkle Fürst der Unterwelt verantwortlich ist. Der hat seit jeher gegen den Schöpfer der Welt opponiert, und die Geburtsstunde der Kirche nach der Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt Jesu spornte seine Widerstandslust erst recht an. Von da an konzentrierte Luzifer sich darauf, die von den Evangelisten treu überlieferte christliche Lehre zu verwirren. Allerdings mit nur temporärem Erfolg.

Zwar gab es, angefangen von den Arianern bis zu Martin Luther, immer wieder Zeiten massiver Irrtümer und Abfälle. Doch schlussendlich wehrten die wichtigsten Konzilien erfolgreich alle Angriffe des Diabolos ab. Angefangen in Nicäa 325 und Chalcedon 451, bis zum Konzil von Trient 1563 und dem Ersten Vatikanischen Konzil 1871.

Erst mit dem Vaticanum II, es tagte von 1962 bis 1965, begann die römisch-katholische Kirche, sich von Grund auf zu ändern. Denn auf diesem Konzil entdeckte man erstmals auch in anderen christlichen Denominationen Elemente des ewigen Heils. Danach konnten sogar Buddhisten „anonyme Christen“ sein.

Die Konzilspäpste Johannes XXIII. und Paul VI. waren fest davon überzeugt, die Kirche aus einem selbstverschuldeten Ghetto hinaus ins Freie führen zu müssen, um dort die „Errungenschaften“ der säkularen Welt in sich aufzunehmen. Konkret: die Ideologie der Französischen Revolution. Was dort noch Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit hieß, nannte das zweite Vaticanum Religionsfreiheit, Kollegialität und Ökumenismus. In Paris wurde 1793 König Ludwig XVI. geköpft. In Rom sollte 1965 der Papst im Namen der „Kollegialität“ und mit Blick auf den „Ökumenismus“ zum Primus inter Pares einer internationalen Bischofskonferenz degradiert werden. Erst in letzter Minute konnte Paul VI. seine de facto Absetzung verhindern. Er erkannte, dass auf dem Konzil der Rauch des Satans in die Kirche eingedrungen war.

Auch innerhalb der Kirche kam der „Geist des Konzils“ gut an. Bald hieß es: Warum noch am Zölibat festhalten, und warum kein Priestertum für Frauen? Doch Paul VI. führte nur eine neue Ordnung für die Heilige Messe ein, bei der man alles scheinbar Überflüssige wegließ, um sich den Protestanten anzugleichen. Vor verheirateten Klerikern und Frauen am Altar schreckte er jedoch zurück. Da verflog die innerkirchliche Aufbruchsstimmung, und Anfang der Siebzigerjahre begann der große Exodus.

Bis 1990 verließen weltweit insgesamt rund 125.000 Welt- und Ordenspriester die katholische Kirche. Auch Neues blühte nicht in den Ruinen. 1962 sind in Deutschland 557 Priester geweiht worden. 1970 waren es nur noch 303, 1980 noch 211, im Jahr 2000 noch 154, und 2017 ist ihre Zahl auf 76 gesunken. Bei den Mönchen und Nonnen sieht es nicht anders aus: allein in Spanien schließt derzeit alle 36 Stunden ein Kloster.

Der Glaubensverlust hat auch den Sittenverfall in der Kirche in erschreckendem Ausmaße befördert. Nachdem vor allem die heiratswilligen heterosexuellen Priester die Kirche verlassen hatten, tat sich die homosexuelle Minderheit im Klerus bald keinen Zwang mehr an. Die tausendfachen Missbrauchsfälle vor allem an Jungen, die in der Öffentlichkeit für Empörung und Abscheu sorgen, spiegeln allerdings auch bloß die sexuelle Libertinage wider, von der die westliche Hemisphäre im Zuge der 68er-Revolte erfasst wurde. Gleiches gilt für die inzwischen offenbar galoppierende innerkirchliche Korruption. Auch in diesem Punkt sind Kleriker weltlich geworden.

Nach dem Tod von Johannes Paul II. 2005 und dem Amtsverzicht von Benedikt XVI. 2013 scheint mit Franziskus ein Papst zu regieren, der ganz und gar den Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils verkörpert. Was er offenbar selbst auch so sieht: „Ich glaube, dass der Herr eine Veränderung der Kirche fordert. Ich fühle, dass der Herr will, dass sich das (Zweite Vatikanische) Konzil in der Kirche eine Bahn bricht. Wir sind auf halbem Weg“, verkündete Franziskus Ende September in Litauen vor Jesuiten aus den baltischen Ländern.

Das Pontifikat des Jorge Mario Bergoglio schmiegt sich mit seiner sehr speziellen Barmherzigkeitslehre, in der Dogmen nur noch situativ gültig sind und das Lehramt der Kirche demokratisch verhandelbar werden soll, beinahe nahtlos jener relativistischen weltlichen Agenda an, die keine absolute Wahrheit mehr kennt. Dieser Papst wäre wohl auch von einer Vollversammlung der Vereinten Nationen gewählt worden.

Doch wird es Franziskus tatsächlich gelingen, die römisch-katholische Kirche auf dem Altar des Zeitgeistes zu opfern? Oder ist der mystische Leib Christi immer noch stark genug, um von den Mächten der Unterwelt nicht überwältigt zu werden? Einstweilen weiß es nur Gott allein.

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